Читать книгу Das Biest in Dir - Felix Hänisch - Страница 10
ОглавлениеDie Früchte des Sieges
Mit weit ausgreifenden Schritten marschierte Saparin den schmalen Gang entlang. Die Worte des Menschen hatten ihn aufgewühlt und die Beherrschung verlieren lassen. Nemesta durfte das nicht erfahren, nicht nach der Standpauke, die er ihr gehalten hatte. Doch als Darius, den er sich absichtlich bemüht hatte nicht anzusehen, das Wort an ihn gerichtet hatte, war sein Zorn einfach mit ihm durchgegangen.
Ein sanftes Lächeln umspielte Saparins Züge, als er, immer drei Stufen mit einmal nehmend, die schmale Wendeltreppe aus den Kerkern hinaufstieg. Eigentlich konnte er Nemesta ihre Rache nicht verübeln, da er selbst eine gewisse Befriedigung verspürt hatte als er sah wie sie Therry das Auge zerstochen hatte.
»Genau wie bei Pahrafin«, murmelte Saparin unwillkürlich vor sich hin, als er den oberirdischen Bereich Eichenburghs betrat. Dunkelheit hatte sich über das gesamte Östliche Reich gelegt. Erhellt nur von den Bränden der elfischen Behausungen und durchbrochen von den Siegesgesängen der Zwerge.
Auch sein Bruder war, bevor sie ihn hingerichtet hatten, aufs Schrecklichste gefoltert worden und auch ihm hatten die beiden Iatas eines seiner Augen genommen. Saparin konnte sich noch gut daran erinnern, wie er ihn, vor kaum mehr als einem Mond, in ihrer Heimat, dem Albewald, gefunden hatte. Die Schmerzen, welche sein älterer Bruder durchlitten hatte, bevor sein Leben mit einem Schwertstich beendet worden war, mussten unerträglich gewesen sein.
»Doch seid euch gewiss, dass die euren noch tausendmal schlimmer sein werden, sobald Gott Loës erst mit euch fertig ist.« Wieder hatte der Alb die letzten Worte unbedacht vor sich hingeflüstert, als im selben Augenblick auch schon einer seiner Offiziere schattengleich neben ihm aus dem Boden wuchs.
»Sagtet Ihr etwas, Durchlaucht?« Saparin sah den Mann kurz an und schüttelte dann beiläufig den Kopf. Einen Lidschlag später, als dieser sich unter einer höflichen Verbeugung wieder entfernen wollte, hielt er ihn jedoch am Arm fest.
»Warte, Peilnhin. Lass rasch nach einem Heilkundigen schicken und bring ihn hinunter in die Folterkammer, wo die beiden Biester gefangen sind. Er soll sich um ihre Verletzungen kümmern und ihre Schmerzen lindern. Schließlich dürfen sie vor lauter Qualen nicht den Verstand verlieren ... Zumindest noch nicht.« Der Blick des Halbgottes ging ein wenig ins Leere, während ihm die letzten Worte kaum vernehmlich über die Lippen traten.
Einen Augenblick später fuhr er in gewohnt befehlsmäßigem Ton fort: »Anschließend schickst du jemanden, der dein Vertrauen genießt, hinüber nach Urgolind, auf das er einen sicheren Raum suche und dort reichlich Ketten platziere. Danach bringst du, zusammen mit den verschwiegensten deiner Leute, die Uèknoos, Darius und Therry, durch den Wald hinauf in die Baumfestung. Aber achte darauf, dass weder die plündernden Zwerge noch sonst irgendjemand ihre Verlegung mitbekommt. Ich mache dich persönlich für das Überleben der beiden Halbmenschen verantwortlich, Peilnhin. Es wäre also besser, wenn du deine Aufgabe ernst nimmst.«
»Selbstverständlich, Durchlaucht«, nickte der hochgewachsene Alb dienstbeflissen und hielt sich zum Zeichen seiner Ergebenheit die Hände sittsam ineinander gefaltet vor den Bauch.
»Ach ja, noch etwas. Hast du gesehen, wo Nemesta hingegangen ist?« Saparin versuchte seine Stimme möglichst beiläufig klingen zu lassen, obwohl er seinem Gegenüber keine Rechenschaft schuldig war und es ihm egal sein konnte, was dieser von ihm dachte.
