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Prolog

»Skal, hältst du es noch immer für klug, dich mit den Alben einzulassen?« Cedryks Worte drangen dumpf und wie durch eine verschlossene Tür an seine Ohren. Nichtsdestotrotz war der alte Iatas froh, den Klang seiner Stimme nach so langer Zeit wieder vernehmen zu dürfen. Betrübt sah er in die Augen seines einstigen Schülers, die ihn anklagend taxierten. Doch bereits nach einem Lidschlag musste Skal den Blick wieder senken, da er den stummen Vorwurf nicht mehr ertragen konnte.

Eine Weile standen die beiden Männer schweigend nebeneinander und blickten hinab auf das saftige Gras und die sanften Hügel der Weinbergebene, die sie in vergangen Tagen oft bereist hatten.

»Du weißt, dass ich inzwischen keine andere Wahl mehr habe?«, brach Skal nach einiger Zeit die eisige Stille zwischen ihnen, die so ganz im Gegensatz zu der friedlichen Umgebung stand, in der alles blühte und gedieh. Noch immer konnte er Cedryk nicht in die Augen sehen, also blickte er weiter hinab auf die Weinranken, die an den Rebstöcken im Norden emporwuchsen und dieser Gegend ihren Namen verliehen. Obwohl er seine Worte wie eine Frage gestellt hatte, klangen sie selbst in seinen Ohren nach einer Rechtfertigung. Eine Begründung für den Gesinnungswandel, welchen er vollzogen hatte. Eine Ausrede für seinen Verrat.

»Man hat immer eine Wahl, Skal. Zumindest sind das die Worte, die du mich einst gelehrt hast, bevor ...«, Cedryk ließ den Satz unausgesprochen zwischen ihnen stehen und zwang seinen ehemaligen Meister somit, ihn für sich selbst zu beenden.

... Bevor ich dich umgebracht habe, schloss dieser in Gedanken.

»Du hattest damals die Wahl und hast sie auch heute noch. Du wirst sie immer haben. Anders als ich. Mir hast du diese Freiheit für immer genommen.« Cedryk drehte sich nun zu ihm um und obwohl seine Stimme immer lauter geworden war, ließ sie jeglichen Zorn missen, der doch nur zu gerechtfertigt gewesen wäre. Skal quälte das bloß noch mehr. Auch die Körperhaltung seines einstigen Schülers wies keinerlei Aggression auf, so wie es früher stets der Fall gewesen war, wenn er etwas begehrte oder andere von seiner Meinung überzeugen wollte. Er stand einfach nur anklagend vor ihm und strahlte eine hohngleiche Bitterkeit aus. Dabei war es doch an Skal, verbittert zu sein. Hatte nicht er jedes Recht, das Schicksal zu verfluchen, welches ihn erst dazu gebracht hatte, Cedryk zu töten und nun auch noch Darius und Therry ins Unglück zu stürzen?

»Nein«, hauchte er bloß, schüttelte den Kopf und trat einen Schritt auf den Jüngling zu, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Wut stieg in dem alten Krieger auf. Wut über das Unverständnis von Cedryk und über die Geringschätzigkeit dem gegenüber, was er durchmachen musste. Was wusste dieser Junge denn schon?

»Du verstehst das nicht. Ich habe keine Wahl und ich werde sie auch nie wieder haben, Cedryk. Loës wird dereinst ganz Epsor beherrschen und entweder man ist für ihn oder gegen ihn. Ich bin lediglich schlau genug, mich auf die Seite des Siegers zu stellen. Das hättest du auch tun sollen, als du noch die Gelegenheit dazu gehabt hast.«

Doch diesmal war es an Cedryk, den Kopf zu schütteln. »Das ist nur eine Ausrede und das weißt du. Doch selbst wenn dem nicht so wäre, du hattest früher eine Wahl. Du hattest die Möglichkeit, dich und alles, was du zu schützen geschworen hast, an die Alben zu verkaufen. Du hattest die Möglichkeit, den Edelstein zu stehlen, der es Loës erlaubt hat, seinem Gefängnis zu entfliehen. Du hattest die Möglichkeit, ihn zu töten, anstatt Irys, als du gemeinsam mit ihr im Albewald-Tempel gewesen bist.« Cedryk atmete schwer. »Und du hattest die Wahl, mich zu töten«, schloss er schließlich traurig, woraufhin Skal einige Schritte zurückwich und die Augen schloss, so als könne er das eben Gehörte dadurch ungeschehen machen.

Aber das Gegenteil war der Fall. Während er sich noch fragte, woher Cedryk dies alles wusste, stiegen ihm die Bilder seiner Opfer innerlich vor Augen. Die Gesichter all jener, die zugunsten seiner Pläne, mehr Macht zu erlangen, weichen mussten. Cedryk, Irys, Pahrafin, Bullrich und nicht zuletzt auch noch Darius und Therry. Mit aller Kraft riss er die Lider wieder auf, um sich von dem Albdruck zu befreien. Aber anstatt dass sein anklagendes Gewissen von ihm abließ, wurde alles nur noch schlimmer.

