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II. Methodik 1. Rechtsvergleichender Ansatz

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Der Maxime des Nestors der Rechtsvergleichung Ernst Rabel folgend, „der Stoff des Nachdenkens über die Probleme des Rechts muss das Recht der gesamten Erde sein (…)“45, sollen in dieser Arbeit bei der Darstellung des kirchlichen Arbeitsrechts die staatlichen Grenzen überschritten werden. Ein wie von Rabel geforderter universalistisch-globaler Ansatz kann jedoch für den Einzelnen wegen unüberwindlicher zeitlicher wie auch sprachlicher Grenzen nur Utopie bleiben. Der durchgeführte Vergleich muss daher ausschnitthaft sein, er bleibt notwendigerweise oberflächlich und fragmentarisch.46 Gerade deshalb darf die Auswahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen aber nicht beliebig geschehen, sondern sollte nachvollziehbaren Kriterien folgen.47 Dafür bietet sich ein exemplarischer Vergleich an, der aber eine geeignete Schematisierung verschiedener Rechtsordnungen im Hinblick auf die untersuchte Thematik erfordert.

Da das kirchliche Arbeitsrecht als Modifikation und Abweichung vom weltlichen Arbeitsrecht ganz wesentlich von der den Kirchen gewährten Autonomie abhängig ist, bildet das Staatskirchenrecht das Fundament für dessen Ausgestaltung. Die grundlegende Einteilung des Staat-Kirche-Verhältnisses in drei Staatskirchensysteme48 bietet insoweit eine geeignete Orientierung, durch Heranziehung idealtypischer Repräsentanten der drei verschiedenen staatskirchenrechtlichen Grundsysteme den Erkenntniswert der Untersuchung zu maximieren. Dabei repräsentiert in dieser Untersuchung England das Modell einer Staatskirche, Frankreich das laizistisch geprägte Trennungssystem und Österreich49 (entsprechend der deutschen Rechtslage) das Kooperationsmodell. Insoweit bilden das französische und englische Modell nach dieser Einteilung die „äußeren Pole“50 des europäischen staatskirchenrechtlichen Panoramas. Auch die Tatsache, dass die grundlegenden staatskirchenrechtlichen Entscheidungen von Frankreich und England als prototypische Wegbereiter erheblichen Einfluss auf andere europäische Länder hatten,51 erhöht den Vergleichswert dieser Rechtsordnungen. Überdies kommt England als Vertreter des Rechtskreises des Common Law eine besondere Stellung gegenüber den übrigen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen zu.

Die staatskirchenrechtliche Fundierung des kirchlichen Arbeitsrechts hat zur Folge, dass die Durchführung einer reinen sogenannten „Mikrovergleichung“52 – dies wäre vorliegend ausschließlich eine Untersuchung der arbeitsrechtlichen Fragestellungen – in einer derart isolierten Form nicht aussagekräftig wäre. Zwar verfolgt diese Arbeit primär das Ziel, die rechtliche Stellung der Kirchen als Arbeitgeber zu beleuchten. Dies kann indes nicht ohne die Durchführung einer sogenannten „Makrovergleichung“53 geschehen, in deren Verlauf auch die im Kontext der eigentlichen Fragestellung stehenden Grundsätze der jeweiligen Rechtsordnungen untersucht werden. Denn ohne die staatskirchenrechtlichen, historischen und kulturellen Hintergründe ließen sich Inhalt, Auslegung und Rechtsfolgen der einzelnen Normen und Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts nicht oder nur unzureichend erschließen. Zudem gewinnt die Analyse einer ausländischen Rechtsordnung insbesondere dann an Erkenntniswert, wenn auch ein Verständnis für die den einzelnen Regelungen zugrunde liegenden Ursachen und Grundbedingungen gewonnen werden kann. Erst auf dieser Basis ist eine aussagekräftige Kontrastierung mit der deutschen Rechtslage durchzuführen, durch die das Verständnis der eigenen rechtlichen Zusammenhänge geschärft werden kann. Daraus folgt der Grundsatz der Rechtsvergleichung, dass auch beim „Mikrovergleich“ einzelne Vorschriften zumeist nur im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Rechtsordnung untersucht werden können.54

Eine darüber hinausgehende Konkretisierung der Methodik kann im Vorfeld nur in groben Zügen vorgenommen werden. Grundprinzip der vergleichenden Betrachtung ist dasjenige der Funktionalität55. Die Untersuchung der ausländischen Rechtssysteme darf sich demzufolge nicht auf die bekannten nationalen Termini, Rechtsquellen und Perspektiven beschränken; diese können allenfalls eine erste Orientierung bieten. Von Bedeutung ist vielmehr eine übergeordnete, abstrakte Fragestellung als Vergleichsgrundlage. Diese lautet im Zusammenhang mit dem Rechtsgebiet des kirchlichen Arbeitsrechts etwa folgendermaßen:

