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Schritt 2: Die Nachkommen von Gaia und Uranos

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Das dynamische Duo im frühen Universum waren Gaia und ihr „Sohn“ Uranos: die Erde und der Himmel. Wie ihre Urgötterkollegen hatte weder Gaias Äußeres noch ihr Denken Menschengestalt, und eine Kraft wirkte auf die andere ohne Rücksicht auf so menschliche Begriffe wie die Mutter-Sohn-Beziehung oder den Inzest. Was zählte, war nur, dass Gaia das weibliche Element war und Uranos das männliche, das jede Nacht die Erde mit seinem sternenbedeckten Glanz zudeckte. Natürlich lässt sich die Zeit nicht messen, in der das geschah, denn die Zeit musste erst noch geboren werden, und noch immer lag das Chaos, aus dem die ersten vier Kräfte entstanden waren, zwischen der Erde und dem Himmelsgewölbe. Und wie wir ja wissen, ist das Chaos niemals ganz verschwunden.

Von Gaia werde ich singen, der Mutter von allem,

der tiefwurzelnden

und ältesten, die alles, was auf Erden ist, ernährt.

Homerischer Hymnus 30,1f.

Gaia Heute kennen wir Gaia am besten aus der Gaia-Hypothese, die behauptet, dass die Erde tatsächlich ein einziger lebender Organismus ist. Infolgedessen verwendet man den Namen Gaia mittlerweile für alles Mögliche von der Regierungsinitiative bis zur vegetarischen Wurst.

Unsere Lexika kennen Gaia jedoch am besten unter ihrem Aspekt als Ge, die Erde. Das Aufzeichnen (graphē) von Ge ergibt die Geographie, und außerdem haben wir geostationäre Satelliten und die Geophysik. Wenn wir Gaias Knochen studieren, ist das Geologie, und beim Vermessen der Erde kommt es zur Geometrie. Den Bauern, die ja die Erde bearbeiten (geourgos), verdanken wir den Namen Georg, das Land Georgien und den US-Bundesstaat Georgia.

Uranos Am besten kennen wir den Uranus natürlich als siebten Planeten des Sonnensystems. Der Antike war der Planet allerdings unbekannt, denn er wurde erst 1781 entdeckt und anfangs zufälligerweise nach König George III. von England benannt, der, wie wir sahen, der Namensvetter von Uranos’ Partnerin Gaia ist. Das Metall Uran entdeckte man kurz nach dem Planeten, und seinen Namen erhielt das Element als Anerkennung für diese Entdeckung. Genau wie man Uranus für den letzten aller Planeten hielt, sah man im Uran das letzte fehlende Element.

Die Titanen Die Verbindung von Uranos und Gaia war außerordentlich fruchtbar und brachte eine ganze Horde hervor, Wesen, die unter dem Sammelnamen Titanen bekannt sind. Sie nahmen unterschiedliche Gestalten an. Viele davon waren monströs und überlebten dank ihrer Unsterblichkeit, um die Menschheit in späteren Zeiten heimzusuchen. Andere wurden in die Struktur des Universums integriert, während es Gestalt annahm, und wurden für sein Funktionieren unverzichtbar. Zu Letzteren zählten Okeanos, der den Weltfluss verkörperte, welcher sich einmal rund um Gaia schlingt – oder vielmehr um Eurasien und Nordafrika, die alles ausmachen, was die klassische Antike von der Erde kannte. Auch gab es Mnemosyne, die Mutter der Musen, und Hyperion, der seinerseits zum Vater von Helios (dem Sonnengott), Selene (der Mondgöttin) und Eos, der „rosenfingrigen Dämmerung“, wurde.

Titan heißt heute ein großer Saturnmond, „titanisch“ meint „beinahe übermenschlich“. Die Kraft der Titanen hat dem sehr robusten Metall Titan seinen Namen gegeben, ebenso der Titanic – einem Schiff, das dann nicht ganz so robust war wie gedacht. Außerdem wählte man den Namen für eine langlebige Serie US-amerikanischer Interkontinental- und Forschungsraketen.

Monströser Nachwuchs Unter den anderen Kindern von Uranos und Gaia sind das einäugige Volk der Kyklopen sowie die gigantischen, fürchterlichen Hekatoncheires („die Hunderthänder“), von denen jeder fünfzig Köpfe und hundert Arme hatte. Die Letztgenannten bildeten ein beträchtliches Unruhepotenzial, und einigen Erzählungen zufolge ließ Uranos sie in den Tartaros werfen. Andere behaupten, dass Uranos sich weigerte, die Geburt dieser Ungeheuer überhaupt zuzulassen, und sie in Gaias Schoß unter der Erde eingesperrt hielt, sodass sie niemals die Menschenwelt direkt heimsuchten.

Gaia war nicht besonders überzeugt von Uranos’ Umgang mit ihren Kindern und beschloss, es sei an der Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Bei der besagten Zeit handelte es sich um Gaias jüngsten Sohn Kronos, mit dessen Geburt die Chronologie, wie wir sie kennen, Einzug im Universum hielt. Und genau wie die Zeit die Eigenschaft hat, an Leuten unbemerkt vorbeizugehen, die sich amüsieren, so erwischte Kronos den Uranos unvorbereitet, als dieser mit Gaia schlief, und kastrierte ihn durch einen wohlgezielten Hieb mit einer adamantenen Sichel, die seine Mutter ihm vorausschauend zur Verfügung gestellt hatte. Die entsorgten Genitalien fielen ins Wasser und wurden dort zum Samen für die Geburt der Aphrodite, der ältesten jener Gottheiten, aus denen die „Olympier“ werden sollten.


Botticellis Geburt der Venus

Nachleben in Kunst und Kultur: Aphrodite

Die Legende von der Geburt der Aphrodite (die den Römern als Venus bekannt war) gab in den 1480er-Jahren den Anstoß zu einem der bekanntesten Kunstwerke der Renaissance – Sandro Botticellis Geburt der Venus, einer Darstellung der Gottheit, wie sie den Wassern entsteigt. Die Venusgestalt ist vielleicht der schönen Kurtisane Simonetta nachgebildet – besonders da die Muschel im Italien der Renaissance eine Metapher für jenen Körperteil war, den die Venus auf dem Bild bedeckt.


Der geflügelte Schlaf und der Tod tragen einen tödlich verwundeten Krieger davon (attische Vase, um 510 v. Chr.).

Sie wird Aphrodite genannt, weil sie aus Schaum (aphros) geboren wurde … und Eros folgte ihrer Geburt zusammen mit dem schönen Liebesverlangen. Diesen vorbestimmten Ehrenplatz und Herrschaftsanteil aber empfing sie bei den Menschen und den unsterblichen Göttern: im Flüstern der Mädchen, im Lächeln, den Betrügereien, dem Vergnügen, der lockenden Zärtlichkeit des Liebesspiels. HESIOD, Theogonie 195f.; 201–206

Die Kinder der Nacht Wenn sich jemand fragt, woher das „süße Verlangen“ gekommen war, das bei Aphrodites Geburt Hebammendienste leistete: Auch Nyx hatte sich inzwischen fleißig betätigt. Das Verlangen (Pothos) war noch eines der angenehmeren Elemente in der ziemlich durchwachsenen Gesellschaft der Kinder der Nyx, zu denen Geras (Greisenalter), Hypnos (Schlaf), Thanatos (Tod), Eris (Zwietracht) und Nemesis (Vergeltung) zählten, dazu die schrecklichen Moirai, die drei Schicksalsgöttinnen, die das Geschick von Menschen und Göttern gleichermaßen weben.

Von zänkischen Göttern und tragischen Helden

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