Grelles Licht blendete Skal im ersten Moment, da er wieder etwas anderes zu sehen erhoffte, als die anklagenden Blicke und blutverschmierten Leichen der Personen, die er hintergangen hatte. Es brauchte einen kurzen Moment, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Als er schließlich wieder etwas erkennen konnte, musste Skal feststellen, dass er sich nicht mehr am Rande der Weinbergebene befand. Das durchdringende Licht stammte von blütenweißem Schnee, der das Sonnenlicht reflektierte.

Der Ort des Friedens und des Lebens war binnen eines Atemzuges einer Eiswüste weitab jener fruchtbaren Ebene gewichen. Lebensfeindlich und trostlos ragte der Berg Karakjerra vor ihm auf. Wie tausend Augen blickten seine Ehrfurcht gebietenden Felswände und der majestätische Gipfel – auf dem, wie er wusste, Loës einst begraben gelegen hatte – auf ihn herab. Doch trotz der Kälte und des schneidenden Windes, fühlte Skal kein körperliches Unbehagen. Die eisige Temperatur drang nicht zu ihm durch und als er an sich herabblickte, stellte er fest, dass seine nackten Füße keine Spuren im Schnee hinterließen.

Leicht verwirrt drehte der Iatas sich einmal im Kreis, um seine Umgebung etwas genauer zu betrachten. Da keine einzige Schneeflocke vom bedeckten Himmel fiel, reichte sein Blick bis hinauf zu dem plateauartigen Gipfel. Eine tief hängende Wolke drückte sich gegen die schroffe Felswand und versuchte sie zu überwinden. Skal hatte die Drehung um seine eigene Achse noch nicht ganz beendet, aber ein Teil von ihm erahnte bereits, was er noch zu sehen bekommen würde.

Gedämpft, jedoch zunehmend lauter werdend, drangen die Geräusche eines sich anbahnenden Kampfes an sein Ohr. Die Szenerie, die sich dem alternden Krieger darbot, war ihm gleichermaßen vertraut wie auch befremdlich. Unzählige Male war sie schon vor seinem geistigen Auge abgelaufen – wenn auch stets aus einem anderen Blickwinkel. Die Worte, welche vom Wind nur bruchstückhaft an ihn herangetragen wurden, brauchte er nicht, um zu wissen, was die beiden Männer sprachen. Schließlich war er selbst einer von ihnen.

»Fragst du dich, weshalb ich dir die Bilder unseres Kampfes zeige?« Wie aus dem Nichts war Cedryk wieder neben ihm aufgetaucht. Auch er blickte hinab und sah zu, wie sein vergangenes Selbst Skal in diesem Moment grob bei den Schultern packte und ihn gegen die raue Wand des Berges stieß.

»... Was soll das heißen, der Plan hat sich geändert? ...«, schallte es vom Tal zu ihnen hinauf.

Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr der neben ihm stehende Cedryk fort: »Ich will es verstehen, Skal. Ich will verstehen, warum du das getan hast. Oft habe ich nach meinem Tod auf mein einstiges Leben zurückgeblickt, bis zu jenem Zeitpunkt, da wir uns gegeneinander gewendet haben.« Bitterkeit und Melancholie spiegelten sich auf den Zügen des jungen Mannes wider und seine Stimme klang ehrlich, so als wolle er eine Rechtfertigung hören.

Skal beobachtete, wie er selbst, nur einen Steinwurf weit entfernt, in diesem Moment mit der geballten Faust zum Schlag ausholte. Reflexartig drehte der Cedryk im Tal seinen Kopf zur Seite, als ihm der Angriff die Nase zertrümmerte. Allerdings ging er nicht zu Boden, sondern trat, aus der Drehung heraus, nach Skals Brust.

»... Du Hurensohn, ich bring dich um! ...«

»Du willst es also verstehen, Cedryk?« Skal wandte sich beinahe angewidert von ihren beiden vergangenen Ichs ab. »Gut, ich erkläre es dir«, meinte er schwermütig und mit einem letzten Handzeichen in Richtung des Kampfgeschehens, wo Cedryk seinem ehemaligen Selbst soeben den Ellenbogen ins Gesicht schlug, fügte er hinzu: »Ich wünschte nur, du hättest mich damals schon gefragt ... und auch zu Wort kommen lassen. Denn dann hätte vielleicht alles anders kommen können.« Cedryk schwieg resigniert und blickte ihn weiterhin vorwurfsvoll an.

Als könne er dadurch das Unvermeidliche hinauszögern, atmete Skal langsam und geräuschvoll aus, bevor er zu erklären begann, was ihm seit Monden auf der Seele lastete und das er bisher noch niemandem hatte mitteilen dürfen.

»Du erinnerst dich doch noch, wie es in den letzten Jahren war, oder? Eigentlich schon fast dein ganzes Leben lang. Die Grafschaften und Herzogtümer unseres Volkes haben sich seit dem Tod von König Sarilandos vor nunmehr zwanzig Jahren untereinander stets mehr oder weniger stark bekriegt. Ich erinnere mich, dass auch wir in einigen Schlachten unsere Finger mit im Spiel hatten. Weißt du noch?« Skals Miene hellte sich beim Gedanken an ihre früheren Kriegsdienste für einen Moment etwas auf. Cedryks Gesicht blieb jedoch ebenso starr wie das Eis, welches sie zu allen Seiten umgab und ließ nicht erkennen, ob er sich überhaupt noch daran zurückerinnern konnte. Entschlossen, es ihm gleichzutun und ohne jede Emotion in seinem Bericht fortzufahren, sprach Skal nach der Dauer einiger Wimpernschläge weiter.

