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Оглавление4 - Ein Käffchen im Garten
Am darauffolgenden Sonntagvormittag schien die Sonne prachtvoll und angenehm warm vom strahlendblauen Himmel. Die Stimmung nach dem gestrigen Frühstück hatte sich schon im Laufe des Tages wieder weitestgehend aufgehellt. Petra und ich hatten den Samstag mit den üblichen Erledigungen zugebracht, die an einem gewöhnlichen, aber wettertechnisch schönen Samstag bei uns anstanden. Wir hatten Zeit im Garten zugebracht. Wie in jedem Jahr, wurden die ersten warmen Tage ausgiebig genutzt, um den Garten jahresschön zu machen. Gut, die meisten Arbeiten hielten normalerweise kein ganzes Jahr, aber einige Dinge eben schon. Und die machten den Garten dann schön.
Nachdem wir ein paar Blumen für die Blumenbeete und ein paar Gemüsesamen für das Gemüsehochbeet ausgesucht hatten, war das maßgebliche Problem auf dem Parkplatz des von uns ausgesuchten Baumarktes, die alljährliche Regentonne im Auto zu verstauen. Ja, richtig, die alljährliche Regentonne. Aus Gründen schicksalhafter, größtenteils wohl göttlicher Fügung hatte bislang noch nie eine Regentonne länger als ein Jahr bei uns überlebt. Sei es, dass wir vergessen hatten, die Tonne vor dem ersten Frost zu leeren, oder dass wir an das Leeren gedacht hatten und sie uns beim ersten Sturm um die Ohren flog. Von welcher Seite man auch die Art des ›Unfalls‹ betrachten mochte, alle hatten eines gemeinsam: Petra und ich haben viel über das Werkstoffverhalten und die Belastbarkeit von Regentonnen gelernt. Es ist jedoch zu befürchten, dass unsere Experimente noch lange nicht am Ende sind. Ich muss gestehen, mich würde so manches Mal schon interessieren, was die Herren vom Sperrmüll so denken, wenn sie jedes Jahr eine grüne demolierte Regentonne bei uns abholen.
Nun, auf jeden Fall haben wir es auch diesmal wieder behände geschafft, dass grüne Ungetüm in unserem nicht allzu großen Fahrzeug zu verstauen. Für die gekauften Blumen wurde es dann zwar schon etwas eng, aber immerhin die Gemüsesamen fanden leicht Platz. Mit dem so beladenen Auto konnte es nach unserer Rückkehr problemlos in den Garten gehen. Das Blumenbeet wurde vom Unkraut gesäubert, ebenso das Gemüsehochbeet. Die Blumen wurden gepflanzt oder angesät, ebenso das Gemüse. Zu guter Letzt wurde noch der Rasen mitsamt seinen Kanten in einen elegant modischen Frühjahrsschnitt gebracht. Nach diesen ganzen Arbeiten inspizierten wir den vor einem Jahr gepflanzten Apfelbaum, der in der Vergangenheit einzig eine Brutstätte für Blattläuse gewesen war. Mit großer Zufriedenheit bezeugten Petra und ich die Zeugungsfähigkeit von gleich acht Marienkäfern zwischen den Blättern des Baumes. Dass die kleine Isabel im Laufe der Woche mit einer Freundin Marienkäfer vom nicht weit entfernten Feld zu unserem Apfelbaum ›beordert‹ hatte, trug eindeutig Früchte. Die Blattläuse waren vertilgt und die Käfer fett und lustvoll. Mit diesem zufriedenen Gedanken beendeten meine Frau und ich die erste große Gartenarbeitsaktion für dieses Jahr und ebenso zufrieden endete der etwas fahrig begonnene Samstag.
Heute, am wohl noch sonnigeren Sonntag, stand von alledem nichts auf dem Plan. Heute hieß es, die getane Arbeit von gestern zu genießen. Es war am späten Vormittag gegen halb Zwölf, als Petra und ich uns auf die Terrasse gesetzt hatten, um ein wenig das herrliche Wetter bei einer weiteren Tasse Kaffee ausgiebig auszunutzen. Petra hatte sich die Tageszeitungen von Samstag und Sonntag zurechtgelegt und studierte die Artikel. Ich hatte mir den einen oder anderen Werbeprospekt zu Hand genommen und überprüfte die für uns interessanten Angebote. Natürlich ließ ich auch den Werbeanzeiger des nahegelegenen Technikmarktes nicht außen vor, wohl wissend, dass ich mir den dort angebotenen Kram ohnehin nicht leisten konnte. Weder mit Arbeit, noch ohne.
