Читать книгу Achtsamkeits - Yoga - Frank Boccio - Страница 13

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Kapitel zwei

Die Yoga-Praxis der Vier Edlen Wahrheiten

Nach seinem Erwachen war Buddha der Ansicht, dass er nicht versuchen sollte, andere in den Einsichten zu unterweisen, die er erkannt hatte, denn er empfand, dass der von ihm entdeckte Dharma „tief und schwer zu sehen, schwer zu entdecken … nicht durch Nachdenken zu erreichen und subtil ist“. Daher würde es für alle, die noch in ihren Anhaftungen gefangen waren, schwer sein, die Wahrheit des abhängigen Entstehens zu erkennen. Nach traditionellen Texten ersuchte der Gott Brahma Sahampati Buddha persönlich, den Menschen den Dharma zu lehren. Spätere Texte betonen jedoch das innere Ringen, das dieser Konflikt in Buddhas Leben darstellte. Schließlich entschied Buddha jedoch, dass einige Menschen stark genug litten, um nach einer Lösung der „Großen Frage von Leben und Tod“ zu suchen. Unter ihnen gäbe es sicherlich einige, die zur Einsicht fähig wären, obwohl es in der Tat sehr schwierig sein würde, den Dharma zu lehren und die meisten Menschen seine Lehren nicht verstehen könnten.

Die ersten Menschen, von denen Buddha glaubte, er könne sie den Dharma lehren, waren seine beiden Yoga-Lehrer, doch diese waren mittlerweile gestorben. Daraufhin entschloss er sich, die fünf Shramanas in Benares zu unterweisen, mit denen er sich den Großteil der sechs Jahre, die er anfangs auf dem Pfad verbrachte, in Askese geübt hatte. Sie hatten Buddha gemeinsam als Gruppe verlassen, nachdem er wieder angefangen hatte, zu essen und sich um seinen Körper zu kümmern, da sie fanden, dass er in die Sinnenfreude zurückgefallen war. Als sie ihn näher kommen sahen, waren sie deshalb nicht sehr erfreut und einigten sich darauf, ihm keine Ehrerbietung zu erweisen.

Doch sobald Buddha ihnen begegnete, waren sie so beeindruckt, dass sie sich erhoben, ihm einen Sitz herrichteten, Wasser, einen Schemel und ein Handtuch bereitlegten und sich vor ihm verneigten. Sie alle waren von seiner Ausstrahlung und tiefen Ruhe berührt. Dennoch fiel es ihnen schwer, seiner Erklärung Glauben zu schenken, dass er „die Todlosigkeit gefunden habe und vollständig erleuchtet wurde“, nachdem er die Selbstkasteiungen aufgegeben und sich unter den Bodhi-Baum gesetzt hatte. Auf ihren Skeptizismus erwiderte er schließlich, ob er sie jemals belogen habe. Die fünf mussten zugeben, dass dies nie der Fall gewesen war, und sie entschlossen sich, Buddha zuzuhören.

Was er dann berichtete, ist uns als eines der berühmtesten Sutras überliefert: Die erste Umdrehung des Dharma-Rades. In dieser Lehrrede beschreibt Buddha seine Erkenntnisse als den Mittleren Weg zwischen den Extremen der sinnlichen Vergnügungen und der Askese. Diesen Weg nannte er den „Edlen Achtfachen Pfad“. Er besteht aus vollkommener Ansicht (Verständnis), vollkommenem Denken (Absicht, Entschluss, Ziel, Streben, Motivation), vollkommener Rede, vollkommenem Handeln (ethisches Verhalten), vollkommener Lebensweise, vollkommenem Bemühen, vollkommener Achtsamkeit (Aufmerksamkeit) und vollkommener Konzentration (Meditation, Kontemplation).

Danach lehrte Buddha, was mit Recht seine zentrale Lehre genannt werden kann, mit der alle Schulen des Buddhismus, worin auch immer ihre Unterschiede bestehen, übereinstimmen: die Vier Edlen Wahrheiten. Und doch, das habe ich bereits erwähnt, basieren diese Wahrheiten auf dem diagnostischen Modell des Aryuveda, das auf die Veden zurückgeht. Es umfasst vier Abschnitte: (1) Diagnose, (2) Ätiologie (Lehre von den Krankheitsursachen), (3) Prognose und (4) Behandlung.

