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Anscheinend hat der Mann niemanden, sagt Agnes Wallner, die gegenüber auf Tür 3 in der Quellenstraße 63 wohnt.

Dass er da drüben allein wohnt, wissen wir ja dank deiner Neugier. Aber woher willst du wissen, dass er keine Verwandten hat? fragt Gernot Waibl.

Ich hab noch nie bemerkt, dass jemand drüben gewesen wäre. Und er kommt doch eher ungepflegt daher.

Und weil sich niemand um ihn kümmert, fühlst du dich gleich verpflichtet, die Tochterrolle zu übernehmen?

Du könntest ja auch in die Sohnesrolle schlüpfen.

Beim Wort Sohnesrolle reißt sie die Augen übertrieben auf. Ach was, sagt sie, ich kann doch nicht einfach zusehen, wenn ein alter Mann neben uns krank ist.

Will er denn, dass du ihm hilfst? Will er sich von dir bemuttern lassen? Tochter, Sohn, Mutter, bald ersetzen wir ihm die ganze Familie, lacht Gernot. Also, du hast ein paar Flecken gesehen. Was hat er?

Naja –

Herumdrucksen nennt er das, wenn sie nicht gleich eine Antwort findet. Drucks doch nicht so herum – sie weiß, dass das bald kommen wird, deshalb beeilt sie sich: Im Vorbeigehen kann ich das jetzt nicht so genau beurteilen, aber es sah mir ganz nach Scabies aus.

Gernot blickt sie ratlos an.

Die Krätze halt.

Ein Glucksen, dann lacht er los.

Das ist nicht witzig, Gernot. Das kann extrem unangenehm werden, wenn er sich das nicht anschauen lässt.

Also hast du ihm gesagt, dass er zum Doktor gehen soll. Und was hat er darauf gesagt?

Naja –

Sie ärgert sich über seine hochgezogenen Augenbrauen und sein Nicken, das ihr zu verstehen geben soll, dass er nicht den Rest seines Feierabends über ihr neues Pflegeprojekt reden will.

Er war eher abwehrend. Aber ich weiß halt nicht, wie gut sein Deutsch ist. Ob er mich richtig verstanden hat.

Woher ist der überhaupt? Hast du das mal rausgefunden?

Irgendwo Balkan, was weiß ich.

Wenn er sich nicht helfen lassen will, würde ich die Sache für erledigt erklären. Das ist einfach die Euphorie der Jungärztin, die dir keine Ruhe lässt. In ein paar Jahren bist du genauso abgebrüht wie deine Kollegen, da läufst du an solchen Leuten vorbei.

Ja, eh. Trotzdem kann ich das nicht einfach ignorieren. Der Mann wohnt direkt neben uns. Man muss doch aufeinander schauen.


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