»Wie dem auch sei, das Reich der Menschen war im Begriff zu zerfallen. Die Kämpfe machthungriger Aristokraten haben das Land über Jahre hinweg zunehmend ausbluten lassen. Und während wir dazu verdammt waren, unserem Volk beim Sterben zuzusehen, gefielen sich die alten Rassen darin, sich zunehmend von uns abzuwenden, anstatt mit ihrer viel gerühmten Weisheit zu helfen. Andererseits kann man es ihnen auch kaum verdenken. Ich selbst habe lange Zeit versucht, gegen das Vorurteil anzugehen, dass jenen, die sich mit den Menschen abgeben, nichts als Leid und Unheil widerfährt. Aber leider waren die Abneigungen nur allzu oft gerechtfertigt.

Die Elfen haben schon vor langer Zeit erkannt, dass unsere Rasse noch zu jung und zu unerfahren ist, um mit ihnen auf einer Stufe zu stehen. Nicht umsonst halten sie ihre Heimat vor den meisten von uns geheim. Weil sie wissen, dass die Menschen, da wo sie hinkommen, nur Tod und Zerstörung mit sich bringen. Auch die Zwerge sind inzwischen zunehmend zu dieser Erkenntnis gelangt und verbringen ihre Zeit lieber mit dem Ausgraben unterirdischer Schätze, als mit der Pflege von Handelsbeziehungen und freundschaftlichen Kontakten. Erkennst du, worauf ich hinaus will, Cedryk?« Skals Stimme war bittend, fast flehentlich und sein Gegenüber schien nun erstmalig ein gewisses Verständnis für seine Lage aufzubringen.

Dennoch meinte der junge Mann einsilbig und strikt darum bemüht, so kühl wie möglich zu klingen: »Fahre fort.« Skal nickte und während er mühsam der Versuchung widerstand, erneut hinab ins Tal zu sehen, von wo aus jetzt zum ersten Mal das Geräusch aufeinanderprallender Schwerter erklang, sprach er weiter.

»Die vielen kleineren und größeren Kriege, sowie die Abschottung der anderen Zivilisierten Völker von Epsor, waren ein Dämonenkreis, welchen wir aus eigener Kraft nicht mehr zu überwinden vermochten. Im Gegenteil. Von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer. Auch unserer eigener Orden, die Iatas, war schon lang nicht mehr dazu in der Lage, der Sache Herr zu werden, wie du weißt.

Wann immer wir gehofft hatten, unter den vielen Herrschern einen auszumachen, der in der Lage sein könnte, die anderen zu führen, haben wir alles daran gesetzt, ihn zu unterstützen. Mit dem Erfolg, dass jeder von ihnen uns früher oder später in den Rücken gefallen ist – vorausgesetzt, dass er sich dafür lang genug an der Macht halten konnte. Die meisten wurden ja schon frühzeitig von ihren Generälen, Beratern oder den eigenen machthungrigen Familienmitgliedern geputscht. Andere wiederum starben durch die Hände einfacher Kopfgeldjäger, die wie Unkraut aus der Erde gesprossen sind.

All diese Schwätzer im Hohen Rat verstanden sich nur allzu gut darauf, beim nächsten Mal alles besser zu machen. Doch sie sahen nicht, dass es immer wieder und wieder ein nächstes Mal gab. Wir Menschen sind einfach nicht dazu gemacht, in Frieden miteinander zu leben. Zumindest nicht, wenn wir nur auf uns gestellt sind. Ich habe das erkannt, Cedryk. Ich habe erkannt, dass wir jemanden brauchen, der schützend seine Hand über uns hält. Wie eine Mutter, die ihr närrisches Kind auf den rechten Weg weist.

Aber im Gegensatz zum Hohen Rat habe ich nicht die Hände in den Schoß gelegt und darauf gewartet, dass andere für mich in die Bresche springen. Ich habe gehandelt! Lange Zeit war ich zwar gewillt, etwas zu verändern, doch fehlte es mir an Möglichkeiten. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Denn an wen hätte ich mich wenden können, wo die Elfen und Zwerge uns bereits aufgegeben hatten? Die langlebigen Geschöpfe saßen solche Problemsituationen mit unserem Volk aus, wie sie es immer taten. Hundert oder zweihundert Jahre sind für sie keine allzu lange Dauer und mit der Zeit, so dachten sie sich wohl, würde die Menschheit des Kämpfens müde und schließlich auch wieder zur Besinnung kommen. Doch solange konnte und wollte ich nicht warten. Ich wollte mein Volk jetzt retten!«

»Und da kamen dir die Alben in den Sinn?«, mutmaßte Cedryk, der den Zusammenhang endlich zu verstehen schien.

