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Tag eins

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Der erste Tag begann mit einer bösen Überraschung: Der Geschirrspüler war nicht ausgeräumt. Also würde ich ihn nicht benutzen können. Ich beschloss, das schmutzige Geschirr, das während meines Aufenthalts anfallen würde, einfach im elterlichen Schlafzimmer zu stapeln, als kleine Lektion. Dann schrieb ich meiner Schwester auf Facebook: »Der Geschirrspüler ist kaputt. Aber keine Sorge, ich habe eine Lösung gefunden. Und ja, der Katze geht es gut, und nein, ich rauche fast gar nicht.«

Von dem einsamen Spinnennetz, das ich im Flur entdeckt hatte, erzählte ich ihr aber lieber nichts, sonst würde sie sich nie mehr zurücktrauen, und wer sollte dann auf meine Eltern aufpassen, etwa ich?

Mit meiner Schwester kommunizierte ich in diesen Tagen nur über Facebook. Das Telefon hatte ich ausgehängt, sonst rief sie alle fünf Minuten an, um nach der Katze zu fragen. Dabei gehörte die Katze nicht mal ihr, sie war zugelaufen. Genau genommen hatte meine Schwester sie so lange angelockt, bis die Katze tat, als gehöre ihr das Haus mitsamt den Bewohnern. Niemand schien sie zu vermissen, aber das wunderte mich nicht. Sie war ziemlich asozial, sogar für eine Katze. Ich wollte sie Würmli taufen, weil sie Würmer hatte, aber der Vorschlag war nicht gut angekommen, und so hieß sie jetzt einfach »Die Katze«. Ein Zentner Sheba und anderer parfümierter Fleischabfall stapelten sich in der Küche und sollten ihr in den nächsten Tagen als Nahrung dienen.

Ich setzte mich an meinen Laptop und zündete eine Zigarette an, um den kreativen Fluxus anzukurbeln. Kommenden Samstag war die letzte »Ferkel im Wind«-Lesebühne der Saison, einen politischen Text hatte ich schon, jetzt brauchte ich noch eine bodenständige Alltagsgeschichte für den einfachen Mann von der Straße.

Zwei Stunden später schreckte ein fieses Surren mich aus dem Halbschlaf, und mein rechtes Handgelenk begann, tierisch zu jucken. Mückenstich. Die Insektenplage auf dem Land, das hatte ich ganz vergessen, urbaner Bohemien, der ich war. Der mit Pflanzen überladene Garten war schuld und natürlich diese morastigen Gartenteiche überall. Man sollte das alles zubetonieren.

Da erinnerte ich mich an Afterbite: das neue Präparat, von amerikanischen Wissenschaftlern erdacht, das einzige Mittel, das tatsächlich gegen Insektenstiche half. Ganz im Gegensatz zu dieser lächerlichen Systral-Pampe, die wahrscheinlich aus gestampften Globuli zubereitet wird. Ich durchwühlte die Medikamentenschublade, und hier war es: Afterbite, »der bequeme Ammoniak-Stift, sehr langlebig«, wie es in der Werbung hieß. Er roch allerdings auch sehr intensiv. Nachdem ich den Stich am Handgelenk verarztet hatte, begann es, im Gesicht zu jucken, punktgenau auf dem rechten Wangenknochen. Also tat ich auch da Afterbite drauf.

Boah, der Geruch, betäubend, bezirzend, berauschend, eine brettharte Mischung aus Kerosin, Opium, Katzenpisse und Absinth. Die Dämpfe stiegen mir in die Nase und in die Augen, ich erblindete kurzzeitig, dann fiel ich in Ohnmacht.

Als ich wieder zu mir kam, hatte ich einen Plan. Er war mir im Traum von einer nackten Steinzeitfrau mit Katzenkopf und Hirschgeweih eingeflüstert worden: Ich musste der Katze helfen, wieder zu ihrer ursprünglichen Lebensweise zurückzukehren. Sie musste lernen, selber für ihr Essen zu sorgen. Dieses Sheba-Zeug war nicht artgerecht, voller Chemiedreck und führte dazu, dass die Katze ein Stubenhocker wurde, ihres natürlichen Jagdinstinkts beraubt. Außerdem stank es die ganze Küche voll und blockierte meinen Trampelpfad zum Kühlschrank.

Ich aber wusste einen neuen Verwendungszweck für den Sheba-Glibber: Ich würde es im Garten als Köder auslegen, für die diversen Beutetiere der Katze: Mäuse, Ratten, Frösche, Eichhörnchen, Vögel …

Ich nahm noch eine Nase voll Afterbite, torkelte in den Garten und machte mich ans Werk. Eine Stunde später schnappte ich mir die beleidigt maunzende Katze und trug sie nach draußen.

Mein Plan ging auf. In der nächsten Zeit lagen ständig tote Nagetiere, Amphibien und Singvögel auf der Fußmatte. Die erbeuteten Tierchen bereitete ich für die Katze in der Fritteuse zu.

Einmal befand sich sogar eine Blindschleiche unter der Jagdstrecke, worauf die Katze besonders stolz zu sein schien. Die Blindschleiche wirkte ziemlich tot, aber nicht so ganz – bei Blindschleichen ist die Grenze zwischen Leben und Tod ja recht verschwommen –, und ich wilderte sie im Nachbargarten wieder aus und wünschte ihr viel Glück auf ihrem weiteren Lebensweg. Dann nahm ich eine Prise Afterbite und wankte zurück ins Haus. Die Sonne dröhnte viel zu laut in meinen Ohren.

»Der Katze geht es prächtig«, schrieb ich an diesem Abend auf Facebook, Zigarette im Mundwinkel, den Afterbite-Stick, mittlerweile mein ständiger Begleiter, griffbereit neben der Tastatur, »sie frisst mit gutem Appetit und spielt viel draußen.«

Eber im Nebel

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