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Neuengland – gelobtes Land jenseits des Meeres

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Die neue Welt jenseits des Atlantiks hatte die Spanier, die Holländer, die Schweden und die Franzosen verlockt, dort Kolonien zu gründen. Die Engländer kamen erst spät. 1606 war das Jahr des Aufbruchs. Sir John Poham und Sir Fernando Gorges, Vertreter zweier Gruppen von Kaufleuten, erbaten und erhielten die Charten zur Gründung von Zwillingskompanien in Virginia. Bereits ein Jahr später schickte die London-Kompanie drei Schiffe über den Ozean, die am 26. April 1607 durch eine wunderbare Fügung Land fanden und in der Chesapeake-Bucht vor Anker gingen. Der an dieser Stelle ins Meer mündende Strom wurde zu Ehren von König Jakob I. James-River getauft. Von einer wohlüberlegten Vorbereitung einer so wichtigen Expedition konnte allerdings nicht im entferntesten die Rede sein. Sie führten Lebensmittel für nur 16 Wochen mit sich, sehr wenig Saatgut, kaum Geräte, um den Acker zu bebauen, und kein einziges Haustier. Reich waren sie nur an Edelleuten und armen Feldarbeitern. Keine einzige Frau war unter ihnen. Ein versiegeltes Kästchen mit den Weisungen der Kompanie enthielt genaueste Vorschriften darüber, wie die Zusammensetzung und der Wirkungskreis des Regierungsrates auszusehen habe. Außerdem wurden sie angewiesen, alle Flüsse hinaufzufahren, um einen Zugang zum großen Südozean zu finden. Offensichtlich hatte sich niemand darüber Gedanken gemacht, wie eine europäische Niederlassung in einem gänzlich »wilden« Land auszusehen habe und wie man die ersten Schritte erleichtern könne. Nicht einmal Tauschwaren für den Handel mit den Indianern gab es.

So also sah der erste englische Versuch aus, einen winzigen Teil Nordamerikas zu besiedeln. Die Virginier bauten ein kleines Fort und nannten es Jamestown. Zwietracht, Hunger, Moskitos, Indianerüberfälle und Sumpffieber dezimierten die 105 Kolonisten innerhalb eines Jahres auf ein Häufchen von 35 Männern. »Noch nie und in keinem anderen Land hatten Engländer derartiges Elend auszustehen«, wird einer von ihnen später schreiben. 5 ) Im September 1608 legte das zweite Schiff mit 70 neuen Einwanderern an, darunter zwei Frauen, den ersten, die den englischen Boden der Neuen Welt betraten.

Einige wichtige Daten und Ereignisse sind hier noch erwähnenswert. Mit den Einwanderern von 1610 war auch ein Mann gekommen, der sich John Rolfe nannte. Ein schwermütiger Mensch, 25 Jahre alt, der erst wenige Monate zuvor seine Frau verloren hatte. Er ließ sich am Rande von Jamestown nieder. All seine Sorgfalt wandte er einem Flecken Land zu, nicht größer als ein Gemüsegarten, auf dem er großblättrige Tabakpflanzen zog. Das Tabakrauchen hatten die Kolonisten von den Indianern übernommen, weil sie darin eine vorbeugende Maßnahme gegen das Sumpffieber sahen. John Rolfe war der erste Weiße, der Tabak anbaute. 1614 gingen Ballen von seiner dritten Ernte nach London. Und das Unglaubliche geschah: Binnen kurzem setzte sich sein Tabak gegen die vielen Sorten von den Antillen und aus Südamerika durch und wurde ein wirtschaftlicher Erfolg. Ab 1619 war der Tabak in Jamestown anerkanntes Zahlungsmittel, und von 1620 an gingen jährlich 100.000 Pfund von Rolfes mildem Kraut über den Ozean.

Ein anderes Ereignis von weittragender Bedeutung fiel in den August 1619. Da legte nämlich ein holländischer Zweimaster vor Jamestown an, verkaufte 20 afrikanische Neger als Sklaven und begründete die furchtbare Geschichte der Versklavung farbiger Menschen. Im selben Monat August scharten sich in der Kirche von Jamestown 22 Honoratioren zur ersten Gesetzgebenden Versammlung der Neuen Welt um den neuen Gouverneur George Yardely. Der Boden konnte von nun an als Privatbesitz erworben werden. 150 »ehrbare junge Frauenzimmer«, von ihren Verlobten mit Tabak bezahlt, waren angekommen. 1.200 englische Neueinwanderer überquerten nun jährlich den Atlantik und die Bevölkerungszahl von Virginia stieg auf 4.000 Seelen. Pflanzungen und Häuser entstanden an den Ufern des Potomac. Die Engländer bekamen die Dinge allmählich in den Griff.

