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PROLOG

Die Salprobe

Ihre Vorgänger hatten es getan, und sie taten es auch. Man erwartete es von ihnen, also entsprachen sie der Erwartung, obwohl sie nichts ändern konnten. Auf das, worauf es ankam, hatten sie keinen Einfluss.

Sie waren zu viert und wurden empfangen wie Könige. Das war nicht nur schmeichelhaft, es entsprach auch dem Ritual und ihrer Stellung. Trotzdem fühlten sie sich unwohl. Sie waren dem Schicksal ausgeliefert, das sie spielen sollten.

Am Tor, das nur sie ohne strenge Kontrolle passieren durften, nahm sie der Sodmeister in Empfang. Den höchsten Beamten der Saline hatte Reyner Stolzfuß vorgeschlagen, und obwohl sie ihn gewählt und sich längst an Hans Boreken gewöhnt hatten, schauten sie bei jeder Probe auf Stolzfuß und prüften ihn auf seine Eignung zum Sündenbock.

»Alle Meister und alle Knechte, alle Sodkumpane und alle Solesieder, alle Höder und alle Söder begrüßen Euch Herren des Hohen Rates zur Salprobe«, rief Boreken, und die Ratsmusiker bliesen in die Langtrompeten. Bürgermeister Schelleper griff sich an die Stirn, seine empfindlichste Körperstelle.

»Wir müssen!«, spornte Friedrich Hogeherte seine Ratsgenossen an. Er und Nikolaus Gronehagen waren regierende Bürgermeister, bei Johannes Schelleper und Reyner Stolzfuß ruhte das Mandat.

Geführt von Hans Boreken und den beiden Barmeistern, den Polizeigewaltigen der Saline, begaben sich die vier Männer zum Sod. Der Sod schien ein gewöhnlicher Brunnen zu sein, aber was die Sodkumpane aus der Tiefe schöpften, war alles andere als gewöhnlich. Trotz des hohen Besuchs ruhte die Arbeit nicht.

Neben dem Sod befand sich der Abstieg zu den Stollen. Lüneburgs Schicksal wurde in der Unterwelt entschieden. Deshalb nahmen es die vier Bürgermeister auf sich, über eine Leiter hinabzusteigen.

Am Fuß der Leiter erwarteten sie die Fahrtknechte. Sie hatten Fackeln und leuchteten den hohen Herren auf ihrem Weg klaftertief in einen Gang hinein. Dort hatte der Sodmeister einen Tisch errichten lassen und ihn mit vier Stühlen umgeben. Der Tisch trug eine Decke, in die Motive aus der Heilsgeschichte gewirkt waren, und auf jedem Platz stand ein Bronzepokal.

Auch Hans Boreken und die Barmeister waren hinabgestiegen. Der Sodmeister bat die Bürgermeister zu Tisch, die Fahrtknechte stellten sich an den mit Eichenbohlen verschalten Wänden auf und illuminierten die Szene.

Friedrich Hogeherte, Nikolaus Gronehagen, Johannes Schelleper und Reyner Stolzfuß waren erfahrene Männer. Seit der letzten Ratswahl im Jahre 1431, also seit zwei Jahren, waren sie im Amt. Sie waren mehrmals hier unten gewesen, sie kannten das Zeremoniell. Eine Weinprobe wäre jedem von ihnen lieber gewesen, aber sie wussten, dass alles in ein paar Minuten vorbei sein würde.

Sodmeister Boreken ließ sich von den Barmeistern eine Holzkanne reichen, die schon bereitstand. Aus der Kanne füllte er die Pokale mit einer Flüssigkeit, die wie Wasser aussah. Es war auch Wasser, allerdings verriet der Salzgeruch, was es enthielt und was es so kostbar machte.

Die vier Bürgermeister hoben die Pokale und vertrauten sich in einem Trinkspruch Gott an. Jeder nahm einen herzhaften Schluck. Dann setzten sie die Pokale ab und stellten sie auf den Tisch zurück. Der Sodmeister, die Barmeister und die Fahrtknechte heuchelten Interesse, dabei kannten sie das Ergebnis schon. Die Bürgermeister schauten einander betroffen an. Sie wussten, in den nächsten Wochen würde Lüneburg weniger Salz verkaufen, würden weniger Münzen in den Kassen klingeln.

Die Sole war zu süß.

Lüneburger Totentanz

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