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III. Einwirkungen des europäischen Rechts auf das nationale kirchliche Arbeitsrecht

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Eine eingehende Untersuchung des Europäischen kirchlichen Arbeitsrechts – also der Gesamtheit der Rechtsregeln der EU, die einen kirchenarbeitsrechtlichen Bezug aufweisen – ist nicht Gegenstand dieser Arbeit;64 vielmehr soll die Thematik vorrangig aus der nationalen Perspektive der einzelstaatlichen Rechtsordnungen beleuchtet werden. Prima facie mag eine solche Herangehensweise in Anbetracht der stetig wachsenden Relevanz des supranationalen Rechts anachronistisch erscheinen.65 Dabei darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass das kirchliche Arbeitsrecht in erster Linie – vor allen Dingen aufgrund seiner staatskirchenrechtlichen Fundierung – maßgeblich durch die nationalen Rechtsordnungen geprägt ist.66 Ohnehin gilt freilich auch in diesem Zusammenhang das allgemeine Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 EUV, das einer umfassenden Rechtsgestaltung der Europäischen Union entgegensteht. Danach darf sie nur dort tätig werden, wo ihr eine entsprechende Kompetenz durch die Mitgliedstaaten innerhalb der Verträge67 eingeräumt ist. Dementsprechend kommt der EU auch keine umfassende Zuständigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zu, wenngleich ihre zumeist auf der zentralen Kompetenzgrundlage des Art. 153 Abs. 1 AEUV basierenden Rechtsakte eine ganz erhebliche Bedeutung für das nationale Arbeitsrecht entfalten.68 Zur unmittelbaren Regelung staatskirchenrechtlicher Aspekte besitzt die Europäische Union hingegen keine Kompetenz.69 Dies berücksichtigt den Umstand, dass die grundlegende Regelung des Verhältnisses von Staat und den Kirchen als essentieller Teil der nationalen Identität einer vereinheitlichenden europäischen Regelung nicht zugänglich ist.70

Doch trotz dieser Prämissen sieht sich das kirchliche Arbeitsrecht seit einigen Jahren zunehmend „europarechtlichen Herausforderungen“71 ausgesetzt. Denn die Rechtsetzung der EU im Bereich des Arbeitsrechts – insbesondere in Gestalt des Antidiskriminierungsrechts – ist geeignet, das nationale Staatskirchenrecht mittelbar zu beeinflussen, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Kompetenzübertragung für die Regelung staatskirchenrechtlicher Fragen bedürfte.72 Insofern können gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, die (auch)73 die Kirchen in ihrer Funktion als Arbeitgeber betreffen, Konsequenzen für die nationale Ausgestaltung kirchlicher Selbstbestimmung entfalten. Gleiches kann durch Arbeitnehmergrundrechte induziert werden, die durch die EMRK sowie durch die von dieser inspirierten, neu geschaffenen Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) garantiert werden. Ein gänzlich autonomes einzelstaatliches kirchliches Arbeitsrecht ist angesichts eines derartigen Einflusses durch Europarecht und Völkerrecht somit nicht mehr denkbar. Dabei wird die Bedeutung des Gemeinschaftsrechts durch die Rechtsprechung des EuGH74 und des BVerfG75 untermauert, wonach diesem normenhierarchisch der Vorrang gegenüber nationalem Recht – einschließlich des Verfassungsrechts – zugesprochen wird.

Aufgrund jener europarechtlichen Ingerenzen soll nachfolgend – den Länderberichten vorangestellt – eine kursorische Darstellung der insofern bedeutendsten Rechtsquellen vorgenommen werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung76 nationalen Rechts erforderlich. Eine vertiefte Erörterung wird dabei nicht stattfinden, denn sofern jene Einwirkungen im Rahmen von spezifischen Rechtsfragen innerhalb der einzelnen nationalen Rechtsordnungen Relevanz entfalten, werden sie an entsprechender Stelle im jeweiligen Länderbericht aufgegriffen. Intendiert ist vielmehr eine kurze Einführung, die den Grundstein für ein Bewusstsein der supranationalen Einflüsse für das nationale kirchliche Arbeitsrecht schaffen soll. Die maßgeblichen Regelungen sind vielfältig und auf verschiedene Rechtsnormen unterschiedlichen Ranges verstreut.77 Von hervorgehobener Bedeutung sind dabei die als Völkerrecht etablierte EMRK sowie diverse Rechtsquellen des europäischen Primär- und Sekundärrechts.

Kirchliches Arbeitsrecht in Europa

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