Im selben Jahr brachen von der südenglischen Stadt Plymouth aus weitere Siedler auf, die Ostküste Amerikas für sich in Besitz zu nehmen. Ihr Schiff hieß »Mayflower«, und der Mann im Ausguck des Topmastes sichtete in der Frühe des 10. Novembers am Horizont den ersehnten Landstreifen. Die Pilgrim Fathers – die Pilgerväter – gelten allerdings, wie wir gesehen haben, zu Unrecht als diejenigen, die die erste ständige englische Niederlassung in Amerika gründeten. Auch ist ihr Name »Pilgerväter« erst später gebräuchlich geworden. Sie selbst nannten sich schlicht und bescheiden Heilige. Diese englischen Kongregationalisten wanderten zur freien Religionsausübung zuerst in die Niederlande, dann nach Amerika aus.

Der Gedanke, nach Amerika auszuwandern, hatte für sie manch Verführerisches, aber auch viel Abschreckendes. Vor allem fürchteten sie die indianischen Wilden, von denen sie viel Grausames gehört hatten. Ihnen bangte aber auch vor dem Klimawechsel und davor, hier Wasser trinken zu müssen. Als die »Mayflower« schließlich in einer geschützten Bucht von Cape Code vor Anker ging, verließen 102 Einwanderer, darunter 20 Frauen, Gefährtinnen der Heiligen, das Schiff. Indianer, auf die sie stießen, nahmen vor ihnen Reißaus. Weil sie kein Saatgut besaßen, plünderten sie indianische Gräber, die Behälter voll gelber, schwarzer und roter Maiskörner enthielten. Später folgten von England aus noch weitere Heilige und Strangers, wie die Pilgrim Fathers Angehörige der anglikanischen Kirche bezeichneten. Die Gemeinde vergrößerte sich zusehends, die Spannungen unter den Kolonisten auch. Andere Separatisten folgten, um sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten niederzulassen und ihre religiösen Ideen auszubreiten.

1629 wurde die erste Ziegelbrennerei in Salem errichtet. Zehn Jahre später nahm im gleichen Ort die erste Glashütte ihren Betrieb auf. 1630 wurde Boston gegründet. 1631 lief das erste Schiff – »The Blessing of the Bay« – auf dem Mystic-River vom Stapel. Cambridge besaß im Jahre 1640 die erste Druckerei. Neuamsterdam, 1629 von den Holländern gegründet, ging im Frieden von Breda 1667 im Tausch gegen Surinam an England über und wurde fortan New York genannt. Jamestown, die erste Stadt der englischen Siedler, verlor 1699 seine Stellung als Hauptstadt der Kolonie Virginia und trat sie an Williamsburg ab, das diese Funktion achtzig Jahre später an Richmond verlor.

Kein Zweifel: Neuengland wuchs und gewann mehr und mehr an Selbstbewußtsein gegenüber dem Mutterland. Aber trotz technischer Fortschritte mußten die Kolonisten noch lange leibliche und geistige Not leiden. Dort, wo sich eigentlich Fensterscheiben befinden sollten, waren die Häuser mit Holz- oder Ölpapierläden versehen. Fackeln stellten die Beleuchtung sicher. Gabeln und Teller waren unbekannt, letztere wurden durch »trenchers« ersetzt, rechteckige, ins Tischholz gehöhlte Doppelmulden, die zwei Personen zugleich dienten (woher übrigens der Ausdruck »trencher-fellows«, Busenfreunde, stammt). Kleidung wurde aus grobem Zeug angefertigt, und die Aufgabe der Gerichte bestand hauptsächlich darin, die Erhaltung der Sittenreinheit zu gewährleisten. Drakonische Gesetze mit harten Strafen wurden erlassen. Nichts war so undemokratisch wie die Mutterzelle der amerikanischen Demokratie.

Anne Bonny - Piratenkönigin der Karibik

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