Am Anfang steht die Diagnose einer „Erkrankung“, die Buddha als Dukkha bezeichnete. Danach müssen die Ursachen der Krankheit, samudaya, bestimmt werden. Sobald die Diagnose abgeschlossen ist, muss der Arzt dem Patienten eine Prognose stellen, und in diesem Fall hat Buddha eine positive Prognose für unsere menschliche Grundsituation anzubieten: nirodha (Befreiung). Dukkha kann geheilt werden. Schließlich verordnet der Arzt eine Behandlung – Buddha schlägt den Achtfachen Pfad (Pali: magga; Skrt.: marga) zur Behandlung vor. Lassen Sie uns diese Edlen Wahrheiten etwas genauer betrachten, um herauszufinden, welche Bedeutung sie für unsere Yoga-Praxis haben.

Die erste Edle Wahrheit beschreibt Dukkha. Meist wird dieser Begriff aus dem Sanskrit mit „Leiden“ übersetzt, doch wenn wir hören, dass Buddha gesagt haben soll, „Alles Leben ist Leiden“, fühlen wir uns verständlicherweise etwas entmutigt. Wir wollen jedoch einen Blick auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes werfen, darauf, wie es in der Zeit Buddhas benutzt wurde. Dukkha heißt „schlechte“ oder „falsche Position“ und bezeichnete eine Achse, die vom Zentrum eines Rades abweicht. Sie war nicht zentriert, also buchstäblich in einer falschen Position. Wenn es sich dabei um das Rad eines Karrens handelt, können wir uns die holprige, uns irritierende Fahrt vorstellen, die wir darin unternehmen würden. Falls das Rad die Drehscheibe eines Töpfers ist, wäre es sehr schwierig, der Form, die wir hervorbringen wollen, eine schöne, ausgewogene Gestalt zu verleihen. Wenn wir jetzt an die Form unseres eigenen Lebens und unserer Gesellschaft denken, spüren wir vielleicht, dass Buddha uns auf etwas hinweisen wollte.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass das Leben für viele von uns immer wieder unausgewogen, aus dem Gleichgewicht gekommen und zumindest ein wenig unbefriedigend ist. „Leiden“ ist ein schweres Wort, und vielen von uns mag das Leiden nicht so allumfassend erscheinen. Doch wenn wir Dukkha im ursprünglichen Sinne verstehen, nämlich dass unser Leben nicht ganz im Gleichgewicht ist – dass etwas mit unserer Lebensweise und unseren Beziehungen zu anderen und zu unserer Umwelt nicht ausgewogen ist –, dann werden sicherlich nicht viele widersprechen. Selbstverständlich bezieht sich Dukkha auch auf alles, was wir normalerweise unter Leiden verstehen.

Dukkha kann uns als körperliches Ungleichgewicht entgegentreten. Alles, von einem leichten Unwohlsein im Magen, nachdem wir etwas gegessen haben, was uns nicht bekommen ist, über starke Zahnschmerzen oder ein gebrochenes Bein, über die unangenehme Kälte einer Winternacht bis zu den verheerenden Auswirkungen von Krebs und Herzkrankheiten ist Dukkha. Dukkha kann auch als geistiges Ungleichgewicht erscheinen, als Depression, Zorn, Einsamkeit oder eine der unzähligen Arten psychischer Schmerzen. Es kann die eindeutige Enttäuschung sein, die wir empfinden, wenn wir etwas nicht bekommen, womit wir gerechnet haben, oder aber wenn wir etwas bekommen, was wir lieber nicht hätten. Es kann aber auch das eher unterschwellige Gefühl einer existenziellen Leere sein, einer Entfremdung oder Angst, wie auch die deutliche Langeweile und Unzufriedenheit, die sich immer dann einstellen, wenn wir uns nicht ablenken.

In der Praxis des Achtsamkeits-Yoga, die ich später in diesem Buch vorstellen werde, kann Dukkha als Selbstkritik und Beurteilung erscheinen, mit der wir auf unsere Praxis reagieren, wenn wir in der Vorbeuge eigentlich tiefer gehen wollen oder länger im Kopfstand bleiben möchten – so wie die Frau auf der anderen Seite der Übungsraums! Dukkha ist auch die Angst davor, in die Rückbeuge zu gehen, oder der Ärger, wenn wir in einer Haltung das Gleichgewicht verlieren. Die Praxis der asanas ist so wunderbar, weil sie uns diese Herausforderungen stellt, denn in der Praxis der ersten Edlen Wahrheit müssen wir zuallererst erkennen, wo wir leiden – in unserem Körper, in unseren Beziehungen, in unserem Verhalten, in unserem Leben – und wie wir in einer bestimmten Weise leiden. Wenn wir mit dieser Wahrheit arbeiten, beginnen wir bereits, unsere Konditionierungen zu erkennen – die gewohnten Muster unseres Verhaltens und Denkens.