„In welcher Weise berücksichtigt das ausländische Recht das religiös fundierte Selbstverständnis der Kirchen bei der Ausgestaltung des anzuwendenden Arbeitsrechts, wenn diese Arbeitnehmer auf der Grundlage von privatrechtlichen Arbeitsverträgen beschäftigen?“

Auf Grundlage dieses Tertium Comparationis wird im zweiten Teil dieser Arbeit zunächst in Länderberichten die Rechtslage innerhalb der einzelnen Rechtsordnungen dargestellt; eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse sowie ein Vergleich mit der deutschen Rechtslage steht am Ende eines jeden Länderberichts. Innerhalb des abschließenden dritten Teils erfolgt die Zusammenführung sowie die Ordnung der dabei gewonnenen Erkenntnisse. Dabei soll versucht werden, eine übergeordnete Struktur für die in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen vorgefundenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden. Detaillierte methodische Grundsätze lassen sich für diesen zweiten Schritt nicht a priori festlegen, da die spezifische Vorgehensweise maßgeblich durch die zuvor gefundenen Ergebnisse bedingt ist.56

Voranzuschicken ist der folgenden Darstellung schließlich noch, dass die spezifischen Erfahrungen und Erkenntnisse des Auslands nur in ganz bestimmter Weise zur Ableitung eines vertieften Verständnisses des eigenen Rechts nutzbar gemacht werden können.57 Denn im hier gegebenen Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsgebiete des Staatskirchenrechts und des Arbeitsrechts im Fokus des Rechtsvergleichs stehen. Beide Bereiche sind in großem Maße von nationalen Besonderheiten geprägt: Auf der einen Seite mag es zwar innerhalb der EU die zunehmende Tendenz einer Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts geben, doch basiert dieser Bereich auch immer noch in hohem Maße auf dem ideologischen Vorverständnis und der ökonomischen Lage einer Gesellschaft.58 Auf der anderen Seite ist insbesondere die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen als ganz individueller Ausdruck der politischen und geistesgeschichtlichen historischen Entwicklung eines Nationalstaates anzusehen.59 Diese nationalstaatlichen Charakteristika werden durch den supranationalen Einfluss der Europäischen Union keinesfalls obsolet, zumal sie ohnehin keine staatskirchenrechtlichen Kompetenzen besitzt; darüber hinaus hat der durch nationales Recht vermittelte Status der Kirchen nunmehr auch in Art. 17 Abs. 1 AEUV einen besonderen Schutz im Primärrecht erhalten. Das kirchliche Arbeitsrecht ist angesichts dessen zuvorderst Ausdruck einer nationalen Rechtstradition.

Die insofern zu konstatierende Unmöglichkeit einer pauschalen Übertragung der in anderen Staaten vorgefundenen Lösungsansätze im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts macht eine Rechtsvergleichung aber keinesfalls irrelevant. Denn die grundlegenden Interessengegensätze sind gleicher Natur; entscheidend ist vielmehr, mit welchen Wertungen und auf welcher Grundlage deren Ausgleich herbeigeführt wird. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge vermag dann möglicherweise eine weitere Perspektive auf das eigene Recht zu etablieren. Zudem erfordert es die hohe Bedeutung des Gemeinschaftsrechts für das nationale Arbeitsrecht, auch seine jeweilige Umsetzung in den Nachbarländern zu untersuchen.60 Dies ist für das kirchliche Arbeitsrecht insbesondere im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78/EG von Relevanz. Zudem ist es auch im Rahmen der vom EGMR angewendeten margin of appreciation von besonderem Interesse, inwieweit sich im europäischen Rechtsvergleich einheitliche oder divergierende nationale Standards bei der Beurteilung einer Rechtsfrage ermitteln lassen. Schließlich schärft ein Vergleich der unterschiedlichen Rechtsstellung der Kirchen innerhalb der Mitgliedstaaten auch das Verständnis, inwieweit im Rahmen von Art. 17 Abs. 1 AEUV ein spezifisch national geprägter kirchlicher Status gegeben ist, dem dann ein umso größeres Schutzbedürfnis zukäme.

Ungeachtet dieses konkreten Vergleichsnutzens muss sich die Methode der Rechtsvergleichung aber ohnehin nicht durch die Angabe spezifischer Ziele legitimieren.61 Denn als Bestandteil der Rechtswissenschaft ist bereits das abstrakte Streben nach Erkenntnis ein sie wesentlich bedingender Zweck. Rechtsvergleichung ist Horizonterweiterung im besten Sinne.62

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

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