Читать книгу Von zänkischen Göttern und tragischen Helden - Филипп Матышак - Страница 12

Schritt 3: Das Neoptolemos-Prinzip und die Geburt des Zeus

Оглавление

Das Neoptolemos-Prinzip besagt, dass das Leid, das ein Mensch verursacht, ihm seinerseits angetan werden wird. Die Griechen betrachteten dies beinahe als Naturgesetz und nannten es nach einem Sohn des Achilleus, der ebenso grausam getötet wurde, wie er viele andere erschlagen hatte. Obwohl Neoptolemos selbst erst viel später lebte, können wir das Prinzip bereits in dieser frühen Phase beim Angriff auf Uranos wirken sehen. Gaia und Uranos lebten weiter zusammen, aber der kastrierte Uranos hörte auf, eine sinnvolle Wechselwirkung mit dem Universum zu entfalten, und verschwand bald von der Bildfläche. Auch Gaia trat in den Hintergrund. Genau gesagt wurde sie zum Hinter- respektive Untergrund und bleibt es bis heute.

Kronos und Rhea Kronos führte eine neue Göttergeneration an und nahm seine Schwester Rhea zur Gattin. Rhea spielt im griechischen Mythos nur eine kleine Rolle, erlebte aber in der römischen Religion ein starkes Comeback als Magna Mater, die Große Mutter, war sie doch Mutter und Großmutter der olympischen Götter. In der heutigen Welt ist Rhea der größte Saturnmond. Das ist nur angemessen, denn bei den Römern entsprach Kronos (mit einer Prise Hades) dem Saturnus, einem Landwirtschaftsgott, der sich im Samstag, lateinisch dies Saturni, erhalten hat.

Gleich mehrere wichtige Frauen im römischen Mythos trugen den Namen Rhea. Rhea Silvia war die Mutter von Romulus und Remus, und eine weitere Rhea war (mit Herakles/Hercules) die Mutter des Aventinus, nach dem der Aventinhügel in Rom benannt ist.

Zu Gaias Kummer entschied Kronos, dass es nach reiflicher Überlegung besser wäre, ihren monströsen Nachwuchs im Tartaros eingesperrt zu lassen. Sobald er einmal diesen restriktiven Stil eingeführt hatte, blieb Kronos sich treu. Er wusste genau, dass Nemesis seinen Fall wegen der Kastration seines Vaters bereits in Bearbeitung hatte und dass das Neoptolemos-Prinzip bedeutete, er werde seinerseits wahrscheinlich unter einem seiner Kinder zu leiden haben.

Die (Nicht-)Geburt der Olympier Die Vergeltung von der Hand seiner Kinder versuchte Kronos abzuwenden, aber weil die Götter unsterblich sind, war es keine Option, seine Nachkommen zu töten. Das Beispiel Uranos deutete an, dass es nicht funktionierte, wenn man sie wieder in ihre Mutter zurückstopfte, also nahm Kronos die Sache in die eigene Hand – vielmehr in den eigenen Magen – und verschluckte seine Kinder, sobald sie geboren waren; ein metaphysisches Spiegelbild der Tatsache, dass die Zeit auf lange Sicht ja wirklich all ihre Kinder verschlingt. Doch während er sich bemühte, das Vorbild seines Vaters zu umgehen, beging Kronos genau denselben Fehler wie dieser und dachte nicht an die Mutterinstinkte seiner Frau. Wie Gaia war Rhea aufgebracht über das Schicksal ihrer Kinder, und wie Gaia war sie bereit, etwas zu unternehmen.

Die Geburt des Zeus Genau wie jedes brave griechische Mädchen späterer Zeiten fragte Rhea ihre Mutter um Rat. Gaia gab Rhea den Rat, wieder zu Hause einzuziehen. Und so kehrte sie, als Rheas Schwangerschaft mit ihrem jüngsten Sohn dem Ende zuging, auf die Erde zurück. Hier nun wurde Zeus geboren, vielleicht in Lyktos oder am Berg Ida oder auch im Diktegebirge, aber jedenfalls auf Kreta. Als Kronos prompt erschien, um den Neugeborenen zu verschlingen, bekam er stattdessen einen dicken Brocken kretisches Gestein, in Windeln gewickelt. Und so ging Kronos in der Überzeugung davon, das Letzte seiner Kinder verzehrt zu haben, während Gaia ihren Enkel Zeus wegbrachte, damit er heimlich großgezogen wurde, genährt vom Honig wilder Bienen und gestillt mit der Milch von Amaltheia, einer der ersten Ziegen.