Buddha zufolge ist Dukkha, das nicht erkannt wird, oder, anders gesagt, unsere Unaufmerksamkeit gegenüber der Existenz von Dukkha ein noch schlimmerer Zustand, ein weitaus schlimmeres Dukkha als Dukkha selbst. Wie jeder gute Arzt müssen wir unser Dukkha identifizieren. Wir müssen wissen, was uns bedrängt und festnagelt. Sobald Dukkha auftaucht, versuchen wir meist, es zu ignorieren, oder aber wir maskieren es durch irgendeine Unterhaltung und Ablenkung oder versuchen, es mit Gewalt wegzudrängen. Auf dem Yoga-Weg erkennen, identifizieren und gestehen wir es uns mit Freundlichkeit und ohne Aggressionen ein. Wir müssen Dukkha anerkennen und würdigen. Immer wieder schämen wir uns, Dukkha zu erfahren – und fügen dem ursprünglichen Dukkha damit weiteres Dukkha hinzu; doch es gibt einen Grund, wieso Buddha von der Edlen Wahrheit des Dukkha sprach. Denn nur durch unser Dukkha, indem wir uns ihm öffnen, können wir beginnen, wirklich zu erwachen. Sobald Dukkha erkannt wird, müssen wir tief in seine wahre Natur schauen und seine Ursachen verstehen. Wenn wir sie verstanden haben, wird Dukkha bereits verwandelt sein.

Die zweite Edle Wahrheit befasst sich mit dem Entstehen von Dukkha. Eine verbreitete Interpretation der Lehre Buddhas besagt, dass Gier die Ursache von Dukkha sei. Gier steht üblicherweise an erster Stelle der Liste der Bedrängnisse (Pali: kilesas; Skrt.: kleshas), die außerdem Zorn, Angst, Stolz, falsche Ansichten und viele weitere Geisteszustände umfassen. Die zweite Edle Wahrheit ermutigt uns dazu, so klar wie möglich zu erkennen, was die Ursache des Dukkha unserer gelebten Erfahrung ist. In der Lehrrede über die vollkommene Ansicht (Sammaditthi-Sutta) bestärkt Buddha uns darin, unser Dukkha tief zu betrachten und herauszufinden, welche Arten von „Nahrung“ es entstehen lässt und weiterhin nährt.

Die erste und offensichtlichste Nahrung, die er erwähnt, sind Lebensmittel. Später werde ich etwas über die yogische Ernährungsweise sagen, doch an dieser Stelle mag es genügen, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Lebensmittel der Gesundheit des Körpers und der geistigen Zufriedenheit zuträglicher sind als andere; wir müssen wissen, welche dies sind. Die zweite Art von Nahrung setzt sich aus unseren verschiedenen Sinneseindrücken zusammen. Wir nehmen alle Sinneseindrücke durch unsere sechs Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nase, Zunge, Haut und Geist) auf, und diese Eindrücke stellen die Nahrung unseres Bewusstseins dar. Die dritte Art der Nahrung ist Absicht oder Wille und bildet die Basis all unserer Handlungen. Wir müssen unsere Absichten und unser Wollen betrachten, einschließlich unserer Absicht, Yoga, Meditation oder Achtsamkeit zu praktizieren, damit uns deutlich wird, ob sie uns in Richtung Freiheit und Glück oder in die Richtung von Dukkha führen. Wenn zum Beispiel unsere Motivation in der Praxis der Asanas darin besteht, „der Beste“ zu sein, überanstrengen und verletzen wir uns vielleicht und stärken unseren Stolz und Egoismus.

Das Bewusstsein ist die vierte Nahrung. Unser Bewusstsein setzt sich aus allen unseren vergangenen Handlungen sowie den vergangenen Handlungen unserer Vorfahren und der Gesellschaft zusammen.

Unser Bewusstsein erschafft unseren Körper, unseren Geist und unsere Welt. Im Dhammapada heißt es dazu:

Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:

Kommt aus getrübtem Geist dein Wort und dein Betragen,

so folgt dir Unheil (dukkha), wie dem Zugtier folgt der Wagen.

Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:

Entspringen reinem Geist dein Wort und deine Taten,

folgt das Glück (sukha) dir nach, unfehlbar wie dein Schatten.

