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5 Aufbruch

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Die ersten roten Streifen zogen gerade am Himmel auf, doch das hinderte die zwei Gestalten nicht daran, sich zu dieser frühen Stunde vor dem Gartentor des Hauses am Ahornweg 17 herumzudrücken.

„Wer ist nur auf die blöde Idee gekommen, dass wir uns so zeitig treffen?“, jammerte Jessica und stieg auf einen niedrigen Holzstapel, um über den Zaun auf das Grundstück hinüber zu spähen. „Ich bin noch ganz zerschlagen. Und daran hast auch du schuld!“

Sie spielte damit auf die gemeinsam verbrachte Nacht an, in der die beiden nicht viel Schlaf bekommen hatten.

„Kannst du was erkennen?“ Sven ignorierte den Vorwurf und umfasste seine Freundin von hinten. Er schmiegte sich dicht an ihren Körper und grapschte nach den kleinen Brüsten.

„Nein. Nichts. He, was machst du da?“, protestierte sie und drehte sich um. Die Scheite unter ihren Füßen wackelten. Sven packte sie an den Hüften, damit sie das Gleichgewicht nicht verlor.

„Ich bring dich nur auf Touren, Maus, damit du endlich wach wirst“, sagte er und gluckste.

„Du sollst mich nicht so nennen! Ich bin keine Maus!“ Sie umfasste seinen Nacken und küsste ihn auf den Mund. „Wenn ich so groß wäre, wie jetzt, dann wäre das Ideal.“ Sie drängte Sven ihr Becken entgegen, um ihm zu verdeutlichen, was sie meinte.

„Also ich liebe dich so, wie du bist“, entgegnete der kräftige Junge und langte nach ihren beiden schlampig geflochtenen Zöpfen, die über die Oberweite herab hingen. Dann küssten sie sich abermals.

„He ihr Turteltauben! Kauft euch eine Wohnung“, knarrte eine brüchige Stimme zu ihnen herüber.

Die beiden wendeten die Köpfe und sahen ihre Freunde, Romana, Daniel und den pummeligen Richard auf den Rädern näherkommen. Nachdem sie unmittelbar neben ihnen angehalten hatten, begannen die Jungs ihr übliches Begrüßungsritual. Jessica hüpfte vom Stapel und ging auf Romana zu.

„Hi“, grüßte Romana, „Ist Georg noch nicht da?“

Jessica schüttelte den Kopf. „Vielleicht hat er verschlafen.“

„Der Schlappschwanz wird doch nicht etwa kneifen“, krähte Richard gerade in dem Moment, als das Tor quietschend aufschwang und Georg sein Fahrrad herausschob. Sein Gesichtsausdruck ließ seine Freunde Übles erahnen.

„Was ist los, Georg? Hast du ein Gespenst gesehen?“, fragte Daniel und streifte sein schulterlanges, dunkelbraunes Haar hinter die Ohren zurück.

Im Licht der nahen Straßenlaterne rückten die sechs Freunde näher zusammen.

„Gestern hab ich ein Gespräch zwischen meinem Vater und unserem Nachbarn, dem Oberinspektor Grüneis, belauscht. Es ging um eine Familie aus Rittau, die vor einer Woche plötzlich verschwunden ist. Eine ganze Familie! Vater, Mutter und Tochter!“

„Was ist passiert?“, erkundigte sich Romana geschockt.

„Ihr werdet es nicht glauben! Sie sind von einem Radausflug in die Au nicht mehr zurückgekommen.“

„Scheiße!“, fluchte Sven und raufte sich seine rotblonde Kurzhaarfrisur. „Damit sind es schon sieben Menschen, die vermisst werden. Erst Jasmin, das Camperpärchen, dann die Joggerin und jetzt diese Leute aus Rittau.“

Die Jugendlichen blickten einander schweigend an. Jeder hing seinen Gedanken nach. Wenn eine ganze Familie von einem Tag auf den anderen verschwand, dann handelte es sich nicht mehr um Kinderkram, dann hatten sie es mit einem Problem größeren Ausmaßes zu tun. Andererseits bestand immer noch die Möglichkeit, dass die einzelnen Vorkommnisse nichts miteinander zu tun hatten und getrennt betrachtet werden mussten, aber das hatten sie bereits nach endlosen Diskussionen verworfen.

„Was meint ihr?“, fragte Daniel schließlich und beendete das Schweigen. „Sollen wir es trotzdem durchziehen?“

Romana nickte heftig mit dem Kopf. „Wir machen das für Jasmin, Leute. So, wie wir es besprochen haben. Wenn die Polizei nichts unternimmt, dann müssen wir nach ihr suchen“, schwor sie die Clique auf das Unternehmen, das ihnen bevorstand, ein. „Ich meine, wir sind zu sechst. Was kann da großartig passieren?“

„Okay! Ziehen wir´s durch“, sagte Georg. „Was soll schon sein? Wenn wir bis zum Einbruch der Dunkelheit nichts finden, kehren wir wieder um. Habt ihr alles eingepackt, wie vereinbart?“

Alle stimmten zu.

„Für Jasmin“, flüsterte Romana.

„Für Jasmin“, antwortete der Chor einstimmig.

Sie bestiegen nacheinander die Fahrräder und strampelten, einem kleinen Vogelschwarm gleich, in Richtung Auwald. Jeder von ihnen trug einen Rucksack, in dem sie die Ausrüstung für die Suchaktion transportierten. Auf ihren Gesichtern lag ein Ausdruck von Entschlossenheit. Sie würden die Suche nach ihrer vermissten Freundin nicht aufgeben, komme, was wolle!

Vermisst

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