»Lady Nemesta hat das Gefängnis soeben verlassen. Ich glaube, sie ist in Richtung der Hütten gelaufen.« Saparin nickte knapp zum Zeichen, dass der Krieger sich entfernen durfte. Anschließend machte er sich ebenfalls daran, Eichenburgh zu verlassen.
Die langgezogenen, tristen Gänge, die so gar nicht zu den sonst so offenherzigen und weitläufigen Bauwerken der Elfen passen wollten, erweckten in ihm auf makabere Art das Gefühl, wieder im Tempel von Loës zu sein. Auf Fenster war weitestgehend verzichtet worden, sodass selbst bei Tag ein zwielichtiges Halbdunkel vorherrschen musste, wie es eher seinem Volk zu Gesichte stand.
Die wenigen Fenster, die es dennoch gab, waren von außen mit starken Metallgittern versehen. Alles in allem hätte sich das Haus, welches in seinen Ausmaßen gewiss Platz für über sechzig Elfen geboten hätte, kaum mehr von den anderen Gebäuden des Naoséwaldes unterscheiden können. Immerhin war es auch eines der wenigen, die unmittelbar auf dem Erdboden errichtet worden waren und das einzige unter ihnen, welches man zum Großteil aus Stein gebaut hatte.
Noch vor wenigen Stunden war es eine Art Gefängnis gewesen, das ein wenig abseits von den Riesenbäumen, auf deren Wipfeln das eigentliche Elfenreich thronte, in der kleinen Waldeslichtung lag. Genau genommen war es das noch immer, ein Gefängnis. Nur die Insassen hatten gewechselt.
Eine letzte Handvoll Elfen hatte sich erfolglos hinter den hölzernen Flügeltüren, die inzwischen nur noch zur Hälfte in ihren beschädigten Angeln hingen, verbarrikadiert. Saparin durchschritt den Torbogen, dessen Lettern bereits mit einer schwarz-purpurnen Schleife verdeckt waren, mit Genugtuung. Nach dem Fall von Urgolind, dem Herz des Waldelfenreiches, war es reine Routine gewesen, die letzten Feinde aufzuspüren und niederzuwerfen. Verluste hatte es aufseiten der Alben dabei keine gegeben.
Nachdem das Leben der Gefängniswachen ein jähes Ende gefunden hatte, waren ihnen die Insassen ins Jenseitige Reich gefolgt. Jeder einzelne der Häftlinge war unbewaffnet und feige wie ein kleines Lamm gewesen, sodass sie die Schärfe des albischen Stahls eigentlich gar nicht verdient hatten.
Jetzt boten die Zellen unfreiwillige Unterkunft für die elfischen Offiziere und Adligen, die das Gemetzel überlebt hatten. All jene, die sein Gebieter zu befragen gedachte, sobald er sich vom Kampf gegen Darius, Therry und die aufsässige Waldelfenkönigin erholt hatte. Letztere hatte Gott Loës in einer Verzweiflungstat hinterrücks ihr Zauberschwert in den Rücken gestoßen und ihn damit fast umgebracht.
Kaum, dass Saparin das durch dezenten Fackelschein erhellte Gebäude verlassen hatte, dessen Erdgeschoss inzwischen als behelfsmäßiges Quartier für einige albische Soldaten diente, erkannte er, wie vor ihm eine schmale Gestalt zwischen den Bäumen des Waldes verschwand. Die Flora war in diesem Teil des Forstes, gut fünf Meilen von Urgolind entfernt, nicht sonderlich dicht, sodass die bestens an die Dunkelheit gewöhnten Augen des Halbgottes alles gut erkennen konnten.
In einem Umkreis von gut zweihundert Schritten waren einige kleine Hütten errichtet worden, in denen bisher vermutlich das elfische Wachpersonal gehaust hatte. Nun dienten sie Saparin und seinen Offizieren als Einzelquartiere. Allerdings erschien es ihm übertrieben, von Hütten zu sprechen, denn so wie die meisten Wohnunterkünfte der Elfen waren auch sie sehr schlicht gehalten. Obwohl gemütlich und mit viel handwerklichem Geschick errichtet, maßen sie nicht sehr viel mehr als ein zusammengerollter Bergtroll.
