Читать книгу Bildband: Unsere Alpen. Ein einzigartiges Paradies und wie wir es erhalten können. Mit Skirennläufer Felix Neureuther in den Bergen wandern. - Felix Neureuther - Страница 11

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Miriam legt mit Buddy ein ordentliches Tempo vor, Felix folgt, dahinter der Reporter, der Fotograf und sein Assistent. Der Weg lässt sich gut gehen, die Sonne hat in den letzten Tagen die Südhänge vom Schnee freigeleckt. Anfang Januar denkt man eigentlich an eine Skitour. Aber selbst nordseitig wäre zu wenig Schnee. Ausnahme oder inzwischen die Regel? Auch das beschäftigt Felix immer mehr.

Es ist nichts los am Berg, ganz nach Felix’ Geschmack. »In meinem Leben als Ski-Profi war’s so laut, umso mehr genieße ich die Ruhemomente am Berg«, sagt er. »Die geben mir Kraft und Energie.« Dass er das nicht so einfach hinsagt, merkt man zwei Stunden später am Gipfel. Es sind ein paar Wolken aufgezogen, die Sonne steht schon tief, die Szenerie bekommt etwas Dramatisches. Felix schaut runter auf Garmisch-Partenkirchen und ist ganz beseelt vom Augenblick. »Es ist einfach unglaublich, mit wie vielen Emotionen das hier verbunden ist. Ich war als Kind hier oben, jetzt bin ich mit meiner Frau da und unten warten unsere Kinder«, sagt er. Deutschlands vermutlich bekanntester, aber sicher beliebtester (Ex-)Skifahrer steht zwar oft und meist auch ganz gerne im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Er ist aber zuallererst: ein Familienmensch. »Das Wohl der Kinder steht über allem«, betont er, und auch diesen Satz zweifelt man nicht an, wenn man Felix ein wenig kennengelernt hat. Für die Kinder würde er sogar seine Heimat verlassen und mit der Familie in die (halbe) Heimat von Miriam gehen, nach Norwegen also. »Wenn ich das Gefühl haben sollte, dass unsere Kinder hier kein normales Leben haben dürfen, dann gehen wir nach Norwegen.« Punkt.

Den Bergen treu bleiben

Felix steht am Gipfel und die düsteren Gedanken sind wie weggeblasen. »Das ist meine Heimat, hier kenne ich jeden Zentimeter. Ich war überall oben und bin überall runtergefahren«, erzählt er. Für ihn steht fest: Den Bergen will er treu bleiben. Es muss nicht zwingend das Wettersteingebirge sein, Norwegen ist ja auch bergig. Ein Gesetz ist für Felix jedenfalls ehern: »Wenn Du Freude an den Bergen hast, bekommt dein Leben einen Sinn.«

Den Bergen treu bleiben, das heißt für Felix auch, die Geschichte seiner Vorfahren als Auftrag zu begreifen. Denn was ihm sein Vater schon früh erzählte, ist erst jetzt so richtig in Felix’ Bewusstsein angekommen: Er ist in direkter Linie mit den Gebrüdern Schlagintweit verwandt, die Mitte des 19. Jahrhunderts als Naturforscher Geschichte geschrieben haben. Hermann, Adolph und Robert Schlagintweit waren die ersten Geografen und Geologen, die Gletscher in den Alpen und später im Himalaya vermessen und sogar ihre Fließgeschwindigkeit bestimmt haben. Der »Urvater« der Schlagintweits, der Münchner Augenarzt Josef August Schlagintweit (1791–1854), zeugte insgesamt 13 Kinder, die von drei Frauen stammten – die erste und die zweite Ehefrau starben früh. Der aus der dritten Ehe stammende Max August (1849–1935) heiratete Lina Sedlmayr, sie gebar fünf Kinder, darunter Clothilde Yolande, die später einen Karl Neureuther ehelichte und Christian Neureuthers Großmutter ist. »Ich hatte lange nicht realisiert, wie nahe wir an solchen Leistungen dran sind«, sagt Felix Neureuther.

Respekt vor den Schlagintweits

Ein paar Wochen nach der Tour auf den Kramer treffen sich Vater Christian und Sohn Felix zur Ahnenforschung im Alpinen Museum in München. Sie sind gespannt auf den Termin mit der Expertin für die Gebrüder Schlagintweit, Stephanie Kleidt. Ehrfürchtig blättern sie im 1850 erschienenen »Atlas zu den neuen Untersuchungen über die physicalische Geographie und die Geologie der Alpen«. Darin finden sich Lithografien über Alpengletscher, die die Brüder Robert, Hermann und Adolph vermessen haben. »Da wird man gleich ganz andächtig«, sagt Felix. Und wer ihn beim Betrachten der »Geologischen Karte der Zugspitze und des Wettersteins« von Adolph Schlagintweit aus dem Jahr 1855 beobachtet, spürt diese Andacht sofort. »Schau mal, da ist Gerold«, ruft Christian Neureuther erfreut, »da liegt unser Haus, da bin ich geboren«. Tief beugt sich Felix über das in drei Farben kolorierte Werk – die Schlagintweit-Brüder ließen ihre Aquarelle, Zeichnungen und Skizzen damals von Landschaftsmalern als Auftragsarbeiten fertigstellen und von den besten Lithografen drucken – und entdeckt Kranzberg, Garmisch und Partenkirchen. »Wahnsinn«, entfährt es ihm. Und Papa Christian merkt an: »Da ist noch kein Bindestrich zwischen den Ortsnamen.« Felix steigt sofort mit ein. »Der Bindestrich ist noch heute für viele Einheimische das schlimmste, was es gibt«, in Anspielung auf die von vielen Ortsansässigen wenig geliebte Zwangsvereinigung der beiden Ortsteile auf massiven Druck der NSDAP im Jahr 1935.


Mit Miriam und Hund Buddy auf den Hausberg: Der Kramer oder auch Kramerspitz (1985 m) beginnt unmittelbar hinter dem Grundstück der Neureuthers. Weil wenig Schnee lag, fand die Tour Anfang Januar mit Bergstiefel und Grödel statt.

Das Aquarell im Gang

Das Vermächtnis der schaffensfrohen und von einem unbändigen Forscherdrang beseelten Gebrüder Schlagintweit ruht in der Bayerischen Staatsbibliothek und in Teilen im Alpinen Museum in München. Doch ein Original eines Aquarells hängt im Hause der Neureuthers im Gang. Es stammt von Hermann Schlagintweit und ist auf der Rückseite handschriftlich mit »Aussicht vom Morgen-Pass nach Süden« (1856) bezeichnet. Das wertvolle Bild hat allerdings eine tragische Geschichte: Felix‘ Großvater, Dr. Gottfried Neureuther, wollte es seinem Enkel Felix am 5. Juli 1998 zur Firmung schenken, er hatte es »trotz Treppenverbot wegen seines hohen Alters«, wie ebenfalls auf der Rückseite auf einer Notiz vermerkt, vom oberen Stockwerk heruntergeholt und auf seinen Schreibtisch gelegt. Doch wenige Stunden später erlitt er einen Schlaganfall, danach wurde er ins Krankenhaus eingeliefert und verstarb zwei Wochen später, ohne das Bild noch persönlich an Felix übergeben zu können.

Bildband: Unsere Alpen. Ein einzigartiges Paradies und wie wir es erhalten können. Mit Skirennläufer Felix Neureuther in den Bergen wandern.

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