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2. Kapitel

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Unruhig wälzt sich Diego auf seiner Seite des Bettes hin und her. Das durch die bodentiefen Fenster hereinstrahlende Licht blendet ihn, aber so kann er besser den Körper des nackt neben ihm schlafenden Mädchens betrachten.

Wie heißt sie gleich? Angel?

Mit den Fingern streicht er über ihre Brust, erhebt sich dann und geht ins Bad. Er streckt sich und betrachtet sein Ebenbild in dem teuren Kristallspiegel. Gar nicht schlecht für einundvierzig, denkt er und streicht sich stolz über den flachen Bauch. Obwohl er schmal gebaut ist, gefällt ihm sein austrainierter Körper. Er tritt näher an den Spiegel heran, berührt den tiefen Ansatz seiner blonden mittellangen Haare. Ein blonder Mexikaner. Etwas, das die Leute verwundert innehalten lässt. Bei dem Gedanken daran, dass auch Angel ihm seine mittelamerikanische Herkunft vorhin bei ihrem kurzen präkoitalen Small Talk nicht glauben wollte, kichert er leise in sich hinein. Dann fährt seine Hand prüfend über das stoppelige Kinn. Es wäre mal wieder Zeit für eine Rasur.

Diego pinkelt, geht dann in das große Wohnzimmer und schaut auf die Lichter des Hafens von San Diego unter ihm. Beim Anblick von all den Schiffen wandern seine Gedanken zurück zur Alina, zu Antonio und Carlos. Vor allem aber denkt er an die verschwundenen fünfzehn Millionen. Und an Ernesto Avril, den Colonel.

Avril und er trafen sich ein paar Wochen zuvor in einem überteuerten mexikanischen Restaurant an La Jollas Goldküste. Außer ihnen saßen dort die gelangweilten Frauen reicher kalifornischer Steuerberater, Ärzte oder Anwälte gleich tischweise bei ihrer ersten Frozen Margarita des Tages. Oder einem Size-Zero-Evian. Der trostlose Anblick der aufgetakelten Damen wurde von einigen verlängerten Business Lunchs unterbrochen, bei denen sich Männer in handgefertigten Wildlederloafern zu tausend Dollar das Paar mit ihren Geschichten von Autos, Villen und zwanzigjährigen Mätressen zu übertrumpfen versuchten. Davon unbeeindruckt, in einem Separee an der rückwärtigen Wand, saß Diego im Gespräch mit einem mittelalten grauhaarigen Mann in Chinos und einem schwarzen Polohemd, unter dem sich ein drahtiger, gut erhaltener Körper abzeichnete. Es war ihr zweites Treffen, bei dem es nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie ging.

„Dreißig Millionen, wofür?“

„Für dreißig Mann.“ Mit kühlem Blick taxierte der Colonel Diego.

„Dreißig Mann also …“, wiederholte dieser gedehnt, während er die Hände vor sich auf dem Tisch faltete und mit einer Brücke seiner sich berührenden Daumen sachte auf das Holz klopfte. „Die bekomme ich an jeder Ecke zwischen Tijuana und Juarez für dreitausend.“

Der Colonel schürzte verächtlich die Lippen und fuhr sich mit der Hand über den sorgsam gestutzten grauen Schnurrbart. „Jungs bekommt ihr an jeder Ecke. Jungs mit rostigen Revolvern, zerkratzten AKs oder schartigen Messern. Die, die für ein paar Dollar meinen, alles tun zu können. Die dann aber sterben wie die Fliegen. Abfall.“

Gut genug, um sie zur Abschreckung an Brücken aufzuhängen oder ihre Köpfe auf Laternenpfahle zu pflanzen. Diego kannte die immer gleich klingenden Nachrichten aus dem mexikanischen Drogenkrieg zur Genüge.

„Meine Männer aber“, der Colonel machte eine Pause und fixierte Diego mit dem Blick seiner starren eisgrauen Augen, „meine Männer bekommt ihr nicht an jeder Ecke. Fünfzehn Mann. Marine-Spezialkräfte, Fuerzas Especiales. Ausgebildet bei unseren hoch entwickelten Freunden hier im Norden. Kampftechniken, Überlebenstraining, Ausrüstung, alles auf höchstem Niveau. Trainiert, um Leute wie euch effizient zur Strecke zu bringen.“

Ein kaltes Lächeln huschte über das ansonsten unbewegte Gesicht des Colonels. Diego war beeindruckt, ließ sich dies allerdings mit keinem Zucken seiner Mimik anmerken.

„Diese fünfzehn sind gut für ein paar Hundert Ihrer Jungs“, fuhr der Colonel fort. „Oder einer Kompanie von diesen Deserteuren, mit denen sich manch einer eurer Konkurrenten schmückt.“ Ein abfälliges Schnauben hatte seine letzten Worte begleitet. „Außerdem sind sie absolut vertrauenswürdig.“

Während er das sagte, schwenkte er die Eiswürfel in seinem Glas und trank den Rest mit einem Schluck.