Zielsicher steuerte Nemesta auf die hinterste der Baracken zu, unter deren Fensterläden ein wenig Licht hindurchschimmerte. Bereits dieser kurze Fußmarsch schien die stolze Albenkriegerin arg anzustrengen, da ihre Schritte sich zunehmend verlangsamten und sie auf einem Bein wieder zu humpeln anfing.
Die Wunden, die sie sich bei der Schlacht zugezogen hat, setzen ihr stärker zu, als sie sich eingestehen will, dachte Saparin unwillkürlich und passte sein Tempo dem seiner Gefährtin an. Er wollte Nemesta nicht in Verlegenheit bringen, indem er sie einholte und damit ihre körperliche Einschränkung offensichtlich machte.
Gemächlich lief er um einige auf dem Boden liegende Zweige und kniehoch gewachsene Farne herum, stets bemüht, keine Geräusche zu verursachen. Als seine Partnerin schließlich die Tür zu ihrer Unterkunft durchschritt, fragte er sich einen Augenblick lang, ob es überhaupt ratsam war, ihr zu folgen. Doch noch während Saparin darüber nachdachte, lenkten seine Füße ihn beinahe schon eigenständig vor den Eingang der kleinen Behausung.
Er hatte die Hand bereits erhoben und mit den Faustknöcheln zweimal gegen die Tür geklopft, als ihm zu seiner eigenen Verwunderung klar wurde, dass er überhaupt nicht wusste, was er sagen sollte, wenn Nemesta ihm öffnete. Noch während er nach Worten suchte, wurde die Klinke bereits von innen heruntergedrückt und mit zusammengezogenen Augenbrauen erschien die Albin in der Tür. Als sie ihren Begleiter erkannte, hellte ihr Blick sich jedoch schlagartig auf.
»Komm rein«, sagte sie ruhig und wandte sich sogleich wieder um. Saparin kam der Aufforderung nach kurzem Zögern nach und folgte ihr ins Innere. Die Wohnfläche bestand nur aus einem einzigen Raum und da die Hütte über keinen Schornstein verfügte, waren Kerzen die einzige Lichtquelle. Gut zwei Dutzend von ihnen hatte Nemesta aufstellen lassen, wodurch die hellbraunen Innenwände in einen gelblich flackernden Schein getaucht wurden.
Mit wenigen Schritten hatte die Albin das Zimmer durchquert und stand nun vor einem mannshohen Spiegel, welchen sie ebenfalls in das Quartier hatte bringen lassen. Ohne Saparin eines weiteren Blickes zu bedenken, nestelte sie an den Haken und Ösen ihres Kettenhemdes. Der Halbgott stand unschlüssig neben der Tür und überlegte für einen Moment, was er als Nächstes tun sollte. Da Nemesta nicht von sich aus bereit schien, ein Gespräch anzufangen, beschloss er, selbst das Wort zu ergreifen.
»Ich kann nachvollziehen, dass du dich lieber heute als morgen an den beiden Menschen rächen möchtest, aber du musst auch Loës verstehen. Er legt immensen Wert darauf, sie lebend wieder vorzufinden. Wenn wir dieser einfachen Aufgabe nicht nachkommen können, werden wir seinen Zorn auf uns ziehen und dann ...«
»Ich weiß. Du hast ja auch recht«, fiel Nemesta ihm ins Wort. Dabei klang sie jedoch nicht arrogant oder launisch, so wie es in der letzten Zeit häufiger der Fall gewesen war. Ihre Stimme war, genau wie ihre ganze Wesensart, sanft und ruhig. Diesmal, das konnte Saparin spüren, gab sie es allerdings nicht vor, um ihn zu täuschen. Tatsächlich schien sämtliche Aggression und aller Hass, der die kampfbesessene Albin sonst so sehr prägte, verschwunden zu sein. Mit vertrauensseligen Augen blickte sie Saparin durch den Spiegel hinweg an und ein kleines Lächeln huschte über ihre Züge, als sie weitersprach.