»Ja.« Skal nickte. »Dass sie ganz ausgestorben waren, habe ich sowieso nie glauben wollen. Und eines Tages war es dann tatsächlich soweit, dass ich durch Zufall einem von ihnen begegnet bin. Es war zu der Zeit, als du in Iramalu mit einer schweren Beinverletzung ans Bett gefesselt warst. Als ich eines Nachts von einem Krankenbesuch bei dir in meine Herberge zurückkehren wollte, traf ich in einer dunklen Gasse, unweit deines Lazaretts, auf Pahrafin.

Ich weiß nicht, was er dort getan oder weshalb er mich nicht angegriffen hat, als ich im flackernden Schein meiner Laterne seine schwarzen Augen erkennen konnte. Im Nachhinein habe ich es einfach als einen Wink des Schicksals gesehen. Ein Zeichen dafür, dass ich nun endlich einen Weg gefunden hatte, um mein Volk zu retten. Denn er, der mich anhand meines Umhangs sofort als einen Iatas identifizieren konnte und in mir ebenfalls eine Chance auf die Erfüllung seiner Pläne sah, hielt unser Zusammentreffen wohl auch für vorherbestimmt. Vielleicht war es das sogar.

Nachdem ich ihm von meinen Sorgen und Ängsten über die Zukunft des Menschengeschlechtes berichtet hatte und mit der Frage endete, ob er denn nicht einen Rat wüsste, da auch seine Rasse dem Untergang mehr als nahe stand, unterbreitete er mir einen tollkühnen Plan. Seit dem Ende des Großen Krieges vor zweihundert Jahren verfolgten er und sein Bruder ebenso ehrgeizig wie erfolglos das Ziel, ihren Gott, Loës, aus der Verbannung der anderen Götter zu befreien.

Und so absurd sich der Gedankenblitz, der mir da durch den Kopf geschossen war, im ersten Moment auch anhörte, so sicher war ich mir doch bald, dass ich in ihm, einer fremden Gottheit, die Lösung all unserer Probleme gefunden hatte. Loës, da war ich mir sicher, besaß die Macht und die Stärke, die die Menschenherrscher nicht in der Lage waren, aufzubringen. Er würde sich die Welt unterwerfen und uns mit der eisernen, aber liebevollen Härte führen, die wir Menschen nun einmal brauchten, um zu gedeihen.« Als Skal mit seiner Rede geendet hatte, schnaubte Cedryk deutlich vernehmbar.

»Was ließ dich glauben, dass der Gott einer anderen Rasse – zumal jener, der als so grausam galt, dass sich die anderen Götter einst gegen ihn zusammengetan haben, um ihn in ein tiefes Loch zu sperren – zu dem in der Lage war, wo Otairio versagt hat? Was gab dir die Zuversicht, Loës würde mit eiserner, aber liebevoller Härte über die Menschheit herrschen? Schließlich sind wir die erklärten Feinde der Alben.« Cedryks Stimme klang interessiert, beinahe erheitert, als er seinen ehemaligen Meister auf diese Unstimmigkeit hinwies. Skal, der seit dem letzten Teil seiner Erzählung bedrückt zu Boden gestarrt hatte, blickte nun auf und sah, wie sein Gegenüber, beinahe schon fröhlich, mit den Händen in der Tasche seiner braunen Leinenhose, zu ihm herüberblickte.

»Wie du schon richtig gesagt hast, Cedryk, es war mein Glaube. Zu Otairio habe ich jedes Vertrauen verloren. Denn genau wie die anderen Götter überlässt er seine Schöpfung seit jeher sich selbst. Doch Pahrafin versicherte mir, dass Loës anders sei ... Er sollte recht behalten, wie sich im Nachhinein gezeigt hat. In jenem Moment wollte ich ihm einfach nur Glauben schenken. Ich wollte etwas haben, wofür ich kämpfen konnte. Etwas, für das es sich lohnte, morgens aufzustehen. Verstehst du?«

Cedryk wirkte jetzt wieder ernster, doch eher, weil er wissen wollte, wie es weiterging. Ohne auf Skals Frage einzugehen, bedeutete er ihm mit einer Geste fortzufahren.

»Ich habe damals gesagt, dass ich dich für einige Tage allein lassen würde, weil ich in dringender Angelegenheit nach Baknakaï reisen musste.« Der Tonfall des Iatas ließ darauf schließen, dass er von seinem Gegenüber eine Bestätigung der eben ausgesprochenen Worte erwartete. Doch wieder zeigte Cedryk keinerlei Reaktion. Er ließ sich nicht einmal anmerken, ob er sich an diesen Vorfall erinnern konnte. Ein neuerliches, aufforderndes Kreisen mit dem Handgelenk, welches Skal dazu bewegen sollte weiterzusprechen, war das einzige Anzeichen dafür, dass er überhaupt zuhörte.

»Tatsächlich bin ich an diesem Tag nach Baknakaï aufgebrochen, allerdings ohne dass der Hohe Rat nach mir verlangt hatte oder auch nur irgendjemand sonst von meiner Ankunft dort wusste. Meinem Stand als Meister und der Tatsache, dass niemand mit solch einer Dreistigkeit gerechnet hatte, war es zu verdanken, dass ich mir ohne großes Federlesen Zutritt zur Schwarzen Schatzkammer in den Katakomben verschaffen konnte. Ein gefälschtes Siegel von Asthirad hier, ein kleines Schmiergeld da, zudem Unmengen von Leuten, die mir noch ein oder zwei Gefallen schuldig waren, und schon war ich im bestbewachten Raum von ganz Epsor. Ein Gewölbe, in das noch nicht einmal die Alben einzudringen vermochten.

