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PROMI SEIN – SOOO SCHÖN?!

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Was ich jetzt schreibe, kann leicht missverstanden werden – so als wollte ich jammern, obwohl ich doch im »Paradies« der Medien- und Promiwelt lebe, bekannt bin und gut verdiene. Ich will nicht jammern und möchte mein Leben gegen kein anderes eintauschen. Aber das Bild wäre nicht vollständig, wenn ich nicht auch etwas darüber schreiben würde, wie es ist, ständig im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Für Nichtpromis ist es schwer vorstellbar, was das bedeutet. Sobald ich meine Wohnung verlasse, bin ich öffentlich. Ich muss immer damit rechnen, dass mich eventuell jemand erkennt und ungefragt fotografiert oder filmt.

Ich denke schon, dass es Promis nervt, wenn sie ständig auf der Hut sein müssen, weil sie ja beobachtet werden könnten – egal ob sie etwas kaufen, über das anschließend diskutiert wird, fürs Brötchenholen mal ein ungebügeltes T-Shirt übergezogen und den Lidschatten weggelassen haben, sich mit jemandem unterhalten, ein Getränk in der Hand halten oder was auch immer. Sie müssen immer darauf gefasst sein, dass wenige Minuten später Tausende von Leuten im Netz darüber diskutieren, ob ihnen unser Planet egal ist (»Klimakiller Nummer 1: XY kauft fettes Rindersteak«), ob sie eine Depression haben (»XZ total verwahrlost«), ob sie eine neue Liebe haben beziehungsweise fremdgehen (»YZ: Heißer Flirt im Park«) oder ob sie Alkoholiker sind. Ich versuche, mich möglichst unabhängig davon zu machen, und style mich nicht für jeden Gang zum Supermarkt, aber ich kenne dieses diffuse Gefühl, in der Öffentlichkeit auf dünnem Eis zu stehen.

Es gibt ein weiteres Phänomen: Sympathie kann rasend schnell umschlagen in Ablehnung, Neid oder Schadenfreude. Und zwar dann, wenn die Menschen ihr Foto nicht bekommen oder ihr Wunsch einfach nicht erfüllt wird. Das führt dazu, dass mein soziales Leben viel schmaler ist, als die meisten sich das vorstellen, wenn sie an Promis denken. Die meisten glauben, wir hätten unbegrenzte Möglichkeiten, das zu tun, was wir wollen. Manchmal ist aber eher das Gegenteil der Fall. Viele berühmte Menschen sind faktisch ziemlich eingeschränkt in ihrer Bewegungsfreiheit und bleiben deshalb am liebsten unter Freunden oder in der Familie. Ich frage mich oft, ob Menschen, die weltweit bekannt sind, sich nicht sehr einsam fühlen. Egal wo sie sich befinden: Sie werden nicht als Menschen gesehen, sondern als Selfiemotiv oder als Gossipmaterial zum Protzen. Sich permanent beobachtet zu fühlen, führt irgendwann zu Paranoia. Du kannst dann nie frei agieren, reden, einfach nur mal Mensch sein oder mal einen schlechten Tag haben.

Ich glaube, die meisten Promis würden sich sehr gerne öfter außerhalb der Blase von Promipartys und Preisverleihungsgalas bewegen und mit ganz normalen Leuten zu tun haben. Ich tue das jedenfalls sehr gerne. Es genügt aber leider in der Regel, wenn eine einzige Person mich erkennt. Von diesem Moment an sehen und behandeln die Menschen mich alle anders als vorher. Das finde ich sehr schade. Schließlich will ich nicht anders behandelt werden als andere. Schon gar nicht, wenn die Motive dahinter völlig durchschaubar sind. Oft fühle ich mich schnell unwohl und gehe.

Ich reise gerne, ich gehe gerne gut essen und ich besuche gerne Festivals. Am entspanntesten kann ich das in Ländern tun, in denen man mich nicht kennt. Ich gehe gerne in der Anonymität unter. Ich fühle mich glücklich, wenn ich in Ruhe gelassen werde. In Deutschland ist das schwieriger. Das ist der Preis der Bekanntheit – und noch mal: Ich beklage mich nicht, sondern will nur schildern, wie es sich anfühlt.

Aber manche Kollegen leben dieses Promiding auch ganz extrem. Dann wird Aufmerksamkeit zu einer Droge, von der sie nie genug kriegen. Ich habe mich von einigen Promifreunden entfernt, die irgendwann nicht mehr »normal« sein konnten. Sie lebten nur noch ihre »Promishow« und regten sich massiv auf, wenn sie nicht erkannt oder nicht genug beachtet wurden.

Ein wichtiges Thema ist seit einigen Jahren natürlich Social Media. Sie beschleunigen und verstärken sowohl negative als auch positive Entwicklungen ungeheuer. Reichweite über Social Media ist eine Währung geworden. Auch ich kann darüber viele Menschen erreichen – auch für meine Charityaktivitäten. Das ist toll und ermöglicht vieles, das früher nicht oder nur mit einem Riesenaufwand möglich gewesen wäre. Die Chance zur Vernetzung mit Gleichgesinnten und Unterstützern will ich nicht mehr missen.