»Mir ist klar, dass das, was ich getan habe, nicht richtig war. Aber ich konnte diese Schmach einfach nicht auf mir sitzen lassen.« Dabei fuhr sie sich mit den Fingern über den Verband an ihrem Hals, wo Therry sie erst wenige Stunden zuvor gebissen hatte. Die Verschlüsse ihrer Rüstung hatte sie inzwischen gelöst, sodass diese jetzt schlaff an ihr herabhing. »Die kleine Schlampe hätte mich beinahe umgebracht. Ich wollte, dass sie mindestens genauso sehr leidet wie ich. Und ihr Bruder sollte mindestens genauso viel Angst haben, wie ich sie in diesem Moment hatte.« Geistesabwesend drehte sie die Kettenglieder, welche Therry mit ihrem Biss aufgeknackt hatte, zwischen den Fingern hin und her.
»Ich bin sehr froh, dass du überlebt hast.« Saparin errötete ein wenig, als er die Worte aussprach. Langsam näherte er sich Nemesta von hinten und griff nach dem Saum ihres Stahlhemdes. Durch den Spiegel sahen die beiden sich tief in die Augen und vorsichtig half er ihr, sich der Panzerung zu entledigen.
Nemesta hätte es auch ohne ihn geschafft, doch sie genoss es, Saparins kraftvolle und gleichzeitig sanfte Hände auf ihrem Körper zu spüren. Gänsehaut überkam sie, als er mit seinen Fingern ihre Taille berührte und augenblicklich richteten sich die kleinen Härchen in ihrem Nacken auf. Achtlos warf sie die Rüstung in die Ecke und drehte sich nun gänzlich zu ihrem Gefährten um. Einzig ein schmuckloses Untergewand aus weißem Leinen, welches ihrem Körper nicht im geringsten Maße gerecht wurde, verdeckte jetzt noch ihre Blöße.
»Dabei fällt mir ein, ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt«, hauchte sie und trat noch einen halben Schritt auf Saparin zu, sodass ihre Hüften sich berührten. »Ohne dein Eingreifen hätte der Zwergenprinz mich in der Schlacht getötet.« Lächelnd legte sie ihm die Arme um den Hals und näherte sich langsam mit ihrem Mund dem seinen.
Als ihre Lippen sich berührten, kam es Nemesta vor, als würde glühend heiße Lava sie durchfluten und die Gänsehaut auf ihren Armen und Schultern verstärkte sich. Im ersten Moment stand Saparin einfach nur da und es ließ sich nicht erschließen, ob er den Moment ihrer Zweisamkeit genoss oder nicht. Doch gerade als der Albin in den Sinn kam, dass er womöglich gar nicht mehr als Freundschaft zwischen ihnen wollte, erwiderte er den Kuss. Und das mit solcher Leidenschaft, dass ihr ganzer Körper, von den Fußsohlen bis hinauf zur Nasenspitze, zu kribbeln begann.
Einige Augenblicke lang verharrten die beiden ineinander verschlungen. Ihre Zungen erforschten hemmungslos den Mund des jeweils anderen, bis Nemesta sich schließlich wieder ein wenig von ihm löste. Sie konnte spüren, dass Saparin nur widerwillig von ihr abließ – und es gefiel ihr. Doch eines musste sie noch wissen, bevor sie sich ihm gänzlich hingab.
»Was ist eigentlich mit ihm passiert?«, fragte sie und musste die Stimme dabei kaum erheben, da Saparin noch immer, im wahrsten Sinne des Wortes, an ihren Lippen hing und sie sich so nahe standen, dass sie seine versteifte Männlichkeit durch den Stoff ihrer Kleidung hindurch spüren konnte.
»Wen meinst du?« Der Halbgott klang ehrlich verwirrt, da er in diesem Moment nicht damit gerechnet hatte, dass Nemesta über irgendjemand anderen sprechen, oder auch nur denken würde.