Die Herausforderung der zweiten Edlen Wahrheit besteht darin, klar zu erkennen, dass unser Dukkha sich nicht wirklich von der Nahrung unterscheidet, die seine Ursache bildet. Wir selbst müssen begreifen – und nicht nur intellektuell verstehen –, dass Freiheit möglich ist, wenn wir einfach nur damit aufhören, die Nahrung zu uns zu nehmen, die die Ursache von Dukkha bildet. Sobald wir Dukkha deutlich erkennen und den Weg, der aus ihm herausführt, wirklich verstehen, entwickeln wir den starken Wunsch, seine Ursachen loszulassen. Wenn wir ganz deutlich begreifen, dass ein bestimmtes Denkmuster, ein Verhalten oder dass gewisse Lebensmittel unser Dukkha verursachen, so wie wir wissen, dass es Schmerzen verursacht, wenn wir ein heißes Schüreisen anfassen, werden wir diese Denkmuster, Verhaltensweisen oder Lebensmittel auf der Stelle loslassen – mit so wenig Bedauern und Konflikt, wie wir sie empfinden würden, wenn wir das heiße Schüreisen fallen ließen.

Wenn unsere Handlungen von Aufmerksamkeit begleitet werden, sind sie befreiend und kreativ. Sobald wir unachtsam sind, verwickeln wir uns in unsere Konditionierungen und bekannten Verhaltensmuster. Es sind diese konditionierten Handlungsmuster, die uns an den Kreislauf von Dukkha binden. In der Praxis der Asanas können wir anfangen, unsere Muster zu erkennen. Wenn wir tiefer in eine Beuge gehen und die Körperempfindungen intensiver werden – einfach nur, weil sie verschieden von denen sind, die wir kennen –, bemerken wir vielleicht, wie wir unsere Muskeln anspannen, den Atem anhalten und unser Geist sich in Abneigung verengt. Oder wir fangen an zu sehen, wie schnell wir angenehme Empfindungen festhalten, wie wir wollen, dass sie andauern, und wie wir darum ringen, sie zurückzugewinnen, nachdem sie verschwunden sind. All diese konditionierten Verhaltensmuster sind Ursachen von Dukkha, und in unserer Praxis können wir lernen, sie loszulassen.

Die dritte Edle Wahrheit besagt, dass die Überwindung oder Beendigung von Dukkha tatsächlich möglich ist. Selbstverständlich hilft es uns nicht weiter, dies einfach nur zu glauben. Diese Wahrheit (oder jede der Vier Edlen Wahrheiten) nur als Glaubenssatz anzunehmen, wäre so, als würden wir denken, dass es ausreicht, die Medizin, die der Arzt uns gegeben hat, einfach nur ins Regal zu stellen, anstatt sie auch zu nehmen! Die Herausforderung der dritten Wahrheit besteht darin, dass wir die Befreiung verwirklichen.

Wenn wir anfangen, mit der dritten Edlen Wahrheit zu arbeiten, besteht unser erster Schritt darin, ein Verständnis davon zu entwickeln, dass die Beendigung oder Eindämmung von Dukkha – und damit Wohlergehen (Sukha) – möglich ist. Wir müssen in der Lage sein, Dukkha zu erkennen, wenn es sich zeigt und uns an den wertvollen Gaben zu erfreuen, über die wir bereits verfügen. Thich Nhat Hanh erinnert uns daran, dass die dritte Edle Wahrheit uns sagen will, dass es nicht genügt, zu leiden. Wir sollten unsere gegenwärtige Situation tief betrachten und die Gründe für unser Glück, die bereits da sind, erkennen und sie dann unterstützen.

Obwohl Buddha die Wahrheit von Dukkha als erste Edle Wahrheit lehrte, handelt seine zentrale Lehre, die in der dritten Edlen Wahrheit zu finden ist, davon, „glücklich in den Dingen zu verweilen, so wie sie sind“ (drishta dharma sukha viharin). Glück ist möglich. Wenn wir die Dinge berühren, die Freude und Frieden bringen, werden wir erkennen, dass einfach nur zu sitzen, zu gehen, den Abwasch zu machen, dass einfach nur zu atmen ein Wunder ist, über das wir uns freuen sollten. Damit will ich jedoch nicht sagen, dass wir vor den unangenehmen Erfahrungen davonlaufen und nur die angenehmen begrüßen sollten. Wir sollten Buddhas eigener Praxis nacheifern und unserem Dukkha direkt ins Auge sehen.