Nachleben in Kunst und Kultur: Die Geburt des Zeus

Der große flämische Künstler Rubens nahm mythologische Themen zur Grundlage vieler seiner Gemälde. Nach der römischen Mythologie war es Saturn, der Zeus (Jupiter) hervorbrachte und seine übrigen Kinder verzehrte, und Rubens’ Saturn (1636) ist das grauenvolle Bild eines Mannes, der ein lebendiges Kind mit seinen Zähnen in Stücke reißt. Zu Beginn der 1820er-Jahre entwickelte sich dieses Sujet in ein Bild nackten Wahnsinns – auf Goyas Bild Saturn verschlingt einen seiner Söhne. Ganz im Gegensatz dazu stellte der barocke Meister Gian Lorenzo Bernini die Flucht des Zeus in einer reizenden Kleinplastik aus Marmor dar, genannt Die Ziege Amalthea mit dem Jupiterknaben und einem Faun (ca. 1609).


Goyas albtraumhafte Vision des Kronos


Kampf im Himmel. Fresko des Giulio Romano

Nachleben in Kunst und Kultur: Krieg mit den Titanen und Giganten

Die Kriege der Götter gegen Titanen und Giganten waren ein wichtiges Thema für die Renaissance und später für die Zeit der Aufklärung; die Künstler nutzten dabei die Allegorie, die im Gegensatz zwischen aufgeklärtem Denken und unwissender Barbarei lag, für die propagandistischen Zwecke ihrer Auftraggeber. Zu den Beispielen hierfür zählen Giulio Romanos Der Sturz der Giganten vom Olymp (1530–32), Joachim Wtewaels Schlacht der Götter und Titanen (1600) und Francisco Bayeu y Subias’ Olymp: Der Sturz der Giganten (1764).

Der Kampf der Titanen Obwohl Zeus fern von den wachsamen Augen seines Vaters in aller Stille zu voller Macht heranwuchs, war Kronos so mächtig wie listig; wenn Zeus ihn stürzen wollte, würde er Verbündete brauchen. Und so verleitete Gaia Kronos dazu, Zeus’ Brüder und Schwestern wieder hochzuwürgen, vom Letzten bis zum Ersten – und sobald Kronos den Stein erbrach, den er für Zeus gehalten hatte, war die Sache klar. Zeus befreite die gefangenen Söhne der Gaia aus dem Tartaros und Kronos rief seine eigenen Brüder und Schwestern, die Titanen, zu Hilfe, um seine Herrschaft zu verteidigen. So begann ein Krieg im Himmel, und gewaltig war der Kampf, der laut Hesiod zehn Jahre dauerte.

Furchtbar stöhnten die grenzenlosen Meere, laut dröhnte die Erde auf, das weite Himmelsgewölbe ächzte erschüttert, der hohe Olymp erbebte bis in seine Grundfesten, und ein schweres Beben schüttelte den nebligen Tartaros.

Zuletzt aber war Kronos besiegt, und die Titanen, die an seiner Seite gekämpft hatten, wurden in den Tartaros gesperrt.

Krieg mit den Giganten Noch bevor Zeus jedoch der unangefochtene Herr über das Universum sein konnte, sah er sich großen Herausforderungen gegenüber, von denen die erste in den Giganten bestand, die in der Erde aus dem Blut des Uranos entstanden waren, so wie Aphrodite aus dem Meer. Unter Führung des Atlas türmten die Giganten die Berge aufeinander in ihrem letztendlich erfolglosen Versuch, den Olymp zu erreichen und zu erstürmen – das mächtige Gebirge in Nordgriechenland, das Zeus und seine Geschwister zu ihrer Wohnung und Festung gemacht hatten.


Die Götter ziehen in den Kampf gegen die Giganten. Ausschnitt einer griechischen Vase des Nikosthenes

Der Terror des Typhon Als letzter und furchtbarster Herausforderer von Zeus’ Herrschaft erschien Typhon, der Hundertköpfige, der Wirbelsturm, der Feuerspeier. Er war der jüngste Sohn Gaias und kam von allen dem Ziel am nächsten, die Mächte der Unordnung und Dunkelheit auf Erden siegen zu lassen. Zeus aber entdeckte seine Meisterschaft im Umgang mit den Donnerkeilen, die die Kyklopen für ihn geschmiedet hatten; mit ihnen schmetterte er Typhon nieder und trieb ihn in die Erde unter dem Ätna auf Sizilien, von wo aus Typhon in ohnmächtigem Zorn ab und zu immer noch Feuer speit.


Zeus’ Donnerkeil trifft Typhon (Ausschnitt).

Von zänkischen Göttern und tragischen Helden

Подняться наверх