»Ich rede von Nubrax, dem Zwerg, der mich angegriffen und dich mit seiner Axt geschlagen hat. Was ist mit ihm geschehen? Hast du ihn getötet?« Noch immer hatte Nemesta die Arme um Saparins Hals gelegt und fuhr ihm verspielt mit den Fingern durch die langen Haare, aber sie spürte, dass er sich just in diesem Moment wieder ein wenig von ihr entfremdete. Halb verwünschte die Albin sich dafür, dass sie wieder damit angefangen hatte, doch ihr Interesse war nun einmal geweckt und so musste sie es wissen.
Saparin gingen inzwischen wieder die Bilder durch den Kopf, wie er Nemesta im allerletzten Moment aus der Reichweite des kleinen Wüterichs gestoßen hatte, nur um selbst beinahe in zwei Teile zerhackt zu werden. Unbewusst fuhr er sich mit der Linken über das frische Gewand, welches er der Kleiderkammer eines wohlhabenden Elfen entnommen hatte. Geschickt verdeckte das weite Hemd die tiefe und für ein sterbliches Wesen tödliche Wunde, welche die Waffe in seinen Bauch geschlagen hatte. Das Schlimmste war dabei jedoch, dass ihnen neben der Rache an Darius und Therry auch noch die an dem Zwergenprinz und dessen halbwüchsigem Begleiter verwehrt blieb.
Für den Bruchteil eines Lidschlages huschte ein Schatten über Saparins bis eben noch glücklich erfülltes Gesicht, da er wieder daran denken musste, wie einer von Barmbas’ Leuten die beiden Zwerge nach der Schlacht mit sich genommen hatte. Die stille Drohung, welche in jenem Moment zwischen ihm und dem verkrüppelten Krieger namens Ephialtes gestanden hatte, nagte noch immer an ihm. Nemesta würde die Demütigung rasend machen, wenn sie davon erführe. Und schlimmer noch, sie könnte sie zu einer Dummheit, wenn nicht gar zu einem kurzentschlossenen Krieg gegen die mittelbergischen Zwerge verleiten.
So zuckte der Halbgott nur beiläufig mit den Schultern und meinte in ausweichendem Tonfall: »Er ist tot. Als du mit der Furie beschäftigt warst, kam mir einer seiner Landsleute zu Hilfe und hat ihm hinterrücks den Kopf von den Schultern geschlagen.«
»Ja ... so ein Verhalten sieht diesen kleinen Kröten ähnlich«, entgegnete Nemesta langsam, doch in ihrer Stimme schwang eindeutiger Zweifel mit. Prüfend blickte sie Saparin ins Gesicht. »Sind seine sterblichen Überreste aufbewahrt worden? Ich will diesem zu klein geratenen Mensch, dem es in seiner Dreistigkeit gelungen ist, uns beiden Schaden zuzufügen, wenigstens noch einmal ins Gesicht sehen.«
»Ich weiß es nicht. Wir können morgen nach ihm suchen lassen, aber ich mache mir keine großen Hoffnungen. Zu viele Zwerge sind gestorben, als dass man einen einzelnen Kopf finden könnte und die Kleinen Leute pflegen ihre Gefallenen ja bekanntlich wieder mit in die Heimat zu nehmen«, meinte Saparin, wobei seiner Stimme deutlich zu entnehmen war, dass ihm die Richtung, in die ihr Gespräch zu verlaufen drohte, ganz und gar nicht gefiel.
Ohne seiner Gegenüber viel Zeit zum Nachdenken zu lassen, fuhr er schnell und mit tief melancholischen Worten fort: »Ich hatte in diesem Moment aber auch kein Verlangen danach, mich um den Leichnam eines Zwerges zu kümmern. Meine Sorge galt einzig und allein dir.«
Daraufhin errötete Nemesta ein wenig. Gerührt schenkte sie ihm ein neuerliches Lächeln, das Saparin nur allzu gern erwiderte. Langsam näherte er sich ihrem Mund und hauchte seiner Geliebten sanft einen Kuss auf die leicht geöffneten Lippen.
