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Sonntag

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Am schlimmsten waren die Sonntage.

Jeder der Tage war auf seine Art schlimm, aber hätte er sich entscheiden müssen, Maximilian würde den Sonntag gewählt haben. Die Sonntage waren still. Niemals friedlich, wie seine Eltern die Atmosphäre beschrieben, die sie gegen das Streiten Maximilians und seiner Schwester zu verteidigen suchten. Nie beschaulich, wie die Eltern Jörgs, seines besten Freundes, zu dem sich Maximilian an Sonntagnachmittagen flüchtete, den Zustand ausmalten, der einen Sonntag ausmacht und nach ihrer Meinung ausmachen sollte. Nein, sie waren still. Eine müde machende Stille, die doch nie zur Ruhe führte. Jedenfalls nicht bei ihm. Diese Stille war wie die Stille vor dem Klingeln zum Stundenende, bevor er wieder durch die enge Gasse der Neuntklässler musste, war wie die Stille vor dem Klatschen einer Hand oder, wie er sich vorstellte, wie die Stille vor einem Erdbeben. Aber es gab hier keine Erdbeben, noch nie gab es eines, und es war nicht damit zu rechnen, dass dieser Sonntag eine Ausnahme machen würde. Genauso wenig, wie der Bus ihn versehentlich nicht zur Schule fahren oder man auf dem Schulhof eine Bombe finden würde.

Es gab auch eine Stille vor Krankheiten, eine andere Stille; soweit es Maximilian betraf, eine freudige. Vor allem an den Sonntagen horchte er tief in sich hinein, ob es nicht etwas gab, was sich nicht normal anfühlte. Dann waren die Montage allein zu Haus wie Ferien.

Ferien …Aber bis dahin waren es noch sechs Wochen. Maximilian rechnete, ohne rechnen zu müssen: Noch sechs Wochen bis zu den Sommerferien, dreißig Tage Schule, fünf Sonntage, fünf Samstage, eigentlich achtundzwanzig Tage, weil es noch eine Exkursion geben würde und der Tag der Zeugnisausgabe zählte ja schon nicht mehr. Und dann …

Dann würde er in die sechste Klasse kommen. Noch fünf Jahre also. Wie viele Wochen, wie viele Tage waren das und was konnte man wegstreichen?

Das Mittagessen war gerade vorbei, ein ganzer Nachmittag lag noch vor ihm, der aber, obwohl er die Hausaufgaben wie immer schon früh am Morgen hinter sich gebracht hatte, doch nicht ihm gehörte. Er gehörte schon dem Montag und dem, was dieser mit sich brachte.

„Ich geh’ zu Jörg“, sagte Maximilian leise ins Wohnzimmer hinein.

„Ist gut, Süßer, und“, mit ebenfalls gedämpfter Stimme, „sei leise, Papa schläft.“

Am Ende des Ganges

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