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Vorwort

Mir ist sehr daran gelegen, mich über meine verschiedenen Interessengebiete auf dem Laufenden zu halten, insbesondere über die Yoga-Tradition, doch von den Hunderten von Publikationen, die jedes Jahr über meinen Schreibtisch wandern, finden nur wenige über längere Zeit mein Interesse. Ab und zu ist in der wöchentlichen Flut von Büchern und Manuskripten jedoch ein Werk, das sich zu lesen lohnt und mich fesseln kann. Frank Jude Boccios Achtsamkeits-Yoga gehört zu diesen Werken.

Aus zwei Gründen freue ich mich darüber. Erstens war es an der Zeit, dass ein Buch zu diesem wichtigen Thema erschien, und zweitens ist es ein Vergnügen gewesen, Frank Jude Boccio als Teilnehmer bei der ersten Lehrerausbildung des Yoga Research and Education Center, die 700 Stunden umfasste, zu erleben. Mit stiller Präsenz, unaufdringlichem Einsatz und durchdachten Anmerkungen leistete er einen wichtigen Beitrag zu unserem Programm, und ich habe ihn seither als einen liebevollen Dharma-Bruder schätzen gelernt. Sehr gerne komme ich seiner Bitte nach, dieses Vorwort zu schreiben.

Es scheint mir sinnvoll, das Vorwort zu einem solchen Buch mit einigen persönlichen Bemerkungen zu beginnen. Als ich mit 14 Jahren die unglaublich reiche Welt des Yoga entdeckte, wusste ich, dass ich meine spirituelle Heimat gefunden hatte. Drei oder vier Jahre später wurde mir klar, dass ich mein persönliches und professionelles Leben der Erforschung des uralten Erbes des Yoga widmen würde. Mit 19 schrieb ich mein erstes Buch – natürlich über Yoga –, und inzwischen habe viele weitere zu diesem und verwandten Themen verfasst. Damals lernte ich auch den Buddhismus kennen, der mich mit der eindrucksvollen Klarheit und Weitsicht des Buddhadharma beeindruckte. Seitdem hege ich großen Respekt vor Buddha und seinen Lehren. In meiner eigenen Praxis und in meinen Studien wendete ich mich jedoch dem Hindu-Yoga zu, da er einem angehenden Forscher/Schreiber/Praktizierenden wie mir zugänglicher zu sein schien.

In den frühen 70er Jahren, nachdem ich mich intensiv mit dem Hindu-Yoga befasst hatte, übersetzte ich einige Bücher über den Buddhismus aus dem Englischen ins Deutsche und umgekehrt. Doch erst 1994 hatte ich eine einschneidende Begegnung mit der Welt des buddhistischen Yoga – und zwar in Form der Theorie und Praxis des Vajrayana-Buddhismus. Seitdem habe ich viel über die Verbindung zwischen hinduistischer und buddhistischer Spiritualität nachgedacht, ein Aspekt, der auch im Zentrum von Boccios Werk steht.

In meinen Augen sind Hinduismus und Buddhismus nicht so sehr eine Religion, sondern große, auf dem indischen Subkontinent entstandene kulturelle Gebilde, deren Kern aus einer yogischen (spirituellen) Praxis besteht. So bezeichnet sich etwa der Vajrayana-Buddhismus explizit als eine Form des Yoga und nennt seine männlichen Schüler wie im Hinduismus yogins oder, auf Tibetisch, naljor. Die gegenwärtige Unterscheidung zwischen Yoga (der im Allgemeinen auf die Praxis der Haltungen reduziert wird) und Buddhismus ist demnach eine falsche und unkonstruktive Zweiteilung. Ohne dadurch die Unterschiede zwischen hinduistischer und buddhistischer Spiritualität zu verwischen, ist es sinnvoll, beide als „Yoga“ zu bezeichnen. Dies hat den Vorteil, auf die gemeinsame Grundlage beider Traditionen hinweisen zu können: nicht nur auf dem Gebiet der ethischen Praxis, sondern auch auf den höheren Stufen des Pfades. Es freut mich festzustellen, dass Frank Jude Boccio, buddhistischer Yoga-Praktizierender wie ich selbst, die gleiche Anschauung vertritt.