»Willst du deine Rachegelüste nicht wenigstens für diese eine Nacht vergessen und dich nur mir widmen?«, fragte er, während seine Hand von ihrer Taille gefühlvoll den Rücken hinauffuhr und sie sanft aber bestimmt an sich drückte. Anstatt zu antworten, schmiegte Nemesta sich noch näher an ihn. Lüstern ließ sie ihre Hand an seinem Bein hinabfahren, um dann sachte, aber dennoch fordernd seine Männlichkeit von unten zu umgreifen. Augenblicklich konnte sie spüren, wie Saparin unter ihren Fingern erbebte. Die Münder noch immer fest aufeinandergepresst, schob sie ihn zielsicher auf ihr Nachtlager zu, das nur wenige Schritte neben dem Spiegel, in der hinteren Ecke des Raumes stand.
Obwohl das Bett schmal und nur für eine Person ausgelegt war, ließen sie sich, von wilder Leidenschaft getrieben, beinahe gleichzeitig darauf hinabfallen, sodass der Holzrahmen bedrohlich knarrte. Anfangs zurückhaltend, dann jedoch zunehmend besitzergreifend tasteten Saparins Hände nach den Brüsten seiner Partnerin. Umfuhren zuerst vorsichtig die weiblichen Rundungen, bis er sich schließlich kaum mehr beherrschen konnte und sie wollüstig zusammendrückte. Mit einem frenetischen Stöhnen erwiderte Nemesta seine rauen, aber für sie dennoch sehr erregenden Zärtlichkeiten.
Breitbeinig und leicht nach vorn gebeugt kniete sie auf ihm und ließ ihre Hände ebenfalls leidenschaftlich über seinen Körper gleiten. Sanft und gleichzeitig verlangend strich sie ihm übers Gesicht und krallte sich mit den Nägeln ein wenig in die weiche Haut seines Halses. Mit einem Ruck richtete die Albin sich urplötzlich kerzengerade auf, sodass sie nun genau auf seinem Bauch saß. Durch sachten aber bestimmten Druck auf seine Schultern hinderte sie Saparin daran, sich ebenfalls zu erheben. Dabei drückte sie ihre Schenkel zusammen, sodass auch seiner Kehle unwillkürlich ein Laut der reinen Lust entsprang.
Ohne Hast umschloss Nemesta mit Daumen und Zeigefinger ihrer Linken die Schnürbänder, welche ihr Untergewand an seinem Platz hielten und zog daran. In einer fließenden, aber scheinbar unendlich langsamen Bewegung streifte sie sich den Stoff über den Kopf und entblößte ihrem Gefährten das, wonach er sich verzehrte, seit er sie das erste Mal gesehen hatte.
Ein Lächeln umspielte die Züge des Alben, bei dem er wolfsgleich seine Zähne aufblitzen ließ, während sein Blick an ihrem Körper entlangwanderte. Saparin schien sich regelrecht an ihrer nackten Haut festzusaugen und ein Funkeln lag in seinen Augen, das nicht allein vom flackernden Licht der Kerzen stammte.
Nemesta genoss es, wie er lüstern zu ihr aufsah und sich vor Verlangen kaum mehr zurückhalten konnte. Auch in ihrem Unterleib stieg inzwischen eine kribbelnde Spannung auf, die sie einzig und allein an die bevorstehende Vereinigung ihrer beiden Körper denken ließ.
Längst hatte Saparin den Gürtel seiner Hose geöffnet und sich die Stiefel ausgezogen. Ohne von dem viel zu schmalen Lager aufzustehen, entledigte er sich, gemeinsam mit ihrer Hilfe, seiner Beinkleider, die achtlos zu dem Kettenhemd in die Ecke flogen. Auch Nemestas Augen weiteten sich jetzt in unverhohlener Vorfreude, ihn jeden Moment in sich zu spüren. Ohne groß darüber nachzudenken, griff sie nach dem Hemd ihres Geliebten, um es ihm vom Leib zu reißen und ihn endlich in seiner vollen Nacktheit vor sich zu sehen.
Doch kaum, dass sie sein Gewand zur Hälfte nach oben gezogen hatte, zuckte die Albin erschrocken zusammen. Dort, wo sie bis eben noch Saparins Bauchnabel vermutet hatte, den sie verführerisch mit ihren Fingern umstreicheln wollte, klaffte ein fausttiefes Loch. Über eine Handspanne lang zog sich die Wunde durch seinen Oberkörper, aber kein einziger Blutstropfen ergoss sich aus ihr. Hätte Nemesta nicht augenblicklich mit den Zärtlichkeiten, die sie Saparin scheinbar mit jeder einzelnen Stelle ihres Körpers gleichzeitig angedeihen ließ, aufgehört, er hätte es vermutlich selbst kaum wahrgenommen.