Das führt uns in die tiefere Praxis der dritten Edlen Wahrheit: Wir wehren uns nicht mehr gegen unser Dukkha, wenn wir ihm direkt begegnen. Wenn wir versuchen, es wegzudrängen, genügt bereits unser Widerstand, um es stärker werden zu lassen. Stattdessen betrachten wir unser Dukkha, nehmen es an und erkennen so, dass Leiden und Glück nicht zwei sind. Dann wird unsere Freude wahrhaftige Freude sein und nicht einfach nur ein konditioniertes Reagieren auf die sich permanent ändernden Umstände.

In unserer Praxis der Asanas erhalten wir einen Geschmack der Befreiung, indem wir Dukkha loslassen und uns mit der Freude verbinden, die einfach gegenwärtig ist: die Freude, die darin liegt, einfach am Leben zu sein und in diesem Moment zu atmen. Wir können wirkliche Freude erfahren, die entsteht, wenn wir schließlich loslassen und unser Dukkha annehmen, anstatt so viel Energie mit dem Versuch zu verschwenden, es zu unterdrücken, zu verleugnen oder vor ihm weglaufen zu wollen. Glücklich in den Dingen zu verweilen, so wie sie sind, bedeutet auch, uns unseren Ängsten, unserer Traurigkeit und unseren Beurteilungen zu öffnen, ohne Widerstand in ihnen zu sein und uns ihretwegen nicht zu quälen. Ohne die Aggression gegen uns selbst zu richten, öffnen wir uns der gelebten Erfahrung des gegenwärtigen Moments, denn letztendlich handelt es sich immer um eine Aggression, die wir gegen uns selbst richten, wenn wir uns gegen irgendeinen Aspekt irgendeines Moments zur Wehr setzen. Dies ist eine Praxis der vorbehaltlosen Annahme und Nicht-Abwehr.

Die vierte Edle Wahrheit ist die äußerst pragmatische und kreative Antwort auf unser Dukkha. Sobald wir erkennen, dass dieser Pfad für uns der richtige ist, werden wir ihn praktizieren. Sobald wir die Freude der Befreiung von Dukkha berühren, werden wir diese Freiheit und diese Freude pflegen und nähren. Wenn ich an meine Dharma-Praxis denke, stelle ich mir keinen Pianisten vor, der Tonleitern übt. Ich denke viel eher an den Arzt, der Medizin praktiziert, oder an den Anwalt, der sich mit dem Recht befasst. Ihre Praxis ist eine Berufung. In dieser Weise kann auch unsere Yoga-Dharma-Praxis unsere Berufung sein. Die ursprüngliche Bedeutung von Berufung lautet, „seinen Ruf, seine Stimme [in der Welt] erklingen zu lassen“. Was für eine wunderbare Art und Weise, unsere Praxis zu betrachten! Wenn wir uns dieser Praxis widmen, lassen wir unsere Stimme in der Welt erklingen; wir legen unsere Werte und Absichten bezüglich unserer Beziehung zum Leben selbst dar. Das ist damit gemeint, dass unsere Praxis unser Leben ist.

Wenn wir die Vier Edlen Wahrheiten betrachten, werden wir das erkennen, was Buddha in folgende Worte fasste:

Jeder, der Dukkha sieht, sieht das Entstehen von Dukkha, die Beendigung von Dukkha und den Pfad, der zur Beendigung von Dukkha führt. Jeder, der das Entstehen von Dukkha sieht, sieht Dukkha, die Beendigung von Dukkha und den Pfad. Jeder, der die Beendigung von Dukkha sieht, sieht Dukkha, das Entstehen von Dukkha und den Pfad. Jeder, der den Pfad, der zur Beendigung von Dukkha führt, sieht, sieht Dukkha, das Entstehen von Dukkha und die Beendigung von Dukkha.

Wenn wir nur tief genug in eine dieser Wahrheiten blicken, sehen wir die anderen drei. Wir brauchen Dukkha, um den Pfad zu erkennen. Wenn wir uns von Dukkha abwenden, wenden wir uns von dem Pfad ab, der uns aus Dukkha herausführt. In dem Moment, in dem wir verstehen, wie unser Dukkha entstanden ist, sagt Buddha, befinden wir uns bereits auf dem Pfad der Befreiung. Aufmerksamkeit und Befreiung sind eng miteinander verknüpft. Deshalb sagt man auch, dass der Pfad bereits vollendet ist, sobald der erste Schritt auf ihn gesetzt wurde. Wir tun dies, Schritt für Schritt, Moment für Moment, einen Atemzug nach dem anderen.

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