Zugleich steigern die sozialen Medien die Erwartungen an Promis – worauf nicht jeder Lust hat. Ich bin vom Wesen her nicht so mitteilsam wie manch andere. Ich habe wenig Lust, mich täglich zu zeigen, oder zu berichten, was ich auf dem Teller habe. Ich finde dieses teilweise selbstverliebte Belohnungssystem über Likes und Beliebtheit gefährlich und frage mich schon, wie der Einfluss der »Influencer« eigentlich aussieht und sich auswirkt. Was und wen beeinflussen sie denn? Was ist das Ergebnis dieser Beeinflussung? Und sind immer mehr Follower und Likes beziehungsweise Klicks schon ein Wert an sich? Das ist keine Wertung, sondern eine Beobachtung. Werbung findet inzwischen überwiegend online statt, mit mehr oder weniger »echten« Menschen. Für die Industrie ist es ein wundervoller Weg, gezielt zu werben – aber was macht es mit uns, wenn das eigene Leben zu einer Werbefläche wird?

Ich habe für mich noch nicht so richtig herausgefunden, wie ein guter Mittelweg aussehen könnte zwischen Authentizität und Einnahmen bringender Werbung. Ein radikales »Ganz oder gar nicht« ist für mich nicht das Richtige. Ich poste gerne Dinge, die mir wichtig sind, und will dabei ehrlich sein können. Zum Beispiel habe ich mal versucht, mich eine Woche lang »raw vegan« zu ernähren – und schilderte diesen Versuch in meinen Instagram-Storys.

Wer mich kennt, der weiß: Essen ist meine Leidenschaft. Vor allem warmes Essen. Diese Raw-vegan-Woche war also eine absolute Herausforderung für mich. Am vierten Tag holte ich mir, grün vor Hunger, ein Hähnchengericht. Damit war mein Experiment gescheitert. Ich wollte aber die Wahrheit sagen, und das tat ich. Denn dafür sind Experimente doch da: zum Experimentieren. Ich kenne aber viele Leute, die »Fake«-Fastenkuren und anderes machen, um etwas Positives zum Posten zu haben. Weil (vermeintliche) Perfektion leider mehr Anerkennung findet als die Wahrheit.

Nach meinem »Geständnis«, an der Raw-vegan-Diät gescheitert zu sein, gab es übrigens keinen Shitstorm. Nur eine Freundin zählte mich an: »Du bringst aber auch gar nichts zu Ende – nicht mal deine Diät.« Worauf ich antwortete: »Ich scheitere und steh dazu, das ist menschlich. Du photoshopst dein ganzes Leben.«

Ich mag es jedenfalls nicht, wenn ich mich unter Druck gesetzt fühle, mich dauernd zu präsentieren. Mir macht Social Media bei Themen Spaß, bei denen ich Freude empfinde und zu denen ich etwas (mit)teilen möchte. Allerdings gebe ich zu, dass ich auch hier widersprüchlich bin. Manchmal habe ich eben doch Lust, ein hübsches Foto von mir ins Netz zu stellen. Oder ein Buch über meine tiefsten Empfindungen zu schreiben, wie das hier der Fall ist. Aber ich mag es nicht, wenn sich daraus eine Verpflichtung ergibt und ich das dann regelmäßig machen »muss«. Content schaffen ist Arbeit. In der heutigen Zeit, wo jedes Telefon ein qualitativ hochwertiges Bild machen kann, wird erwartet, dass jeder Schnappschuss Hochglanzqualität hat.

Ich will das, was ich poste, selbst machen und nicht von einer Agentur designen und weichspülen lassen, wie es viele andere Promis tun. Denn genau für das Persönliche sind soziale Medien doch toll: Ich kann meine Statements in meiner eigenen Sprache formulieren, ohne auf die Vermittlung durch klassische Medien angewiesen zu sein.

An meinem gelegentlichen Fremdheitsgefühl in der Social-Media-Welt merke ich, dass ich nicht Anfang zwanzig, sondern Mitte dreißig bin. Ich bin noch ohne Smartphone aufgewachsen und längst nicht bei allen Neuerungen mitgegangen. Das empfinde ich manchmal als Handicap, oft aber auch als Freiheit. Soziale Medien spielen nicht nur in der Geschäftswelt eine entscheidende Rolle. Heutzutage müssen viele Paare damit klarkommen, dass sie auch in ihre Partnerschaft und ihr Familienleben hineinwirken.

Wenn ich nicht poste, sondern surfe, interessieren mich andere Künstler übrigens eher wenig. Ich bleibe bei Themen wie »umgebaute Busse«, »Aussteiger« und »Reisen« hängen. Überrascht? Später im Buch wird klarer, was es mit diesen Vorlieben auf sich hat.

Kaxinawa - Meine Reise zurück zu mir

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