Читать книгу Die Germanen - Frank Ausbüttel - Страница 14
1. Kimbern und Teutonen
ОглавлениеDie Kimbern und Teutonen waren die ersten Germanenstämme, mit denen die Römer Krieg führten. Allerdings erfolgte ihre ethnische Einordnung als Germanen erst in späterer Zeit. Während diese Zuordnung bei den Kimbern mehr oder weniger unumstritten ist, dürfte es sich bei den Teutonen eher um Gallier gehandelt haben. Ferner verschleiern die vorhandenen Berichte die eigentlichen Hintergründe der Auseinandersetzung. Die römischen Historiker waren vor allem an den Schlachten ihrer Feldherren mit diesen Barbarenvölkern interessiert und dramatisierten die Geschehnisse, indem sie den Kimbern und Teutonen unterstellten, dass sie beabsichtigt hätten, Rom einzunehmen, Italien zu verwüsten oder gar das Römische Reich zu vernichten. Mit derartigen Vorwürfen stilisierten sie beide Völker zur zweiten großen, existenzbedrohenden Gefahr für die Römer nach den Galliern, die 387 unter ihrem legendären Heerführer Brennus Rom eingenommen hatten.
Q
Gefahr der Kimbern und Teutonen
Plutarch, Marius 11,3 – 5
Es rückten 300.000 Kämpfer in voller Ausrüstung heran, während die Massen der Frauen und Kinder, die mit ihnen zogen, angeblich noch weit größer waren; sie suchten Land, das eine derartige Menschenmenge ernähren sollte, und Städte, in denen sie sich ansiedeln und leben könnten, so wie vor ihnen die Kelten – wie ihnen berichtet worden war – den besten Teil Italiens den Etruskern entrissen und selbst in Besitz genommen hatten. Da sie aber nicht mit anderen Völkern in Verbindung gestanden und ein weites Land durchzogen hatten, war nicht bekannt, um welche Menschen es sich handelte und woher sie kamen, als sie wie eine Wetterwolke über Gallien und Italien hereinbrachen. Wegen ihrer gewaltigen Körpergröße und der hellen Farbe ihrer Augen vermutetet man indes zumeist, dass sie zu den am nördlichen Ozean wohnenden germanischen Stämmen zählten, zumal die Germanen Räuber als „Kimbern“ bezeichnen.
(Übersetzung Goetz-Welwei I 237 – 239)
Es entspricht eher der Realität, die Züge der Kimbern und Teutonen in die Wanderbewegungen germanischer Stämme einzuordnen und damit in einen Migrationsprozess, dessen Komplexität sich dem heutigen Betrachter kaum noch erschließt. So waren gegen Ende des 3. Jahrhunderts die Bastarner in das Gebiet des Donaudeltas am Schwarzen Meer vorgedrungen. 179 überschritten sie die Donau um den Makedonenkönig Philipp V. (222 – 179) in seinem Kampf gegen die Dardaner in Thrakien zu unterstützen. Wie sein Nachfolger Perseus (179 – 168) wollte er sie zudem als Verbündete im Kampf gegen die Römer einsetzen. Nach wechselvollen Kämpfen mit den Dardanern zogen sich die Bastarner jedoch wieder zurück.
Grund für die Auswanderung
Die Kimbern stammten aus Jütland und Schleswig. Die Ambronen, die sich ihnen anschlossen, kamen ebenfalls aus dieser Gegend; denn der Name der Nordseeinsel Amrum wird mit ihrem Stammesnamen in Verbindung gebracht. Als Grund für die Auswanderung werden eine Klimaverschlechterung und damit verbundene Missernten oder eine Naturkatastrophe angenommen. So können Sturmfluten ihre Siedlungsverhältnisse verschlechtert haben.
Zusammenschluss mit anderen Stämmen
Höchstwahrscheinlich wanderte nicht der gesamte Stamm der Kimbern aus, sondern nur ein Teil, insbesondere die jüngere Bevölkerung, unter ihnen Frauen und Kinder. Ihre Habseligkeiten führten sie auf Ochsenkarren mit sich, sodass sich der Treck nur langsam fortbewegte; zudem bestimmte die tägliche Suche nach Nahrung, Futter und Wasser die Marschgeschwindigkeit und letztlich auch die Marschroute. Angesichts einer solchen Ausgangslage dürfte es nicht das vorrangige Ziel der Kimbern gewesen sein, irgendwelche Gegenden zu plündern und zu verwüsten, sondern sich irgendwo niederzulassen und als Gegenleistung für das zugewiesene Land ihre Dienste als „Söldner“ oder für andere Tätigkeiten anzubieten. Deshalb werden die Kimbern nicht einfach losgezogen sein, sondern vorher Kontakte zu den benachbarten Stämmen aufgenommen und Verhandlungen bezüglich einer Ansiedlung geführt haben.