»Was machen wir den heute?«, fragte mich meine Frau hinter der Zeitung. Es war unsere gängige Frage, wenn wir ohne Kind waren und es nichts mehr zu tun gab. Gartenarbeit war schließlich abgehakt. Heute stand Entspannung auf dem Plan.
»Weiß nicht«, erwiderte ich. »Auf alle Fälle nichts, was in irgendeiner Form etwas mit körperlicher Anstrengung zu tun hat. Ich muss gestehen, dass ich einen leichten Muskelkater verspüre.«
»Echt? Wo denn?«
»Überall.«
Petra sah kurz zu mir herüber, bevor sie sich wieder ihrer Zeitung zuwandte. »Wir werden wohl alt.«
»Ich denke, ein wenig faulenzen wäre mir heute ganz recht«, schlug ich vor. »Lass uns doch noch ein wenig an der frischen Luft sitzen und uns später auf das Sofa verkrümeln. Vielleicht einfach fernsehen, oder was spielen?«
»Ja, hört sich gut an.«
Ich begann wieder ein wenig interessierter in dem vor mir liegenden Technikprospekt zu blättern. Während ich die aktuellen Angebote der Fernseh- und Computerbranche studierte, trank ich vorsichtig an meinem noch recht heißen Kaffee. Als ich auf der Seite ankam, wo einige Grafikkarten und Heimserversysteme dargestellt waren, kam mir wieder der Gedanke, dass da ja noch eine Sache war, die ich mit Petra besprechen wollte. Zumindest wollte ich mal versuchen, es mit ihr zu besprechen.
»Duuuu, Schaaatz?«, sprach ich meine in ihre Zeitung vertiefte Frau vorsichtig an.
»Jaahaaaa?«, beäugte mich Petra ebenso vorsichtig. Sie war es nicht bewohnt, mit singendem Tonfall von mir angesprochen zu werden. Wenigstens nicht im Garten.
»Ich habe da mal über etwas nachgedacht und wollte das mal mit dir besprechen, wenn`s geht.«
»Klar geht das.« Petra faltete die Zeitung zusammen, legte diese beiseite und schaute mich fragend an.
»Also«, setzte ich an, während ich den Prospekt neben mich legte und meine Frau anschaute. »Ich hatte da kürzlich eine Idee, da wollte ich mal deine Reaktion zu haben.«
»Ich höre.«
»Wir hatten ja darüber gesprochen, dass ich mich als Self-Publisher selbstständig machen möchte.«
»Das weiß ich. Ich hatte ja auch schon gesagt, dass ich das für eine gute Idee halte.«
»Ich weiß. Darüber hinaus bewerbe ich mich natürlich weiter, da ich nicht davon ausgehen kann, als Autor das große Geld zu verdienen.«
»Ich bin im Bilde, Tobi.«
»Zum Thema des großen Geldes hatte ich jetzt noch eine Idee.«
»Oje«, erwiderte Petra und machte mir mit dieser Äußerung nicht gerade Mut.
»Im Grunde habe ich mir überlegt, ein wenig in die Zukunft zu investieren.«
»Oje«, war die wiederholte entmutigende Reaktion meiner Frau.
»Nun warte doch erst einmal ab«, versuchte ich schon zu Anfang meines kleinen ungeübten Vortrags, die negative Haltung meiner Gattin abzumildern. Ungeübt. Das war der verunsichernde Punkt. Ich hätte meine Argumente, von denen ich selbst nicht wusste, welche es waren, vorher üben sollen. Zu spät.
»Entschuldige«, erwiderte Petra. »Worum gehts denn?«
»Bitcoin-Mining«, warf ich beinah theatralisch das Wort über den Gartentisch. Leider erkannte ich in Petras Gesicht zunächst nur große Fragezeichen. »Unteranderem. Das ist zumindest ein Teil des Projektes.«
»Des Projektes?« Große Augen blickten mich an. »Was für ein Projekt?«
»Also, Folgendes«, begann ich nun meine Darstellung, der mir im Kopf herumschwirrenden Ideen. Jetzt galt es, mein ganzes vertriebliches Geschick einzubringen, gepaart mit dem mir angeborenen, unwiderstehlichen Charme.
»Bitcoin-Mining«, meine Hände beschworen gleich zu anfang Petras Einsicht, »das ist der neue Trend. Nein, das ist noch nicht einmal der richtige Begriff. Bitcoin-Mining ist die Zukunft, mein Schatz. Das ist quasi wie Gold schürfen im Wilden Westen. Nur ohne die rauchenden Colts und das Abschlachten von Indianern.« Das war vielleicht etwas zu viel. Ich hätte den Ball flacher halten sollen. Große Augen schauten mich an.