Seit mehr als 35 Jahren bemühe ich mich darum, Brücken zu bauen zwischen Indien und dem Westen – Brücken, die Gefährten aus dem Westen überqueren können, um einen besseren Zugang zu den wunderbaren Weisheitslehren Indiens zu erhalten. Nur wenige wissen, dass der Yoga bereits zur Zeit der alten Griechen die Gestade des Westens erreicht hat und der Zuzug indischer Weisheit nach Europa, Amerika, aber auch nach Australien und Neuseeland seit der richtungsweisenden Präsentation Swami Vivekanandas im „Parlament der Religionen“ 1893 in Chicago ständig größer geworden ist. Heutzutage haben wir das merkwürdige Phänomen, dass hoch qualifizierte westliche Lehrer der indischen Mittelschicht das Geschenk des Yoga zurückerstatten (zumindest in Form der Haltungen des Hatha-Yoga) – ein Zeichen des immer stärkeren Zusammenwachsens der beiden Hemisphären.

Im „Parlament der Religionen“ war mit den ehrenwerten Persönlichkeiten des feurigen Ceylonesen Anagarika Dharmapala, des japanischen Zen-Meisters Soyen Shaku und anderen auch der buddhistische Yoga vertreten. Übersetzt wurde Soyen Shaku von dem jungen D. T. Suzuki, der dazu ausersehen war, einer der spirituellen Helden Mitte des 20. Jahrhunderts zu werden. Beide Meister scharten anschließend eine beachtliche amerikanische Gefolgschaft um sich und legten so die Grundlage für die offene Aufnahme des tibetischen Buddhismus in Amerika und anderen westlichen Ländern, nachdem China Tibet 1950 besetzt hatte. Heute geht man davon aus, dass es allein in den USA zwei bis drei Millionen aktive Buddhisten und fünfzehn bis zwanzig Millionen Menschen gibt, die Yoga praktizieren. Was Letztere betrifft, so praktizieren die meisten Yoga als Gesundheits- und Fitness-Programm und nicht so sehr, um innerlich zu wachsen und sich spirituell zu entwickeln.

Es gibt jedoch eine ermutigende Entwicklung, Yoga ernsthafter zu betreiben, sozusagen als einen Lebensstil, der sich die hohen spirituellen Ideale der Selbst-Transzendierung und des spirituellen Erwachens zu Eigen macht. Yoga ist eine Disziplin der kraftvollen Transformation, die, wenn sie authentisch und mit der entsprechenden Hingabe praktiziert wird, schon auf der untersten Ebene – der Praxis der Haltungen, auf die sich die Mehrheit der westlichen Praktizierenden konzentriert – eine innere Verwandlung bewirken kann. Indem sie das parasympathische Nervensystem aktivieren, können die Haltungen des Hatha-Yoga (asanas), ihrer Aufgabe traditionsgemäß folgend, als Tor zu den spirituellen Seiten des yogischen Prozesses dienen. Sie machen Praktizierende mit der Erfahrung der Tiefenentspannung vertraut, von wo aus, insbesondere in Verbindung mit bewusstem Atmen, es nur ein kleiner Schritt in die Meditation ist. Der meditative Geist wiederum kann im Einzelnen sehr tiefgreifende Veränderungen des Selbstbildes und Weltverständnisses sowie der gesamten Beziehung zum Leben bewirken. Deshalb ist die Meditation das Herz fast aller yogischen Pfade.

Die großen yogischen Traditionen Indiens können als das kostbare Konzentrat von Jahrtausenden der Meditation und des spirituellen Bemühens betrachtet werden. Sie haben uns wirklich viel zu lehren, weshalb das genaue Studium (svadhyaya) der Yoga-Lehren schon immer ein wesentlicher Aspekt der Yoga-Praxis gewesen ist. Natürlich ist es möglich, sich selbst über einen langen Zeitraum durch eigene Versuche etwas beizubringen, aber wieso sollten wir es riskieren, enttäuscht zu sein und letztendlich zu scheitern, wenn wir vom Wissen und von der Weisheit früherer Praktizierender, deren Bemühungen Früchte getragen haben, profitieren können? Wenn wir uns auf unserer spirituellen Reise von Anfang an die große Bedeutung der „vollkommenen Ansicht“ bewusst machen, können wir uns viele Enttäuschungen ersparen. Wenn wir in eine unbekannte Stadt fahren, ist es sicherlich hilfreich, einen guten Straßenatlas zur Hand zu haben. Anfangs haben wir vielleicht noch nicht einmal eine genaue Vorstellung von unserem Ziel, da uns unsere tiefsten Empfindungen und Motive oftmals verborgen bleiben. Ein gewissenhaftes Studium der traditionellen Yoga-Lehren kann nicht nur unsere spirituelle Motivation wecken, sondern uns auch in die richtige Richtung weisen.