Wie du weißt, war es nie mein Anliegen, mich mit fremdem Gold und Geschmeide zu bereichern. Und so entwendete ich in dieser Nacht auch nur einen einzigen Gegenstand. Mit dem magischen Tränenstein in meiner Tasche verließ ich ungesehen und noch vor Sonnenaufgang die Insel Baknakaï in einem Ruderboot. Den Rest der Geschichte kennst du ja. Ich habe dich angelogen und behauptet, wir würden am Fuße des Karakjerras zwei Alben auflauern, um diese gefangen zu nehmen und sie dem Hohen Rat zu übergeben. Damals habe ich das nur gesagt, weil ich bis zum letzten Moment nicht den Mut gefunden hatte, dir von meinem Plan zu erzählen. Ich hatte Angst, du würdest mich nicht verstehen. Zu Recht, wie sich herausgestellt hat.«

Noch während er sprach, konnte Skal dem Drang nicht mehr widerstehen und wandte sich zu dem Kampf zwischen seinem und Cedryks vergangenen Selbst um. Obwohl er den Ausgang der Auseinandersetzung bereits kannte und das Bild seines toten Schülers ihn in so mancher Nacht heimgesucht hatte, schockierte ihn der Anblick dennoch.

Cedryk lag reglos auf dem Boden, den rechten Arm in merkwürdig grotesker Form verdreht. Sein Mantel wies, genau wie der seines Meisters, Unmengen von Schnitten und Bahnen eingerissenen Stoffes an Armen und Schultern auf. Das größte Loch klaffte jedoch in der Brust des Iatas-Anwärters. Der vergangene Skal ließ sich in ebendiesem Augenblick neben ihm im platt getretenen Schnee auf ein Knie herab und betastete ungläubig den toten Körper. Der Lebenssaft der beiden Männer hatte die weiße Pracht rot eingefärbt, sodass sie nun im kalten Schein der Sonne unwirklich glitzerte. Achtlos lag das blutbesudelte Schwert neben ihm auf dem Boden.

»... Es hätte nie so weit kommen dürfen ...«

»Noch nicht ganz.« Bevor Skal vollständig in Selbstmitleid und den Vorwürfen wegen dem, was er falsch gemacht hatte, versinken konnte, riss ihn die Stimme von jenem Cedryk, der neben ihm stand, wieder zurück ins Hier und Jetzt.

»Was meinst du?«, fragte der Angesprochene, den Blick noch immer halb in Richtung Tal gewandt.

»Ich kenne den Rest der Geschichte eben noch nicht ganz«, entgegnete der junge Krieger mit lauernder Stimme und deutete dabei auf seine eigene Leiche. »Dafür hast du ja gesorgt. Also, erzähl mir, was danach geschehen ist. Die Legende von einem schwarzen Zauberstein, der im Inneren von Baknakaï versteckt sein soll, ist mir bekannt und offenbar entspricht es auch der Wahrheit, dass man mit seiner Hilfe den Dunklen Gott herbeirufen kann. Doch wieso hast du dich von Loës abgewandt, nachdem Pahrafin und Saparin ihn wiedererweckt haben?«

Cedryks Stimme war jetzt fast schon fordernd. Begierig ging er einen Schritt auf seinen alten Meister zu. Der war vollkommen perplex, weil er sich nicht erklären konnte, woher sein Gegenüber diese Informationen bezog. Weder hatte er ihm den Namen des zweiten Albenbruders genannt, noch konnte Cedryk ahnen, was sich nach seinem eigenen Tod zugetragen hatte.

»Woher weißt du, dass ich mich dereinst gegen Loës gestellt ...?«

»Meine Frage, Skal, beantworte meine Frage!«, unterbrach der Jüngling ihn hart. Seine Stimme wurde zunehmend fordernder und er verharrte nur noch eine Handspanne von seinem Gegenüber entfernt. Die Resignation, mit der er Skals Rede zuvor gelauscht hatte, war dringlichster Begierde gewichen.

»Ich ... äh ... ich habe mich von Loës abgewandt, das stimmt«, kam der Iatas-Meister der Aufforderung nach einer Erklärung stockend nach. »Ich habe mich gegen den Albengott gewandt und wollte ihn aufhalten, weil ich der Meinung war, mich in ihm getäuscht zu haben. Nachdem du und ich miteinander gekämpft haben, wollten Pahrafin und Saparin mich auf dem Gipfel dieses Berges töten.« Ohne hinzusehen, deutete Skal auf die Felswand des Karakjerras, die sein vergangenes Ich gerade im Begriff war, unter Mühen hinaufzusteigen.

»Es war einzig einem Zufall zu verdanken, dass ich überlebt habe, denn Saparins Messer ist in dem Anhänger stecken geblieben, den ich nach deinem Tod als Erinnerung an mich genommen hatte. Die Verletzungen, welche du mir während unseres Kampfes zugefügt hast, waren zu schwer, als dass ich gegen die Albenbrüder hätte bestehen können, deshalb habe ich mich tot gestellt.