Fassungslos wechselten ihre Augen zwischen der lebensgefährlichen Wunde und dem Gesicht ihres Liebsten hin und her. Er erwiderte den Blick nichtssagend und plötzlich wurde der Albin erneut bewusst, dass ihr Partner sein Leben gegeben hätte, nur um das ihre zu schützen. Neben der hemmungslosen Lust, die sie für ihn empfand, gesellte sich nun auch noch ein weiteres Gefühl hinzu, das sie seit zweihundert Jahren nicht mehr empfunden hatte. Liebe.
»Tut ... tut das weh?«, fragte sie leise und streckte die Hand nach der Verletzung aus, nur um sie im letzten Moment ängstlich wieder zurückzuziehen.
»Nein.« Saparin schüttelte den Kopf, erstaunt darüber, wie mitfühlend seine sonst so gewaltbesessene Gefährtin sein konnte. »Zumindest nicht sehr. Ich spüre es zwar noch, aber es fühlt sich eher so an, als wäre die Stelle eingeschlafen. Das Fleisch ist taub und kribbelt ein bisschen.« Behutsam griff er nach ihrer Hand und fuhr mit ihr über die offene Stelle. »In ein paar Tagen wird es aber wieder besser«, fügte er aufgrund von Nemestas leicht schockiertem Gesichtsausdruck hinzu, um sie zu beruhigen. Daraufhin legte sie ihre Stirn jedoch nur noch mehr in Falten.
»Woher weißt du das?«, fragte die Albin leicht verwirrt. Doch schon im nächsten Augenblick, als Saparin sein Hemd noch ein Stück höher zog und so seine muskulöse Brust enthüllte, fiel es ihr wieder ein.
»Oh ... ja ... stimmt. Du hast bei deiner Wiederauferstehung ja keinen neuen Körper bekommen«, sprach sie, während ihr Blick mitleidig auf seine zweite Verletzung fiel. Die Wunde war deutlich schmaler, es hätte nicht einmal mehr ein Finger hineingepasst und die Ränder schienen gut zusammenzuheilen. »Das war die Halbmenschin, Therry, nicht wahr?« Saparin nickte stumm, doch ihre letzten Worte hatten ihn nachdenklich werden lassen.
»Ein neuer Körper? Heißt das, du sahst früher, bevor du gestorben bist, einmal anders aus?« Der Halbgott versuchte seine Stimme möglichst beiläufig klingen zu lassen, während er darum bemüht war, ihr beim Sprechen in die klaren, schwarzen Augen und nirgendwo sonst hinzusehen.
»Ja und nein«, antwortete Nemesta vielsagend und legte den Kopf nachdenklich auf die Seite. »Loës hat mir genau den Körper zurückgegeben, den ich vor zweihundert Jahren hatte. Die Wunde, die mich damals getötet hat, ist natürlich nicht mehr vorhanden.« Demonstrativ deutete sie mit der Hand auf ihre unverhüllten Brüste.
»Du bist also nicht der Erste für mich, falls du das gemeint hast«, fügte sie hinzu und lächelte schelmisch. Saparin erwiderte das Grinsen und konnte es seinen Augen nun doch nicht verbieten, an ihrem Körper herabzuwandern und unverhohlen ihre vollkommene Schönheit zu bewundern. Tatsächlich war kein Makel und keine Narbe auf der ebenmäßig weißen Haut der Kriegerin zu sehen. Obwohl er ihr nun endlich beiliegen wollte, brannte ihm noch immer eine Frage über jene Frau, von der er eigentlich gar nichts wusste, auf der Zunge.
»Wie war das damals eigentlich bei dir?«
Nemesta hob eine Braue und sah ihn fragend an.
»Deinen Tod meine ich«, spezifizierte er, als ihm die Zweideutigkeit seiner Worte auffiel. Erneut huschte ein Lächeln über Nemestas Züge, diesmal jedoch so bitterböse, wie er es von ihr gewohnt war.
