Читать книгу Eber im Nebel - Francis Kirps - Страница 8
Tag zwei
Оглавление»Hast du die Katze nach Zecken abgesucht?«, schrieb meine Schwester zurück, das undankbare Ding. »Natürlich«, log ich, zog mir einen Hauch Afterbite rein und fing die Katze ein, die insgesamt etwas träge wirkte. Sie verdaute wohl noch an der mit Raclettekäse überbackenen Nilgans, die wir uns zum Frühstück geteilt hatten. Ich zurrte die Katze auf der Werkbank fest und suchte sie nach Zecken ab. 27 Stück, das war neuer Rekord.
Die Zecken warf ich nicht ins Klo, wie sonst immer. Ich wollte sie ein wenig beobachten, sie wirkten fast wie außerirdische Lebensformen, mit den prallen planetenförmigen Hinterkörpern und dem quirligen Krabbelkopf. Vielleicht waren es ja wirklich Aliens, und wenn man genug beisammen hatte, würden sie sich ein Raumschiff bauen, um auf ihren Planeten zurückzukehren …? Oder einen Staat bilden. Ich brachte die Zecken im alten Aquarium unter, wo Alfred, unsere Wasserschildkröte, gewohnt hatte, bis er im gesetzten Alter von dreißig Jahren verstorben war, vermutlich an Langeweile. Das Aquarium roch immer noch ein wenig nach Alfred, leicht moderig und reptiloid. Ich überließ die Zeckenpopulation sich selbst und ging raus zum Briefkasten. Die Sonnenstrahlen fühlten sich klebrig auf meiner Haut an, als würde ein blinder, hirnloser Gott mich mit geschmolzenem Camembert beträufeln. Der Himmel klaffte wolkenlos blau über mir wie eine offene Wunde. Der Fliederstrauch fragte mich, wie mein Tag war. Drosseln brüllten mir ins Ohr. Was war nur mit dem Wetter los, mit der Natur? Schnell zurück ins Haus, eine Dosis Afterbite, linkes Nasenloch, ahhh, rechtes Nasenloch, uhhh!
In der Post fand ich ein Schreiben der Gemeinde, dass das Wasser knapp sei, wegen des ausbleibenden Regens, und dass man sparsam mit Trinkwasser umgehen solle. Kein Problem, dachte ich, schließlich befand sich ein gut sortierter Weinkeller im Haus.
Wie es der Katze gehe, fragte meine Schwester schon wieder. Als würde sie mir nicht mal zutrauen, auf eine harmlose Katze aufzupassen. Nach meinem Befinden erkundigte sie sich dagegen nicht. Sie hatte sich sehr zum Unguten entwickelt, seit sie Jura studierte und keine Dreadlocks mehr besaß. Früher war da mehr Bewunderung für mich, ich erinnerte mich noch gut an die Zeit, als sie mich für allwissend hielt. Gut, da war sie auch erst sieben. Um sie zu ärgern, beschloss ich, nun doch keinen Text über Katzen zu schreiben, wie ich es vorgehabt hatte, sondern stattdessen etwas über Hasen. Oder Kaninchen. Hasenartige halt.
Nach einer erfrischenden Champagnerdusche und ein paar Nasen Afterbite fiel mir ein guter Titel ein: Der Mann mit den Pinselohren.
In der Geschichte ging es um einen Mann, der sich für ein Kaninchen hielt. Und alle lachten über ihn, auf der Arbeit, im Büro, in der Freizeit, im Tennisclub. Am Ende stellte sich dann heraus, dass er tatsächlich ein Kaninchen war, und alle, die ihn ausgelacht hatten, standen ganz schön dumm da.
Aber halt, Pinselohren, hatten Hasenartige überhaupt Pinselohren? Ich googelte und stieß auf den Wikipedia-Artikel über den Luchs. Luchse hatten Pinselohren. Neuerdings waren wieder Luchse in der Eifel gesichtet worden, las ich, und im Rothaargebirge. Rothaargebirge? Nie davon gehört. Ich navigierte weiter zum Artikel über das Rothaargebirge, von da kam ich zum Pfälzer Wald, und als ich auf verschlungenen Wegen bei der Kryptozoologie, genauer gesagt, beim Ogopogo, der angeblich im Okanagan Lake lebenden Seeschlange, gelandet war, war es auch schon wieder Abend geworden. Ich sah nach, was die Katze heute erjagt hatte, und beschloss, dass es zum Abendessen Froschschenkel à la française geben würde, als Beilage Brekkies rot-weiß.
Der Abend war ruhig, ruhiger als sonst, man hörte fast gar kein nerviges Froschgequake mehr. Die Katze hatte gute Arbeit geleistet und alle Gartenteiche in der Nachbarschaft entvölkert.
Vor dem Schlafengehen gönnte ich mir ein entspannendes Rotweinbad, ich nahm dafür nur die ältesten Weine, die waren sowieso bestimmt nicht mehr gut. Morgen war ein harter Tag, ich würde das Haus nämlich verlassen müssen, raus in die Sonne, um meine Afterbite-Vorräte aufzustocken, die gingen bedenklich zur Neige.