Nach dem Angriff jener beiden Kreaturen, denen ich genug vertraut hatte, um selbst dich umzubringen, fühlte ich mich aufs Schändlichste hintergangen und ausgenutzt. Da kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass das, was ich getan habe, womöglich falsch war. Wenn die zwei bereits so grausam und hinterhältig waren, wie würde dann erst ihr Gott sein?«

»Du hattest die Gelegenheit, Loës zu töten, warum hast du es nicht getan?«, unterbrach Cedryk ihn erneut grob. Es machte auf Skal den Anschein, als ob sein einstiger Schüler ihn nun endlich an die Stelle seiner Erzählung gebracht hatte, an der er ihn die ganze Zeit über haben wollte. Noch immer konnte er sich nur die Frage stellen, woher er dieses Wissen bezog. Kaum jemand, noch nicht einmal Darius und Therry wussten, dass er Irys im Albewald-Tempel hinterrücks den Kopf abgeschlagen hatte, als diese den Dunklen Herrscher im Schlaf ermorden wollte.

»Wie gesagt, mir kam der Gedanke, dass es womöglich ein Fehler war, Loës aus seinem Gefängnis befreit zu haben. Dennoch habe ich weiter an der Sache festgehalten. Auf keinen Fall wollte ich, dass er stirbt und mit ihm das wohl einzige Wesen, welches in der Lage war, den von Kriegen zerrütteten Menschenreichen aus ihrem Elend zu verhelfen. Aber ich musste auch verhindern, dass das Böse die Welt beherrscht. Ich wollte nicht, dass die albische Grausamkeit und Willkür Epsor in ihre Knechtschaft ziehen. Aus diesem Grund war ich in den letzten Wochen stets hin- und hergerissen, ob ich mit der Wiedererweckung von Loës nun das Richtige getan habe oder aber, ob ich allein schuld daran bin, dass die Welt endgültig im Chaos versinkt.«

»Deshalb hast du versucht, Loës zu bekämpfen, obwohl du insgeheim hofftest, er würde die Macht erlangen, nicht wahr?« Auf Cedryks Gesicht zeichnete sich ein wissendes Lächeln ab.

Skal, der sich durchschaut fühlte, im gleichen Moment jedoch auch froh darüber war, endlich mit jemandem über das Geheimnis sprechen zu können, das ihn seit geraumer Zeit immer mehr auffraß, nickte zustimmend. Vor allem, da dieser Jemand kein Geringerer war als Cedryk, dessen Vertrauen er so furchtbar missbraucht hatte und der von allen wohl am meisten unter seinen Fehlern gelitten haben musste.

»Schon verrückt, oder?«, meinte der Iatas-Meister in versöhnlichem Ton und sah seinem früheren Schüler tief in die pferdebraunen Augen. »Ich hatte gedacht, dass ich Loës’ Wege in die richtigen Bahnen lenken könnte, indem ich eine Truppe von Kämpfern aufstelle, die stark genug ist, um ihm die Stirn zu bieten. Mein Ziel war, dass sich der Dunkle Gott stets einer Macht gegenübersehen würde, die der seinen in nichts nachstünde. Eine Art Pendant sozusagen, damit er nicht zu stark wird. Ich wollte den Gott der Alben an der kurzen Leine halten. Du musst wissen, meine neuen Schüler, Darius und Therry, sind ...«

»Ich weiß, wer deine neuen Schüler sind, Skal! Und ich weiß auch, was sie sind!«, schrie Cedryk. Jedes Verständnis war aus seiner Stimme gewichen. Das Gesicht, das ihm eben noch so gütig, ja fast verzeihend entgegengeblickt hatte, verzog sich mit einem Mal zu einer wütenden Fratze. Eine tiefe Falte zierte seine Stirn, als er fortfuhr. »Du hast recht, es ist verrückt. Du bist verrückt, wenn du glaubst, du könntest einem Gott den Weg aufweisen, den er einzuschlagen hat. Ihn an der kurzen Leine halten, das waren doch deine Worte?«

»Ich ... Ich meinte, ich wollte nur ...«, begann Skal verwirrt zu stottern. Er kam mit den Gefühlswechseln des Mannes, den er einst näher zu kennen geglaubt hatte als jeden anderen, einfach nicht mehr mit.

»Eine Frage habe ich noch an dich.« Cedryks Stimme war mit einem Mal wieder vollkommen ruhig, fast ein Flüstern, so als wären die letzten Augenblicke gar nicht geschehen. Doch dafür durchdrangen seine Worte mit einer solch schneidenden Kälte die Luft, dass es Skal einen Schauer über den Rücken jagte. »Wie stehst du jetzt zu dem Albengott? Versuchst du insgeheim noch immer, Loës Steine in den Weg zu legen oder hast du dich nun vollkommen der dunklen Seite verschrieben?«

Skal hatte befürchtet, dass diese Frage kommen würde und es widerstrebte ihm, sie zu beantworten. Aber wenn irgendjemand die Wahrheit verdient hatte, dann Cedryk. Ein letztes Mal flüchtete er sich mit einem Blick hinüber zur Leiche seines Schülers und ließ die Augen über die trostlose Umgebung des Karaschja-Gebirges schweifen. Das Gesicht des jungen Mannes war, wie man selbst von ihrem Standpunkt aus erkennen konnte, bläulich angelaufen und so starr, dass es einer Totenmaske glich. Sich selbst konnte Skal zwischen all den schroffen Felsen mittlerweile schon gar nicht mehr entdecken.