Auf ihrer Wanderung schlossen sich den eigentlichen Initiatoren des Wanderprozesses die Mitglieder anderer germanischer und gallischer Stämme an, sodass sie unter dem Oberbegriff Kimbern einen heterogenen Stammesverband bildeten. Dies erklärt wiederum, warum sie keine zentrale, auf eine einzige Person zugeschnittene Führung besaßen, sondern mehrere „Könige“ über sie herrschten. Trotz ihrer heterogenen Struktur ist in den Kimbern und ihren Verbündeten keineswegs ein bunt zusammengewürfeltes und disziplinloses „Völkergemisch“ zu sehen. Wie den römischen Schlachtenberichten zu entnehmen ist, traten sie gut ausgerüstet auf und kämpften diszipliniert in Schlachtreihen, was auf Einflüsse der Gallier zurückzuführen ist, mit denen sie näher in Kontakt gekommen waren. Überhaupt dürften die Kimbern auf ihrer Wanderung zunehmend ihre germanische Identität verloren haben; denn in den von ihnen okkupierten Gebieten lassen sich so gut wie keine Funde nachweisen, die ihnen zugeschrieben werden könnten.
Um 120 zogen die Kimbern zunächst nach Böhmen. Welchen Weg sie dabei an der Elbe oder an der Oder entlang einschlugen, bleibt unklar. Von Böhmen ging ihr Zug weiter nach Pannonien in kroatisch-slowenisches Gebiet und von da nach Kärnten in das Stammland der Noriker. Offensichtlich übten die in diesen Gebieten verbreitete Oppida-Kultur der Gallier und deren Reichtum an Eisen und Gold eine große Anziehungskraft auf sie aus. Allerdings waren die Kimbern kaum in der Lage, die befestigten Städte zu erobern, sondern mussten darauf hoffen, von den jeweiligen Landesbewohnern freundlich aufgenommen zu werden, was aber offensichtlich nicht über einen längeren Zeitraum hinweg geschah.
Kämpfe mit den Römern
In Kärnten gerieten die Kimbern erstmalig in den Einflussbereich der Römer. Diese hatten zu Beginn des 2. Jahrhunderts in jahrzehntelangen Kämpfen die Gallier in Oberitalien, in der so genannten Gallia Cisalpina, unterworfen und nahezu ausgerottet. Ab 121 hatten die Römer zum Schutz der reichen Handelsstadt Massalia (Marseille) Südgallien unter der Bezeichnung Gallia Transalpina/Narbonensis in Besitz genommen. Als die Kimbern 113 in das Stammesgebiet der Noriker im heutigen Kärnten einwanderten, marschierte ihnen der Konsul Cnaeus Papirius Carbo mit seinen Truppen entgegen und griff in der Hoffnung auf einen leicht zu erringenden Sieg ihr Lager an, obwohl sich die Kimbern zuvor in Verhandlungen versöhnlich und kompromissbereit gezeigt hatten. Carbos Überraschungsangriff misslang vollständig, nur ein Unwetter bewahrte sein Heer vor der endgültigen Vernichtung.
Die Kimbern nutzten die Niederlage der Römer nicht aus, sondern zogen weiter nach Westen in Richtung Gallien. Ihr Verhalten zeigt, dass die Kimbern kein Interesse hatten sich im Römischen Reich niederzulassen. Viel wichtiger waren ihnen die Kontakte, die sie offensichtlich zu den Helvetiern besaßen, die damals im Südwesten Deutschlands beheimatet waren; denn in der Folgezeit schlossen sich ihnen die helvetischen Teilstämme der Tiguriner und Tougener an.
Um 110 ließen sich die Kimbern im Rhônetal nieder. Damals baten ihre Gesandten den römischen Senat um Wohnsitz und Ackerland. Darunter ist wohl kein Gesuch um Aufnahme ins Reichsgebiet zu verstehen, sondern eher das Bestreben, sich die neuen gallischen Besitzungen im Vorfeld der Provinz Gallia Narbonensis von den Römern bestätigen zu lassen. Da der Konsul Marcus Junius Silanus in ihnen eine Bedrohung sah, griff er sie an, musste sich aber geschlagen geben.
In den folgenden Jahren dehnten die Kimbern und die mit ihnen verbündeten Stämme ihren Einfluss in Zentralgallien aus. Die Tiguriner brachten 107 dem Heer des Konsuls Lucius Cassius Longinus eine schmachvolle Niederlage bei. Das mit Rom verbündete Tolosa (Toulouse) fiel zu den Kimbern ab. Die Römer boten nun erneut Truppen zum Schutz ihrer Provinz auf, aber ohne Erfolg. Der Legat Marcus Aurelius Scaurus geriet 105 nach der Niederlage seines Heeres bei Vienne in kimbrische Gefangenschaft. Der Konsul Cnaeus Mallius Maximus wollte daraufhin seine Truppen mit denen des Prokonsuls Quintus Servilius Caepio vereinen, um einer möglichen Bedrohung der Kimbern zuvorzukommen. Caepio gönnte ihm aber nicht den militärischen Erfolg und kam ihm daher zu spät zu Hilfe, nachdem er ein Friedensangebot der Kimbern abgelehnt hatte. Bei Arausio (Orange) musste Mallius eine empfindliche Niederlage gegen die Kimbern hinnehmen.