»Sehr beruhigend, aber was zum Henker ist Bitcoin-Mining?«
»Das ist quasi wie Gold schürfen.«
»Das hast du schon gesagt.«
»Ach ja, entschuldige, also, das ist die Zukunft.«
»Das hattest du auch schon«, kommentierte Petra und zog dabei eine Augenbraue hoch.
»Bitcoins sind sowas wie die Währung der Zukunft. Digital.«
»Ich versteh es immer noch nicht.«
»Also, Bitcoin-Mining ist eine Art Prozess, bei dem die Rechenleistung des Computers bezahlt wird. Die ganzen Zusammenhänge und wie das alles funktioniert sind recht kompliziert und ich will dich damit gar nicht langweilen.«
»Ach bitte, Tobi, langweile mich!«
»Wie gesagt, das ist schon alles ziemlich kompliziert. Um die Details nachvollziehen zu können, muss man schon ein IT-Profi sein.«
»Also mit anderen Worten, du hast es selbst nicht verstanden.«
»Nicht alle Details, aber der Vergleich mit Gold schürfen wird immer wieder betont.«
»Du möchtest also ein Projekt ins Leben rufen«, meine Frau zog jetzt auch die andere Augenbraue nach oben, »ohne zu wissen, worum es geht?«
»Ist das nicht der Kern eines jeden Projektes? Schau dir den Berliner Flughafen an, oder Stuttgart 21.«
»Bitte?«
»Vergiss es.« Ich legte den eigenen Einwurf kurzerhand beiseite. »Der Punkt beim Bitcoin-Mining ist der, dass man das auch privat Zuhause machen kann. Man braucht nur ein wenig Hardware und dann läuft das. Je höher die Rechenleistung, desto höher die Auszahlungen.« Das war ein Argument, was Petra doch verstehen musste. Man konnte doch hierbei gar nicht verlieren.
»Auszahlungen in Bitcoins, nehme ich an?«
»Ja, sicher, aber die sind in Euro umtauschbar.«
»Okay?«
»Ich weiß, du bist skeptisch, mein Schatz. Das kann ich auch gut verstehen. Aber im Grunde ist das eine neue Art, Geld zu drucken. Und je höher die Rechenkapazität ist, desto höher ist der Anteil an Geld, den man druckt. Faszinierend, oder?«
»Seltsam würde ich eher sagen. Aber das ist nur meine Meinung.« Petra schaute mir tief in die Augen und ihre Skepsis war fühlbar. »Was verdient man denn da so im Schnitt? Also wenn ich das richtig verstanden habe, verdient man mehr, wenn man mehr Rechenleistung zur Verfügung stellt. Mir stellt sich jetzt die Frage, wieviel Rechenleistung muss ich für welche Summe Verdienst bereitstellen?« Ich bemerkte, meine Frau hatte finanztechnisch knallhart mitgedacht.
»Nun, ich gebe zu«, räumte ich etwas widerwillig ein, »das muss ich noch klären.«
»Ja, vielleicht solltest du das mal tun, mein Schatz.«
»Mache ich natürlich. Aber was hälst du denn grundsätzlich von der Idee?«
»Grundsätzlich?« Petra holte tief Luft. »Also grundsätzlich stehe dem ganzen offen gegenüber.«
»Schön.«
»Nur mag ich nicht daran glauben, dass das alles so leicht ist, so simpel. Irgendwo ist doch bestimmt ein Haken.«
»Ich werde mich da noch näher informieren.«
»Das ist schonmal keine schlechte Idee.«
»Ich wollte nur mal mit dir abklären, was du so grundsätzlich von solchen Ideen hälst. Also, dass ich versuche noch andere Wege für den Erwerb von Einkommen zu sorgen?«
»Nun, mein Schatz«, Petra griff langsam wieder nach der Zeitung und nach dem beinah leergetrunkenen Kaffee, »wenn aus guten Ideen ein Erwerb von Einkommen hervorgeht, finde ich das ebenfalls gut. Aber vergiss bitte nicht, Geld ist auch nicht alles.«
»Ich weiß, aber ich will ja auch nicht alles Geld. Nur einen Teil.«
Petra hatte Ihren Kaffee ausgetrunken, genauso wie ich den meinen. Mit Kaffeetasse und Zeitung in der Hand erhob sich Petra, um langsam ins Haus und somit dem gemütlichen Teil auf dem Sofa entgegenzugehen.
»Um wieviel Uhr hast du morgen eigentlich das Vorstellungsgespräch?«
»Drei Uhr.«
»Das ist doch diese Vertriebsstelle bei diesem Ofenbauer, richtig?«
»Richtig«, antwortete ich mit einem leichten Anflug von Unwohlsein. »Bei der Thrane-Brem GmbH«, seufzte ich, »dem Bangladesch der deutschen Ofenbauer.«