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Fred Beyer, 29. Mai 1942, Russland

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Der Plan der Deutschen hatte funktioniert. Die Panzerkompanie hatte im Verbund mit einem Infanteriebataillon mit knapp 300 Soldaten Stellungen in einem Waldgebiet südlich und westlich von Jelna bezogen. Eine motorisierte und mit knapp 20 Panzern II ausgerüstete Einheit sollte von Westen her auf die russischen Kavallerietruppen vorstoßen. Diese leichten und schnellen Fahrzeuge konnten wegen ihrer klaren Unterlegenheit an der Front nicht mehr eingesetzt werden, aber für Einsätze im Hinterland waren sie durchaus noch geeignet. Ihnen, und einer deutschen SS-Kavallerie-Brigade sollte die Aufgabe zukommen, die russischen Einheiten von Westen her auf die südlichen deutschen Positionen hinzutreiben, wo die Panzer standen, und damit einen Kessel zu bilden, der im Osten und Norden durch andere Truppen geschlossen werden würde. Die Aufklärung hatte gemeldet, dass es sich beim Gegner ausschließlich um Reitertruppen in einer Stärke von geschätzt 300 Mann handeln würde, die in den vergangenen Tagen etliche kleinere Dörfer angegriffen, und die dort befindlichen deutschen Sicherungskräfte liquidiert hatten.

Die deutschen Panzer hatten ihre Kampfsätze aufgefüllt, aber diesmal überwiegend Sprenggranaten in den Munitionsbehältern verstaut, und die MG-Munition auf fast 3.200 Schuss 7,92 Millimeter Patronen ergänzt. Die Kampffahrzeuge trugen ein gelb-braun-grünes Tarnmuster und zusätzlich waren noch mit Laub versehene Äste an ihnen festgemacht worden. Der Abstand zwischen den Panzern betrug ungefähr 100 Meter, damit war ein breites Schussfeld für alle möglich. Zwischen den Panzern hatte ein dünner Infanterieschleier mit MG 34 Stellung bezogen. Man war davon ausgegangen, dass die Kavallerie in breiter Front vorgehen würde, und dass das konzentrische Feuer aus den Kampfwagenkanonen und den MG für erhebliche Verluste sorgen würde. Vor einigen Minuten war ein Funkspruch eingegangen, dass die Operation begonnen hätte und die deutschen Einheiten westlich von Jelna angetreten wären. Fred Beyer ragte aus dem Turm und beobachtete mit dem Fernglas die Gegend. Er wusste, dass in der nächsten Zeit noch nichts passieren würde, da die gegnerischen Einheiten noch mindestens 20 Kilometer entfernt waren. Ein Aufklärungsflugzeug vom Typ FW 189 würde ständig Kontakt mit den Kavallerieeinheiten halten und fortlaufend deren Position an die deutschen Truppen melden, so dass sich diese vorbereiten konnten. Die Maschine war zwar mit 360 Kilometern pro Stunde nicht sonderlich schnell, aber ausgesprochen wendig und verfügte über eine wirksame Abwehrbewaffnung, so dass sie relativ unbedrängt über dem Gebiet operieren konnte. Jetzt würde es darauf ankommen, dass die schnellen deutschen Truppen die Russen so unter Druck setzten, dass diese sich in Richtung der Stellungen der Panzer und Infanterie absetzen würden. Bergner gab fortlaufend Lagemeldungen an Beyer wieder und dann wurde klar, dass die Reitereinheiten in die gestellte Falle tappen würden.

Die Panzer II und die deutschen Reiter drängten die Russen direkt auf die Stellungen der Panzer zu. Häber hatte bereits eine Sprenggranate 34 geladen und Fred Beyer wusste, dass die 13 Fahrzeuge der Kompanie eine verheerende Feuerwirkung auf die ungeschützten Ziele entwickeln würden. Als er die ersten Reitergruppen in zirka 300 Meter Entfernung durch die Winkelspiegel des Turmluks erkannte und der Kompaniechef den Feuerbefehl erteilte, gab er Lahmann einen Richtungshinweis auf 11 Uhr, und dieser visierte nur grob an und schoss dann. Fast zeitgleich donnerten die Kanonen der anderen Fahrzeuge los. Zwischen den dichten Reihen der Kavallerieformation sprangen Explosionen auf. Die in Bodenhöhe über das Gelände fegenden glühenden Splitter rissen den Pferden die Beine ab oder deren Leiber auf, die Pferde stürzten, und ihre Reiter gingen zu Boden. Die nachdrängenden Pferde konnten von den Kavalleristen nicht mehr schnell genug gezügelt werden und preschten in die am Boden liegenden Tiere und Menschen hinein. Die Panzer hatten nachgeladen und die nächsten Granaten gingen zwischen der immer noch vorwärtsstürmenden Menge hoch. Jetzt eröffneten die MG auch noch das Feuer, und ganze Reihen von Pferden und Männern wurden von den Geschossen getroffen und schlugen auf der Erde auf. Erst jetzt hatten die hinteren Reihen der russischen Kavallerie richtig erfasst, dass sie direkt auf eine Feuerwand zuritten, und versuchten abzudrehen. Aber auch bei ihnen schlugen weitere Sprenggranaten ein. Der Weg nach Westen war ihnen versperrt, von dort kamen die Panzer II schnell näher. Es blieb nur der Weg nach der scheinbar freien östlichen Richtung übrig, aber auch dort standen deutsche Truppen, die sie ebenfalls mit heftigem Feuer empfangen würden. Von der ehemals recht großen russischen Einheit waren nur noch wenige Pferde auf den Beinen geblieben, einer Gruppe von vielleicht 30 Reitern gelang es im Galopp aus der Schussweite der Deutschen zu gelangen.