Frank Jude Boccios Achtsamkeits-Yoga ist solch ein wertvoller Straßenatlas, ein Studienführer für alle, die in das volle Potenzial des Yoga eintauchen und sich die inneren Quellen erschließen wollen, die notwendig sind, um ein sinnvolles und glückliches Leben zu führen. Achtsamkeits-Yoga ist auch der bewundernswerte Versuch, die jetzt noch künstlich getrennten Fraktionen des Hindu-Yoga und des buddhistischen Yoga in Ost und West zusammenzubringen. Dieses wichtige Praxishandbuch führt uns deutlich vor Augen, in wie vielen Bereichen sich beide Traditionen überschneiden, ohne die umfangreichen theoretischen und praktischen Unterschiede, die zweifelsohne bestehen, zu verwischen. Damit steht das Buch im sensiblen Zentrum eines ökumenischen, interreligiösen oder, wie ich es ausdrücken würde, „intertraditionellen“ Dialogs und trägt zum gegenseitigen Verständnis und zur Toleranz zwischen Hinduismus und Buddhismus bei. Dieses Buch ist so wertvoll, weil die Sicht des Autors auf der Sachkenntnis einer aufrichtigen persönlichen Praxis des buddhistischen Yoga (vor allem Achtsamkeits-Praxis) und des Hindu-Yoga (insbesondere Asana-Praxis und Atem-Übungen) beruht. Welche Konflikte zwischen diesen beiden großen yogischen Ansätzen sich Einzelne auch vorstellen mögen, Boccios Leben und seine Werke zeigen, dass es möglich ist, sie zu integrieren und von ihrer gemeinsamen Kraft zu profitieren.

Achtsamkeits-Yoga beseitigt eine ganze Reihe falscher Vorstellungen über buddhistischen und hinduistischen Yoga und enthält praktische Ratschläge für Praktizierende beider Traditionen. Indem er zeigt, dass Achtsamkeit auf alle yogischen Praktiken, auch auf die Haltungen des Hatha-Yoga, angewendet werden kann (und soll), hat Frank Jude Boccio mit Erfolg eine Brücke zwischen der „kopfbetonten“ Meditationspraxis und dem „körperfixierten“ Hatha-Yoga geschlagen. Er weiß, dass wir weder körperlose Geister sind, die über einem physischen Körper schweben, noch seelenlose materielle Maschinen, sondern uns in einer wunderbaren Dynamik zwischen beiden Ebenen der Wirklichkeit befinden. Es ist erfrischend, dass er in seine Überlegungen die weithin missverstandene, aber lebendige Dimension der Gefühle mit einbezieht. Weder das buddhistische noch das hinduistische Yoga wollen, wie so oft fälschlich behauptet wird, die Gefühle ausschalten und Praktizierende zu leblosen Robotern machen. Vielmehr zielen beide Traditionen darauf ab, den Geist zu befreien, einschließlich der Gefühle, indem sie den Betrachter in uns zum Leben erwecken. Mircea Eliade, der große Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, bemerkte in seinem grundlegenden Werk über den Yoga, dass die Idee des Betrachters Indiens größte Entdeckung sei. Ich stimme dem zu, möchte jedoch hinzufügen, dass die yogische Lehre vom Mitgefühl für alle Wesen mindestens genauso wichtig und zentral ist. Der Ruf nach Mitgefühl erklingt sowohl im Buddhismus als auch im Hinduismus.

Durch Boccios Buch zieht sich – manchmal ausdrücklich, manchmal eher im Hintergrund – das Thema des kreativen Zusammenspiels zwischen Betrachter (der in der Praxis der Achtsamkeit deutlich wird) und Mitgefühl. Das betrachtende Bewusstsein und ein mitfühlendes Herz sind Grundelemente aller integrierter Formen eines authentischen Yoga. Gemeinsam lassen sie uns ganz werden.

Abschließend sei gesagt, dass dieses Buch von Praktizierenden des Hatha-Yoga, insbesondere jenen, denen körperliche Fitness, Kraft und Schönheit allzu wichtig sind, und Praktizierenden des buddhistischen Yoga, vor allem, wenn sie sich in ihren Körpern und in der materiellen Welt unwohl fühlen, sorgfältig gelesen werden sollte. Eigentlich sollte Achtsamkeits-Yoga von jedem angehenden Yoga-Praktizierenden gelesen werden.

Georg Feuerstein, Ph. D.

Manton, Kalifornien

Herbst 2003

Achtsamkeits - Yoga

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