Obwohl er kein Wort sagte, konnte er den ungeduldigen Blick seines einstigen Schülers im Nacken spüren und ohne ihn anzusehen antwortete er: »Nein, ich versuche Loës keine Steine mehr in den Weg zu legen. Im Gegenteil. Inzwischen habe ich erkannt, dass er der einzig wahre Weg ist. Ich muss ihm folgen, da es keine Möglichkeit gibt, seiner Macht zu widerstehen. Deshalb habe ich mich ihm gefügt, anstatt einen sinnlosen Kampf auszufechten, an dessen Ende nur mein Tod gestanden hätte. Obwohl ich natürlich immer noch hoffe, dass er unserem Volk den Frieden bringt.«

»Oh, keine Sorge, das werde ich«, drang es dunkel und rauchig an Skals Ohr.

»Was?« Verwirrt hob der alte Krieger den Kopf, um seinen vermeintlichen Gesprächspartner fragend anzusehen. Doch das, was er dann erblickte, ließ ihn einen erstickten Schrei ausstoßen. Wie selbstverständlich stand Loës, in einen dunkeln Umhang gehüllt, neben ihm. Genau an der Stelle, wo sich bis gerade eben noch Cedryk befunden hatte. »Aber ... wie ... wie kann das ...« Skal stockte der Atem.

»Überrascht?« Loës lächelte ihm süffisant entgegen. Seine schwarz glänzenden Augen blieben jedoch freudlos und kalt. Die Spitzen seiner spinnenbeinartigen Finger hatte er sittsam vor seinem Körper aneinandergelegt. Und obwohl es der makaberen Situation widersprach, wirkte der Albengott entspannt und zufrieden, beim Anblick des verwirrten Menschen.

»Wie ... wie seid Ihr ...? Wart Ihr die ganze Zeit schon ...?« Skal brachte vor lauter Verblüffung noch immer keinen richtigen Satz zustande. Er stand nur mit geweiteten Augen da, unfähig, die Lage zu erfassen. Loës unterdessen überbrückte die kurze Distanz zwischen ihnen mit einem halben Schritt, sodass er nun unmittelbar vor ihm stand. Das weite Gewand, in das der Dunkle Herrscher gekleidet war, raschelte bei jeder seiner Bewegungen und ohne auf die fragende Körperhaltung seines Untergebenen zu achten, streckte er langsam den rechten Zeigefinger aus, um diesen an der Stirn zu berühren. Skal wollte im ersten Moment zurückweichen, aber die eindrucksvolle Gestalt von Loës, der ihn um gut zwei Köpfe überragte, sowie die Aura von Macht und Überlegenheit, die er ausstrahlte, vertrieb jeden Gedanken daran, sich ihm zu widersetzen.

Zum zweiten Mal in kurzer Zeit wechselte die Umgebung im Blickfeld des Iatas. Dieses Mal jedoch nicht sanft und unmerklich, sondern ruckartig und mit einem stechenden Schmerz, der sich von der Stelle, an der Loës ihn berührt hatte, netzartig über seinen gesamten Körper ausbreitete. Die ewige Einöde des Karaschja-Gebirges zog unnatürlich schnell vor Skals Augen dahin, sodass er das allumfassende Weiß mit den darin aufragenden graubraunen Felsen nur noch als verschwommenes Bild wahrnahm, in dem die Farben ineinander überzulaufen schienen. Das Einzige, was konstant vor ihm bestehen blieb, war der in schwarzes Tuch gehüllte Leib, das langgezogene Gesicht mit den eingefallenen Wangen und die alles durchdringenden Augen, die sich in ihrer Dunkelheit sogar noch von dem Stoff abhoben.

Der Schmerz wurde immer schlimmer und als Skal das Gefühl hatte, tausende kleine Dolche würden sich ihm gleichzeitig an jeder Stelle seines Körpers durch die Haut bohren, endete es ebenso plötzlich wie es begonnen hatte.

Loës hatte seinen Finger zurückgenommen und das Vorbeiziehen der Landschaft ebbte augenblicklich ab. Die verschwommenen Farben wichen einem schwachen, orangegelben Schimmer, der von rauen Steinwänden zurückgeworfen wurde. Skal brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, dass er nicht mehr aufrecht stand, sondern auf weichem Stoff gebettet lag und dass das, was er ansah, die Decke seines Schlafquartieres war. Es vergingen weitere Atemzüge, bis ihm klar wurde, dass er das Innere des Tempels, in dem er erst vor wenigen Stunden gemeinsam mit Loës angekommen war, nie verlassen hatte.

Obwohl ihm kalte Schweißperlen auf der Stirn standen und sein Atem raste, blieb er dennoch ruhig liegen. Skal verspürte kein Bedürfnis, Loës danach zu fragen, was all dies zu bedeuten hatte, denn er wusste, dass sein Gebieter jeden Moment von sich aus erklärend das Wort an ihn richten würde. Er drehte lediglich den Kopf ein wenig nach rechts, damit das Gesicht seines Herren, welches im flackernden Schein dreier Kerzen noch gespenstischer aussah als sonst, komplett in sein Blickfeld rückte.