Das Ganze hatte keine zwei Minuten gedauert. Fred Beyer öffnete die Luke und schaute auf das Gelände vor ihrem Panzer. Es war nicht nur der grauenvolle Anblick der ihn zusammenzucken ließ, sondern eine Geräuschkulisse, die er trotz des aufgesetzten Kopfhörers vernehmen konnte. Auf dem Feld lagen ganze Haufen von toten oder verletzten Pferden und Reitern. Dort, wo die Granaten explodiert waren, hatten sich regelrechte Leichenberge gebildet. Vielen der Pferde waren Beine abgetrennt worden, aber sie lebten noch, und versuchten mit qualvollem Wiehern aufzustehen, kippten aber immer wieder um. Einige liefen taumelnd umher und zogen die aus den aufgerissenen Bäuchen heraushängenden Eingeweide hinter sich her. Unverletzte Tiere waren wieder auf die Beine gekommen und liefen ziellos in diesem Chaos umher. Zwischen diesen verstörenden Lauten, die die Pferde von sich gaben, hörte Beyer noch das Brüllen und Hilferufen der verwundeten Soldaten. Bei den Gefechten, die er bislang erlebt hatte, war es nach dem Kampf meist relativ ruhig gewesen. Natürlich hatten die Verwundeten auch ihre Qual herausgeschrien, aber diese unwirklich erscheinende Vermischung von tierischen und menschlichen Schmerzenslauten erschütterte ihn schon.

Die Infanterie hatte sich aus ihren Deckungen erhoben und würde jetzt das blutige Werk vollenden müssen. Beyer beneidete die Männer nicht darum. Er sah, wie die Soldaten mit schussbereiten Karabinern immer noch vorsichtig vorgingen, und sich dem Kampfgebiet näherten. Nur einige wenige der unverletzt gebliebenen Russen waren zwischen den Toten und schwerer Verwundeten aufgestanden und hatten die Arme gehoben. Die deutschen Infanteristen winkten sie heran und schickten sie dann in Richtung der Panzer. Beyer hörte erste Schüsse peitschen. Die Soldaten erschossen die noch lebenden Pferde und die verwundeten russischen Soldaten. Die Linie der Infanteristen arbeitete sich immer weiter durch die Berge an Pferden und am Boden liegenden Menschen durch. Immer wieder hoben die Männer ihre Karabiner und gaben Schüsse ab. Über Funk kam der Befehl „Gefechtsbereitschaft aufgehoben“. Beyer und seine Männer stiegen aus.

„Das war kein Kampf, das war ein Gemetzel“ sagte Lahmann bedrückt „die waren doch vollkommen ohne Chance. Mit Panzern gegen Pferde.“

„Die haben nicht gewusst was sie erwartet“ warf Müller ein „die müssen absolut überrascht gewesen sein. Und die Sprenggranaten haben in diesem dichten Pulk eine furchtbare Wirkung gehabt.“

„Jetzt hört mal auf mit dieser Gefühlsduselei“ sagte Beyer verärgert „ihr habt gehört, was diese Leute in den drei Dörfern mit unseren Soldaten angestellt haben. Ich will jetzt nicht auf diese Grausamkeiten eingehen, denn wir haben Krieg. Und unseren Auftrag solltet ihr wohl genau kennen. Und der heißt, den Feind zu schlagen. Oder würdet ihr euch lieber von einem Kosakensäbel den Schädel spalten lassen?“

Die anderen schwiegen betreten. Dennoch empfanden sie keine Genugtuung, den Gegner so furchtbar dezimiert zu haben. Alle hatten irgendwie das Gefühl, dass der Kampf unfair gewesen war, und es blieb trotz des Erfolges ein schales Gefühl zurück.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 6

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