Читать книгу Feuermal - Florian Bellows - Страница 10

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Felix spült sich den Mund mit einem Schluck heißen Kaffees aus. Er gurgelt ausgiebig mit der schwarzen Brühe, bevor er sie hinunterschluckt. Bellas Gaumenfleisch wirft Blasen. Speiseröhre und Magen verbrühen. Die Körpermitte krampft. Felix lacht. Es ist Bella, die den Schmerz empfindet.

„Na, gefällt dir das, du dumme Göre?“, hallt Felixs Reibeisenstimme in Bellas Kopf.

Bella ist in tiefer Finsternis gefangen, in einer geheimen Ecke ihres Verstandes. Ihr Körper sendet Starkstromsignale aus, die ihre Welt in kurzen Abständen grell und übersättigt erscheinen lassen.

Felix führt den Pappbecher an Bellas Lippen und spuckt etwas hinein. Hart, cremeweiß und klein wie Maiskörner. Es sind Zähne. Sie versinken im schwarzen Kaffee.

Einer, zwei, drei.

„Upps!“, sagt Felix. „Da braucht wohl jemand ein Gebiss.“

Es ist Felixs alte Masche. Schon früher hatte er Bella auf dieselbe Art gequält. Damals ausschließlich in ihren Träumen. Der Verlust ihrer Zähne ist dabei eine der harmloseren Scherereien des Zauberers gewesen.

»Das ist aber kein Traum!«, denkt sie. Sie hat Recht. Es ist kein Traum nach klassischer Definition.

Bella versucht, ihre Augen zu öffnen. Kurz sieht sie ein verschwommenes blaues Rechteck an sich vorbeiziehen. Ein Autobahn-Schild. Bella liest das Schild wie die Buchstaben bei einem Sehtest.

»Odelzhausen? Bin ich auf der A8?«

Die Strecke kennt Bella von ihren jährlichen Besuchen der Didaktik-Messe in Stuttgart und den gelegentlichen Fahrten ins Legoland in Günzburg.

»Wo bringt er mich hin?« Bella redet sich ein, dass ihr Schicksal davon abhängt, ob sie die Augen offen hält oder nicht. Immer wieder schwärzt sich Bellas Sicht. »Oh Gott, Mama wird sich furchtbare Sorgen machen, wenn ich nicht anrufe. Wie lange wird es dauern, bis sie die Polizei ruft? Mein Handy müsste sich doch orten lassen. Was aber, wenn Felix mein Handy weggeschmissen hat?«

Bella stellt fest, dass es absurd ist, sich diese Fragen zu stellen.

»Was kann die Polizei überhaupt gegen Felix ausrichten?«

Soweit Bella es beurteilen kann, ist Felix kein Mensch. Er dürfte nicht einmal real sein. Ursprünglich ist er einer von vier Hauptakteuren in einer Reihe immer wiederkehrender Albträume gewesen. Einen anderen – den Dicken König – hat Felix namentlich erwähnt.

Das erste Mal träumte Bella im Alter von sieben Jahren von ihnen. Das war kurz nach dem Tod ihres Bruders David. Bella war wochenlang jede Nacht schweißgebadet aufgewacht. Ihre Eltern hatten keine damals Zeit für sie. Max und Astrid Pankow hatten beide Hände voll damit zu tun, ihre kriselnde Ehe zu retten und Bella die dringend benötigte Normalität vorzugaukeln. Die Psychologin, an deren Namen sich Bella nicht mehr erinnert, hatte ihr eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und Bellas Albträume als normale Reaktion auf emotionalen Stress missinterpretiert. Nun versucht Bella, sich an den Namen der Frau zu erinnern. Sie hat entweder Sturm oder Stern geheißen.

Von ihr hat Bella die ersten Techniken des autogenen Trainings gelernt.

»Wenn sie mich jetzt sehen könnte. Der würden die Augen aus dem Kopf fallen.«

Bella gibt nicht auf. Sie kämpft um jedes Bisschen Kontrolle. Das charakteristische Nageln des Motors ihres Volvos dringt durch die Dunkelheit.

»Felix ist mit meinem Wagen unterwegs!«

Sie versucht, den Schleier, der ihr die Sicht versperrt zu lichten und muss sich dafür durch eine Lawine graben, unter der Felix sie verschüttet hat.

Mit einem Mal starrt Bella in ihre Augen. Im Rückspiegel ist ein Teil des goldenen Vollmondes zu sehen. Durch seine Nähe zum Horizont ist er zu gigantischen Proportionen aufgeblasen. Die anbrechende Mainacht ist klar, der Himmel kurz vor Sonnenuntergang hellviolett.

„Schau mal an, wer sich da zeigt!“, hört Bella sich selbst sagen. Der Ton in ihrer Stimme ist unverkennbar fremd. Sie funkelt sich mit Augen aus Feueropal an. „DU SCHEISSKERL, WAS HAST DU MIT MIR GEMACHT?“, brüllt Bella, ohne dass sich dabei ihre Lippen bewegen.

„Wieso gleich so ausfallend?“, lacht Felix mit Bellas Mund und (vollständigem) Gebiss. „Ich bin in dich hineingekrochen wie in eine ausgeleierte Fotze. Ich mache mit dir, was ich will.“

„LASS MICH GEHEN!“ Rote Blitze leuchten am Rande der Welt. Felix nimmt sie ebenfalls wahr.

„Keine Chance, Bella. Nicht bei all dem, was wir mit dir vorhaben. Du bist unser neustes kleines nettes Spielzeug.“

„LASS MICH!“

Bellas Zorn lodert. Das Feuermal auf ihrer linken Wange entzündet sich und strahlt in den buntesten Farben.

„Das lässt du mal besser sein!“, sagt Felix, statt mit Hohn mit heiligem Ernst in der Stimme.

Der Griff um Bellas Kern wird stärker. Die Kontrolle, die sie sich mühsam erkämpft hat, entgleitet. Bellas letzter wacher Gedanke gilt einer Nacht vor zwanzig Jahren, in der sie voller Verzweiflung vor dem Spiegel im Schlafzimmer ihrer Großmutter gestanden war.

„Wie habe ich das nur vergessen können?“, fragt sie sich erneut und schläft ein.

Feuermal

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