Читать книгу Bildband: Unsere Alpen. Ein einzigartiges Paradies und wie wir es erhalten können. Mit Skirennläufer Felix Neureuther in den Bergen wandern. - Felix Neureuther - Страница 15

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Alles fließt

Die Alpen sind ein wasserreiches Gebirge. Das ist ein Segen für ihre Bewohner und Anrainer, immer wieder aber auch ein Fluch. Vor allem Hochwasser versetzen die Alpenstaaten regelmäßig in Furcht und Schrecken. Der Mensch versucht sich zu schützen.

»Wasser, Steine, Holz. Mehr brauchst du nicht.« Felix Neureuther sagt diesen Satz nach einem 40-minutigen Aufstieg von Farchant zu den Wasserfällen der Kuhflucht. Es ist eine kleine Wanderung in seine Vergangenheit. »Wir haben hier unsere Grenzen ausgelotet. Darüber darf man heute nicht groß nachdenken.« Mit Grenzen meint Felix zum Beispiel Sprünge von Felsen in die Gumpen der Kuhflucht. 13 Meter tief ist sei das runtergegangen. Einer aus der Clique habe sich dabei mal beide Fersen gebrochen. Die Landung in der Gumpe war halt nicht perfekt. Der heute 37-Jährige sucht ein wenig, bis er die Stelle gefunden hat. Schon der Weg zum Absprungfelsen ist abenteuerlich. Der Blick runter in die Kuhflucht zeigt einen rauschenden Bach mit einzelnen Gumpen, aber keine, die auch nur annähernd nach einem machbaren Sprung aussieht. »Das war alles vor dem schrecklichen Hochwasser 1999. Danach ging das nicht mehr, da lagen zu viele Äste und Baumstämme drinnen«, erzählt Felix nüchtern. Ein weiteres Überbleibsel des sogenannten Pfingsthochwassers sieht man später: Eine verbogene Eisengeländer von der Dicke einer Eisenbahnschiene, im vorderen Drittel geknickt wie ein Strohhalm. Sie liegt zwischen großen Felsbrocken im Bachbett. Am frisch sanierten Wanderweg steht ein Schild, das darauf hinweist, dass es sich um den Rest der Brücke weiter oben an den Wasserfällen handelt. Keine hundert Meter weiter werden Wanderer aufgefordert, schnell weiterzugehen. Hier hat ein Seitenbach Teile des Hanges nach unten rutschen lassen. Nur eine neue Erosionsrinne, aber man weiß ja nie.

Spektakulär-schöne Szenerie

»Wir waren immer in der Kuhflucht. Das war unser Spielplatz«, erzählt der frühere Skirennprofi. Deiche bauen, Lager errichten, in Gumpen hupfen. In der Früh sei er mit Freunden losgeradelt von Garmisch nach Farchant, »irgendwann sind wir wieder zurück«. Den Eltern habe man »natürlich nichts gesagt«, Handy hatte auch noch keiner. »Die Burschen von früher sind heute noch meine Freunde. Sowas schweißt zusammen.«

Die Kuhflucht-Wasserfälle, die in mehreren Stufen circa 270 Höhenmeter nach unten rauschen, gehören zu den höchsten in Deutschland. Das Wasser stammt vom etwa 1600 Meter hohen Plateau des Estergebirges zwischen Krottenkopf (2086 m) und Simetsberg (1840 m), versickert dort sofort im Kalkboden und sprudelt ein paar Hundert Höhenmeter weiter unten aus mehreren Karstquellen. Die Szenerie ist nicht nur spektakulär-schön, sondern auch vom Bayerischen Landesamt für Umwelt als ein »sehr bedeutendes« Geotop ausgewiesen, gibt also Einblicke in die Erdgeschichte. Plattenkalk, ehemals am Boden eines urzeitlichen Meeres als Sediment ruhend, aufgefaltet vor mehr als 30 Millionen Jahren im Tertiär.

Jahrhunderthochwasser

Felix Neureuthers Spielplatz der Jugend, inzwischen längst kein Geheimtipp mehr, sondern eine (zum Glück noch nicht überlaufene) Touristenattraktion, ist einerseits ein Sinnbild für die Reichhaltigkeit der Natur im ganzen Alpenraum. Das Wasser als Lebenselixier ist andererseits immer wieder auch Naturgewalt und Unheilsbringer. An den Pfingsttagen 1999 wurde nicht nur Felix’ Gumpe zerstört auch einer der großen Touristenattraktionen, die ›Blaue Gumpe‹ im Reinthal, existiert nicht mehr. Niederschläge von bis zu 180 Liter pro Quadratmeter ließen kleine Bäche zu reißenden Flüssen werden und Flüsse wie Isar, Loisach, Ammer, Wertach, Lech, Iller, Vils, Inn und in der Folge die Donau zu Strömen, die über die Ufer traten. An vielen dieser Flüsse, so auch an der Loisach (in welche die Kuhflucht mündet), wurden die hundertjährlichen Scheitel deutlich überschritten. Heißt: Die Menschen wurden Zeugen beziehungsweise Leidtragende eines Hochwassers, das statistisch gesehen zwar nur einmal in 100 Jahren auftritt, aber neben einigen Toten eine gewaltige Zerstörung anrichtete. Die Stadt Sonthofen im Oberallgäu war an diesem 22. Mai 1999 zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten, in Bad Hindelang maß man gar Niederschlagsmenge mit einer Wahrscheinlichkeit von 250 Jahren. Die Millionenstadt München, in ihrer mehr als 850-jährigen Geschichte immer wieder von verheerenden Hochwassern heimgesucht, hatte ebenso Glück wie die gut 100 Jahre jüngere ehemalige Flößerstadt Bad Tölz. Der Sylvensteinspeicher, ein Stausee bei der kleinen Ortschaft Fall in der Gemeinde Lenggries, erbaut in den Jahren 1954 bis 1959, war gerade modernisiert und der Damm um drei Meter erhöht worden. Sonst wären nicht nur die Keller des Isar-anrainers Deutsches Museums vollgelaufen, es hätten wohl auch Bewohner von tief gelegenen Stadtteilen wie dem Lehel, der Au oder des Gärtnerplatzviertels nasse Füße bekommen. Von den Schäden eines teilweise unter Wasser gesetzten U-Bahn-Netzes ganz zu schweigen.


Die Freiheit über den Wolken ist nicht allein dem Fliegenden vorbehalten. Wer in den Bergen unterwegs ist, erlebt solche Momente wie hier auf dem Nebelhorn im Allgäu immer wieder mal.

Bildband: Unsere Alpen. Ein einzigartiges Paradies und wie wir es erhalten können. Mit Skirennläufer Felix Neureuther in den Bergen wandern.

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