Da sie ausreichend Rückendeckung in ihrem Herrschaftsgebiet hatten, nutzten die Kimbern die Gelegenheit zu weiteren Feldzügen in Gallien aus. Einige ihrer Stammesangehörigen zogen damals sogar über die Pyrenäen bis in den Norden Spaniens, wo sie auf heftigen Widerstand der Keltiberer stießen. Im Norden Galliens wehrten sie die Belger ab. Allerdings schlossen sich den Kimbern 103 / 102 – ob erstmals oder erneut, bleibt unklar – die nordgallischen Teutonen im Gebiet von Rouen an.
Die andauernden militärischen Erfolge der Kimbern, die in erster Linie auf ein leichtsinniges Verhalten und unkoordiniertes Vorgehen der römischen Befehlshaber zurückzuführen waren, bewirkten in Rom einen Stimmungsumschwung. Der Konsul Caius Marius, der ein hohes Ansehen unter den Legionären genoss, übernahm jetzt den Oberbefehl in Gallien. Die Kimbern und Teutonen hatten inzwischen die Zielrichtung ihrer Vorstöße geändert. Da die Beutezüge nach Spanien und Nordgallien wenig erfolgreich verlaufen waren, beabsichtigten sie doch nach Süden in römisches Gebiet bis auf die Apenninhalbinsel vorzudringen. Allerdings teilten sie sich damals auf; die Teutonen und Ambronen zogen ohne die Kimbern das Rhônetal abwärts. An der Isèremündung griffen sie vergeblich das Lager des Marius an, der ihnen daraufhin nachsetzte und sie 102 in in zwei Schlachten bei Aquae Sextiae (Aix-en-Provence) besiegte. Durch diesen Sieg konnte er verhindern, dass sie die Alpen in Richtung Oberitalien überquerten.
E
Caius Marius (etwa 158 / 157 – 13. 01. 86 v. Chr.)
Obwohl er nicht aus einer der führenden Familien stammte, stieg Marius zu den höchsten Ämtern Roms auf. Nach seiner Statthalterschaft in Spanien 114 bis 113 nahm er von 108 bis 105 in Nordafrika an den Feldzügen gegen den Numiderfürsten Jugurtha teil. In dieser Zeit wurde er erstmals zum Konsul gewählt. Mit seinem Namen verbindet sich eine Heeresreform, mit der er die Legionen in kleinere Einheiten unterteilte, die Anforderungen an die Ausbildung der Soldaten erhöhte und auch besitzlose Bürger in sein Heer aufnahm. Obwohl in Rom die Wiederwahl zum Konsul verboten war, bekleidete er dieses Amt ohne Unterbrechung in der Zeit von 104 bis 100. Danach zog Marius sich aus der Politik zurück, beteiligte sich aber ab 90 an den politischen Machtkämpfen mit dem späteren Diktator Sulla, der ihm einst als Offizier gedient hatte.
Die Kimbern umgingen unterdessen die Alpen. Den Brenner werden sie mit ihren Ochsenkarren wohl schwerlich passiert haben; viel eher dürften sie über die ihnen schon bekannte Gegend im Osten der Alpen in den Nordosten Italiens eingedrungen sein. An der Etsch hatte allerdings der Konsul Quintus Lutatius Catulus bereits mit seinen Truppen Stellung bezogen und erwartete ihren Angriff. Die Kimbern stauten daraufhin das Wasser des Flusses und lenkten es gegen die feindlichen Stellungen. Catulus konnte sich jedoch mit seinen Soldaten noch rechtzeitig zurückziehen. Da eilte ihm Marius zu Hilfe, um noch nördlich des Pos den Vormarsch der Germanen aufzuhalten. Bei Vercellae – nicht das heutige Vercelli in Piemont, sondern ein Ort zwischen Rovigo und Ferrara – fügten die vereinten römischen Truppen den Kimbern 101 eine vernichtende Niederlage zu, von der sie sich nicht mehr erholen sollten. Insgesamt sollen bei Arausio und Vercellae 340.000 Kimbern und Teutonen gefallen und 150.000 in Gefangenschaft geraten sein.
Fortleben
Was aus den überlebenden Kimbern und Teutonen wurde, ist unbekannt. In der frühen Kaiserzeit existierte der Stamm der Kimbern weiterhin in seiner alten Heimat. Er schickte sogar eine Gesandtschaft an den Kaiser Augustus, die, nachdem sie ihm den heiligsten ihrer Kessel geschenkt hatte, um Freundschaft und Amnestie für die Untaten ihrer Vorfahren bat. Obwohl der Stamm der Kimbern damals ohne größere Bedeutung war, haben die Römer die Erinnerung an die Kämpfe mit ihnen und den Teutonen in der Folgezeit immer wieder propagandistisch genutzt. Für Tacitus stellte Carbos Niederlage den Beginn der wechselvollen Kämpfe in Germanien dar. Bereits Caesar diente der Hinweis auf die Bedrohung der Gallia Narbonensis durch die Kimbern und Teutonen auch als Vorwand, um gegen die Sueben des Germanenkönigs Ariovist vorzugehen.