„Dazu für die Sicherung auf US-Gebiet fünf ehemalige Navy-Seals, frisch von der Front. Ex-Irak, Ex-Afghanistan, Libyen, Jemen. Harte Jungs. Uns gegenüber und dem Geld, das wir ihnen zahlen, loyal.“

Seals? Jetzt konnte Diego seine Verwunderung nicht mehr länger verbergen. „Wie viel?“

„Keine Zahlen. Ich garantiere aber, dass keiner nur annähernd auf meinem Niveau bietet.“

Eine Million zu Beginn, danach siebzig- bis hunderttausend im Monat. Das war Avrils Angebot an die US-Soldaten.

„Das Komplettpaket liegt bei dreißig Millionen. Dazu dreißig Prozent vom Erlös ab US-Grenze.“

Diego stieß einen leisen Pfiff aus. Er kam sich vor wie ein Kind, das über Nacht im Toys’R’Us eingeschlossen wird. „Da sollten sie loyal sein.“

„Das sind sie! Zu den zwanzig vor Ort erhalten Sie weitere zehn Männer unserer Einheiten aus Tijuana. Fünf bleiben in meinem Team, zuständig für die Kommunikation.“

„Die da wäre?“

„Informationen über die Grenzaufklärung auf unserer und US-Seite. In Echtzeit. Wenn die in Fort Blizz einen Helikopter starten, haben Sie das zwei Minuten später auf den Monitoren. Dazu erhalten Sie Einblick in die Aktivitäten Ihrer Mitbewerber. Wenn wir ein neues Safe House oder einen LKW voller Kokain von denen auf dem Schirm haben - bitte, bedienen Sie sich.“

Diego gab sein mühsam beherrschtes Pokerface auf und grinste nun breit. Er war sich mittlerweile sicher, dass der Colonel seinen Preis wert war.

„Fünf Männer schicke ich außerdem samt Equipment zu Ihnen.“

„Equipment?“

„Eine Hybriddrohne samt dazugehöriger Steuerungseinheit. Vollständig ausgerüstet und bewaffnet. Dazu das kleine Boot.“

Das kleine Boot. Diego hob, begleitet von einem stummen Lachen, den Daumen. Ein unbemanntes Mini-U-Boot, Reichweite fünftausend Kilometer, Traglast eineinhalb Tonnen. Ausreichend, um innerhalb von zehn Tagen dieselbe Menge an Kokain von ihrem Stützpunkt im Süden Kolumbiens zu einem Hafen im Golf von Kalifornien zu transportieren. Seinen Gedankengang erahnend fuhr der Colonel fort.

„Ihr bringt die Ware auf eure Haziendas, fliegt sie von dort mit der Drohne rüber. Ganz einfach. Ihr benötigt in Mexiko keine Armee zum Schutz, auch keine Schmuggellogistik, keine Wartezeiten an der Grenze, kein Gefilze und keine Beschlagnahme.“

„Und Zoll, DEA, Heimatschutz?“

Erneut erntete er ein verächtliches Schnauben: „Wie gesagt, dafür garantiert mein Team. Es sollte sich immer ein Türchen finden, durch das ihr den kleinen Flieger schicken könnt. Ihr habt euch sicherlich über mich und mein Angebot erkundigt.“

Und ob sie das getan hatten. Carlos hatte mithilfe seiner Computernerds innerhalb von zwei Wochen einen umfassenden Hintergrundcheck des Offiziers durchgeführt.

Ernesto Avril, zweiundfünfzig Jahre alt, ledig, keine Kinder. Colonel bei den Seestreitkräften Mexikos, hochdekoriert, diverse Trainings bei Einsatzkräften des US-Northern Command in Colorado, Verbindungsoffizier mit exzellenten Kontakten zu DEA und FBI, Ausbildungsleiter der Marine-Spezialkräfte in Veracruz und Manzanillo, zuletzt Kommandant der Grenzüberwachung in Tijuana. Keiner Partei zugehörig, keinerlei Anzeichen von Korruption oder Verwicklung in kriminelle Organisationen. Frauen, Männer, Spiele oder Drogen? Fehlanzeige. Kurz: keine Leichen im Keller. Der perfekte Mann für ihr Projekt.

„Lassen Sie die anderen mit ihren Söldnern aufeinander einhacken und all die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie brauchen das nicht. Meine Männer und vollkommene Überlegenheit hier“, dabei tippte sich der Colonel mit dem Finger an die Schläfe, „sind alles, was zählt. Nach Eingang der Anzahlung präsentieren wir. Wie besprochen.“

„Sie ist bereits auf dem Weg.“

Diego hob nickend sein Glas mit bernsteinfarbenem Mescal: „Salut!“

Tja, da war noch alles in Ordnung.

Wütend ballt er die Faust, schlägt ins Kissen. Erschrocken wacht das Mädchen an seiner Seite auf.

Que? Komm, geh duschen. Ich will allein sein!“ Er gibt ihr einen Klaps und schiebt sie aus dem Bett.

Die Kleine zieht einen Schmollmund, fügt sich aber, steht auf und sammelt ihre Sachen zusammen. Dann verschwindet sie im Bad.

Als sie zehn Minuten später das bereitgelegte Geld von der Anrichte neben der Tür nimmt und das Penthouse verlässt, ist Diego bereits wieder eingeschlafen.

Borderline

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