»Sagen wir es mal so, ich bin meinem Mörder in der heutigen Schlacht begegnet und nun wird nie wieder ein Alb durch seine Hand fallen«, sprach sie vielsagend, jedoch mit einem Unterton, der das Thema als abgeschlossen bewertete.
Auch wenn sie inzwischen wahrhaftige Liebe für Saparin empfand, so gab es doch immer noch Dinge, die ihn nichts angingen. Ein Kapitel aus ihrem Leben, das schon längst geschlossen war ...[Fußnote 1]
Er schien es zu verstehen und fragte nicht weiter nach, was allerdings auch einfach nur daran liegen konnte, dass seine Lust ihn nun endgültig zu übermannen drohte. Begierig streckte er erneut seine Hände nach ihr aus, doch Nemesta drückte seinen Arme zärtlich nieder und hielt ihn zurück.
»Du sollst wissen, dass ich dir wirklich sehr dankbar bin, für das, was du für mich getan hast.« Ihre Stimme klang leise und verführerisch, doch Saparin spürte, dass sie das, was sie sagte, dennoch vollkommen ernst meinte. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, senkte Nemesta langsam den Kopf, bis ihr Mund nur einen Fingerbreit über der von Nubrax geschlagenen Wunde verharrte.
»Das werde ich dir nie vergessen.« Heiß und ein wenig kitzelnd konnte er ihren Atem auf der gesunden Haut um die offene Stelle herum spüren. Vorsichtig, als hätte die sonst so tollkühne Kriegerin noch immer Angst, ihm Schmerzen zuzufügen, hauchte sie ihm sanft einen Kuss auf den Schorf. Obwohl Saparins zerstörte Nervenenden die Liebkosung gar nicht wahrnehmen konnten, hätte er sich in diesem Moment nichts Schöneres vorstellen können.
Mit anzusehen, wie die Frau, für die er mehr empfand als für jedes andere Wesen auf der Welt, halb auf ihm lag und seiner Verletzung eine ganz besondere Pflege angedeihen ließ, schien sich durch nichts mehr steigern zu lassen. Doch schon im nächsten Moment wurde er eines Besseren belehrt, als ihr Kopf noch weiter an ihm herabwanderte und ihre Lippen sich genauso fürsorglich um eine andere Stelle seines Körpers kümmerten.
Nemesta genoss es, wie ihr Geliebter unter den gleichmäßig kreisenden Bewegungen ihrer Zunge erbebte und ihm hin und wieder ein zittriges Keuchen über die Lippen kam. Wie, um sie in ihrem Tun zu bestärken, streichelte er ihr wohlwollend, wenn auch ein wenig ungeschickt, mit der Hand über den Hinterkopf, ließ ihre Haare zwischen seinen Fingern hindurchgleiten und strich sie ihr hinters Ohr. Mit einer Hand öffnete Nemesta ihre Hose, streifte sich die Stiefel ab und ließ den Stoff elegant an sich herabgleiten, während sie Saparin mit der anderen nach wie vor unvergleichliche Freuden bereitete.
Als sein Atem immer schneller wurde und seine Rechte sich bereits neben ihr in die Laken krallte, ließ die Albin von einem Augenblick auf den nächsten von ihm ab und schlängelte sich an seinem schweißglänzenden Körper hinauf. Ohne ihn zur Ruhe kommen zu lassen, drückte sie fordernd ihr Becken gegen das seine. Nach dem dritten Stoß begriff Saparin endlich und drang freudig erregt in sie ein.
Immer und immer wieder durchbrachen Nemestas Schreie die nächtliche Stille des Naoséwaldes. Es war ihr gänzlich egal, wer sie alles hörte und was ihre Untergebenen denken mochten. In diesem Augenblick zählten nur noch sie beide.
Und während sie sich im flackernden Schein der Kerzen liebten, spürten sie, dass sich in dieser Nacht mehr miteinander verband als nur ihre Körper. Die schwarzen Herzen zweier ebenso grausamer wie besessenen Wesen schlugen im Einklang miteinander und es schien, als wäre nichts auf der Welt stark genug, ihre Seelen zu entzweien.