Wie eine Mutter, die an der Nachtstätte ihres Kindes hockte, saß der Albengott auf seiner Bettkante und sah zu ihm herab. Selbst im hellen Tageslicht hätten sich seine Gesichtszüge unmöglich deuten lassen. Wut, Zufriedenheit, Überraschung, alles mochte Loës in diesem Augenblick gleichzeitig durch den Kopf gehen. Und genauso klang auch seine Stimme, als er nach schier endloser Zeit des Schweigens wieder das Wort ergriff.

»Ihr Menschen seid schon ein seltsames Volk. Euer Tatendrang ist groß, doch der Wille schwach. Nur allzu leicht kann man euch etwas vorgaukeln, was nicht ist und eure Gedanken dabei in die gewünschte Richtung lenken, sodass ihr tanzt wie die Marionetten. Erst recht, wenn ihr schlaft. Wenn ihr euch in euren viel gerühmten Träumen sicher glaubt und auch die Geistesstarken unter euch – zu denen ich dich zweifelsohne zähle – jeden Schutz fahren lassen, da sie sich frei fühlen, wie der Vogel im Wind. Weißt du, dass Götter nicht träumen können? Uns ist es lediglich vergönnt, den Sterblichen im Traum zu erscheinen.«

Skal schüttelte langsam den Kopf. Und nach einigen weiteren Momenten der Stille beschloss er, die Frage an Loës zu richten, welche ihm auf der Zunge brannte, seit ihm bewusst geworden war, dass er sich ihm und nicht Cedryks verstorbenem Geist anvertraut hatte. »Was geschieht nun mit mir?« Obwohl er all seinen Mut zusammengenommen und sich jedes einzelne Wort zurechtgelegt hatte, klang seine Stimme zitternd und brüchig. »Werdet Ihr mich nun töten?«

»Oh nein, im Gegenteil.« Loës lachte über die Einfältigkeit des Menschen auf. »Wenn ich entschieden hätte, dass du den Tod verdienst, so wärst du aus deinem Traum nicht mehr erwacht, dessen sei dir sicher, Skal. Obwohl du dir das Sterben in Kürze sicher herbeisehnen wirst.« Erneut lachte der Dunkle Herrscher, amüsiert über das fragende Gesicht seines Untergebenen. Aufgrund des imposanten Eindrucks, den er auf ihm machte, wagte der Iatas noch immer nicht, seinen Oberkörper aufzurichten.

Loës genoss es, den Mensch in all seiner Qual vor sich liegen zu sehen. Nicht wissend, was ihn erwartete und um Worte ringend, die ihm vor lauter Angst einfach nicht über die Lippen kommen wollten.

»Du warst ehrlich zu mir, auch wenn es nicht deine Absicht war«, sprach der Albengott schließlich, um Skal nicht mehr unnötig leiden zu lassen ... zumindest noch nicht. »Die Tatsache, dass du mir am Ende, wenn auch nach einigen Umwegen, schließlich doch die Treue hältst, rettet dir das Leben. Dennoch kann ich den zeitweiligen Verrat, den du an mir verübt hast, indem du mich mit Hilfe deiner lächerlichen Schüler hintergehen wolltest, nicht einfach so verzeihen. Ich muss sichergehen, dass es nie wieder etwas geben wird, das deine Traue zum Wanken bringt.«

»Es wird nie wieder etwas geben, Meister, das schwöre ich euch«, bemühte Skal sich schnell zu versichern.

»Dennoch musst du für deinen Ungehorsam und deine Respektlosigkeit bestraft werden oder waren es nicht deine Worte, dass du mich an die kurze Leine nehmen wolltest?«

Skal verstummte und senkte augenblicklich in ehrerbietender Demut das Haupt. Da er bereits auf dem Rücken lag, verfehlte die unterwürfige Geste ein wenig ihre Wirkung, da er im schwachen Kerzenschein nun so aussah wie ein alter Mann, dem beim Schlafen der Kopf nach vorn gekippt war. Loës wusste es trotzdem anzuerkennen und zufrieden stellte er fest, dass er in ihm einen würdigen Diener gefunden hatte. Der Schmerz und die Folter, die in den nächsten Stunden Skals Lehrmeister sein sollten, würden ihr Übriges tun und ihn zu seinem perfekten Sklaven machen. Anders als eine gewisse Person, von der Loës mehr als enttäuscht war und die er durch den Iatas zu ersetzen gedachte.

Gemächlich erhob sich der Gott der Alben von der Bettkante und ging zur Tür, doch bevor er sie durchschritt, verweilte er noch einen Moment. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Skal den Kopf immer noch unterwürfig so weit wie möglich auf die Brust gedrückt hatte. Die Ohren des Mannes waren jedoch gespitzt, um ja kein Wort seines neuen Gebieters zu überhören.

»Es mag dir für die Dauer deiner Bestrafung nur ein geringer Trost sein, doch um deine Frage zu beantworten: Ja, ich werde deinem Volk den ersehnten Frieden bringen.«

Das Biest in Dir

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