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IX.
An den Bruder Michail, den 16. November 1845

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Liebster Bruder! Ich schreibe dir in aller Eile, da meine Zeit sehr knapp ist. Goljädkin ist noch immer nicht fertig; ich muß ihn aber unbedingt zum 25. fertig schreiben. Du hast mir so lange nicht geschrieben, daß ich bereits um dich besorgt war. Schreibe mir doch öfter; was du über Zeitmangel schreibst, ist Unsinn. Braucht man denn wirklich viel Zeit, um einen Brief zu schreiben? Das Provinzleben mit dem ewigen Nichtstun richtet dich einfach zugrunde, mein Liebster; das ist alles.

Ja, Bruder, ich glaube, mein Ruhm steht jetzt in seiner höchsten Blüte. Man bringt mir überall unglaubliche Achtung und kolossales Interesse entgegen. Ich habe eine Menge höchst anständiger Menschen kennen gelernt. Fürst Odojewskij bittet mich um die Ehre meines Besuches, und Graf Ssollogub rauft sich vor Verzweiflung die Haare aus. Panajew hat ihm erklärt, es gäbe ein neues Talent, vor dem sie alle verschwänden. S. lief lange herum, besuchte u. a. Krajewskij und fragte ihn ganz unvermittelt: »Wer ist Dostojewskij? Wo kann ich Dostojewskij erwischen?« Krajewskij, der vor niemand Respekt hat und alle schneidet, gab ihm zur Antwort: »Dostojewskij wird wohl nicht geneigt sein, Ihnen das Glück und die Ehre seines Besuches zu schenken.« Es stimmt ja wirklich: der Junker steigt nun aufs hohe Roß und glaubt, mich mit seiner Huld vernichten zu können. Alle betrachten mich als ein Weltwunder. Wenn ich nur den Mund aufmache, so hallt es gleich in allen Ohren nach, was Dostojewskij gesagt hat, was Dostojewskij zu tun beabsichtigt. Bjelinskij liebt mich über alle Maßen. Der Dichter Turgenjew, der soeben aus Paris zurückgekehrt ist, hat sich mir gleich am ersten Tage in inniger Freundschaft angeschlossen, und Bjelinskij behauptet, Turgenjew hätte sich in mich verliebt. T. ist ein wirklich herrlicher Mensch! Auch ich bin in ihn beinahe verliebt. Ein hochbegabter Dichter, Aristokrat, schön, reich, klug, gebildet und erst fünfundzwanzig Jahre alt; ich weiß wirklich nicht, was er sich vom Schicksal noch wünschen könnte. Außerdem hat er einen ungemein aufrichtigen, schönen, wohl beherrschten Charakter. Lies doch seine Novelle »Andrej Kolossow« in den »Vaterländischen Annalen«. Der Held dieser Novelle ist er selbst, obwohl er gar nicht die Absicht hatte, sich selbst zu schildern.

Ich bin noch immer nicht reich, obwohl ich auch nicht über Not klagen kann. Neulich saß ich ganz ohne Geld. Nekrassow hat inzwischen den Plan gefaßt, einen reizenden humoristischen Almanach »Suboskal« herauszugeben; die Anzeige habe ich geschrieben. Diese Anzeige hat großes Aufsehen erregt; denn es ist der erste Versuch, ähnliche Erzeugnisse in einem leichten und humoristischen Stil zu schreiben. Diese Anzeige erinnert mich an das erste Feuilleton des Lucien de Rubempré (Anmerkung des Übersetzers: In den » Illusions perdues« von Balzac.). Meine Anzeige ist bereits in den »Vaterländischen Annalen« und in den »Vermischten Nachrichten« erschienen. Ich habe für diese Arbeit zwanzig Rubel bekommen. Als ich neulich so ganz ohne Geld war, besuchte ich Nekrassow. Während ich bei ihm saß, kam mir die Idee, einen Roman in neun Briefen zu schreiben. Nach Hause zurückgekehrt, schrieb ich den Roman in einer Nacht fertig; sein Umfang beträgt einen halben Bogen. Am Morgen brachte ich das Manuskript zu Nekrassow und bekam dafür hundertfünfundzwanzig Rubel; der »Suboskal« zahlt mir also für den Bogen zweihundertfünfzig Rubel. Am Abend wurde mein Roman in unserem Kreise, d. h. vor zwanzig Anwesenden vorgelesen und hatte einen kolossalen Erfolg. Er wird im ersten Heft des »Suboskal« erscheinen. Ich werde dir das Heft am 1. Dezember schicken. Bjelinskij sagte mir, er sei jetzt meiner sicher, denn ich hätte die Fähigkeit, die verschiedenartigsten Elemente in Angriff zu nehmen. Als Krajewskij neulich hörte, daß ich kein Geld habe, bat er mich ganz ergebenst, von ihm ein Darlehen von fünfhundert Rubel anzunehmen. Ich glaube, daß ich von ihm zweihundert Rubel für den Bogen bekommen werde.

Ich habe eine Menge neuer Ideen; wenn ich aber auch nur etwas irgend jemand, z. B. Turgenjew anvertraue, wird es schon morgen in allen Ecken und Enden von Petersburg heißen, daß Dostojewskij dies und das schreibt. Ja, Bruder, wenn ich dir alle meine Erfolge aufzählen wollte, so würde mir das Papier dazu nicht ausreichen. Ich glaube, daß ich bald viel Geld haben werde. Goljädkin gerät mir großartig; es wird mein Meisterwerk werden. Gestern war ich zum ersten Male bei P. und habe mich, wie mir scheint, in seine Frau verliebt. Sie ist klug und schön, dabei liebenswürdig und ungewöhnlich aufrichtig. Ich vertreibe mir die Zeit gut. Unser Kreis ist sehr groß. Ich schreibe aber nur über mich selbst, verzeihe es mir, Liebster; ich will dir aufrichtig sagen, daß ich jetzt von meinem Ruhm gänzlich berauscht bin. Mit meinem nächsten Brief werde ich dir den »Suboskal« schicken. Bjelinskij sagt, ich profanierte mich, wenn ich am »Suboskal« mitarbeitete.

Leb wohl, Freund. Ich wünsche dir Glück. Ich gratuliere dir zu der Beförderung. Ich küsse deiner Emilie Fjodorowna die Hände und umarme deine Kinder. Wie geht es ihnen?

Dein Dostojewskij.

Bjelinskij hält mir die Verleger vom Leibe. Ich habe diesen Brief durchgelesen und festgestellt, daß ich erstens fürchterlich schreibe und zweitens ein Prahlhans bin.

Leb wohl und schreibe mir um Gottes willen.

Unser Schiller wird sicher zustande kommen. Bjelinskij lobt unsere Absicht, das gesamte Werk Schillers herauszugeben. Ich glaube, daß ich die Arbeit mit der Zeit günstig unterbringen werde; vielleicht bei Nekrassow.

Lebe wohl.

Alle die Minnchen, Klärchen, Mariannchen usw. sind unglaublich hübsch geworden, doch kosten sie eine Menge Geld. Turgenjew und Bjelinskij haben mich neulich wegen meines unordentlichen Lebenswandels ausgeschimpft. Diese Herren wissen gar nicht, wie sie mir ihre Liebe bezeugen können; sie sind alle in mich verliebt.

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