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Beim Totenbeschwörer

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»All unser Übel kommt daher,dass wir nicht allein sein können.«

Gollum

Weeno, der mächtigste Zauberer von Ostland, sah ratlos hinab. Ein fröhliches Kind umklammerte sei­ne Beine, es war ein zutiefst unbehagliches Gefühl.

Die kindliche Schraubzwinge frug hoffnungsvoll: »Ab jetzt wirst du für mich da sein, nicht wahr, Großvater, nicht wahr?«.

»Ich weiß, wie man Kreaturen aus der Unterwelt beschwört, wie man Veganer in leichenfressende Ghouls ver­wandelt und ich kann aus Religionslehrerinnen dienstbare Imps machen. Aber von Kinder­erziehung habe ich nicht den blassesten Schimmer!«, bekannte Weeno der Mächtige.

»Den hatte Tante Ebru auch nicht, als sie mich aufnahm!«, sagte Heidi und im selben Atemzug: »Ich will sehen, was du drinnen hast, im Turm!«

Weeno der Mächtige versuchte zu antworten: »Äh, ich weiß nicht, ob -äh- das, was du sehen wirst für -äh- Kinder geeignet …«, aber noch bevor er sein Gestammel beenden konnte, rannte Heidi bereits freudig die gewundene Stein­treppe hinauf und betrat den Evokationsraum. Weeno folgte ihr, nachdem er ihre Kleidung und ihren Koffer aufgenommen hatte. (Ebru deponierte beides kurz vor ihrer Flucht neben der Eingangstür.)

»Die kommen hier in die Truhe«, sagte er und legte Heidis Kleider beiseite.

Heidi befand sich in einem dunklen Raum voller fremd­artiger Utensilien, wundersamer Kreaturen in kleinen Käfigen sowie Götzenbilder und Symbolen an den Wänden. Das Mädchen wirkte so deplatziert wie ein Oger in einem Buchclub.

»Was ist in den Flaschen hier?«, frug Heidi und deutete auf ein Regal mit Glasphiolen, in denen sich verschiedenfarbige Flüssigkeiten befanden. Während in dem ganzen Raum das blanke Chaos herrsch­te, war dieses spezielle Wandregal ordentlich aufgeräumt, die Phiolen sauber beschriftet, alles war ab­gestaubt und frei von Spinnweben.

Rasch antwortete der Zauberer: »Bitte fasse diese Flaschen nicht an! Sie … beinhalten … Erinnerungen an ein vergangenes Leben.« Heidi sah, wie ihr Großvater betrübt dreinblickte, auch wenn sie da­mals den Grund dafür nicht kannte.

Schnell wechselte sie das Thema: »Wo werde ich schlafen, Großvater?«

»Ich werde für dich ein … GEH SOFORT RAUS AUS DEM BESCHWÖRUNGSKREIS!«, rief Weeno der Mächtige unvermittelt 2 . Heidi stellte fest, dass sie in der Mitte eines 19zackigen Sterns stand, der auf dem Boden mit Zie­genblut gezeichnet worden war.

Um der Aufforderung ihres Großvaters nachzukommen, stellte sie sich in einen mit blauer Kreide gezeichneten fünf­zackigen Stern, der sich am hinteren Ende des Raumes direkt vor einem der Turmfenster befand, verschränkte trot­zig ihre Arme und sagte dabei: »Hier will ich schlafen!«

»Warum auch nicht? Ich werde dir hier ein Bett aufstellen. Ich denke, das Pentagramm vor dem Fenster ist vermutlich der sicherste Ort hier im Turm …«, antwortete Weeno der Mächtige, der sich ironischerweise kurz vor einer Ohn-Macht befand. (Er kannte orkische Warlords, die besser für den Job einer Nanny geeignet waren als er …)

Für Heidi war Sicherheit allerdings zweitrangig, ihr war es am wichtigsten, dass sie aus der Turmöffnung den wunderschönen Mischwald überblicken konnte. Sie verweilte noch eine Weile vor dem Fenster, erfreute sich an dem An­blick des Mitternachtsforstes und überlegte sich, auf wel­chen Baum sie zuerst klettern wolle, aber nach einiger Zeit wurden ihre Träumereien von der Stimme ihres Großvaters unterbrochen.

»Es wird Zeit, etwas zu essen«, schlug Weeno vor. In ihrem Eifer war Heidi noch nicht die orale Einnahme von Nahrungsmitteln in den Sinn gekommen, obwohl sie zum Frühstück nur ein Stück Brot und eine Tasse mit lauwarmer Butterbrühe von ihrer Tante Ebru bekommen hatte. In Heidis Magen begann es, leicht zu grummeln.

»Ja, ich mein’ es auch.«

Der Alte schob einen großen Kessel beiseite und zog einen kleinen an einer Kette hervor. Er nahm auf einen Hocker Platz und entzündete ein Feuer unter dem kupfernen Kessel.

»Siehst du den großen Kessel da drüben?«, frug er das Kind.

»Ja, den sehe ich!«, antwortete das Kind.

Daraufhin sagte der Alte: »In diesem Kessel sperrte ich einst das Böse aus den Herzen der Menschen ein. Ihre Über­heblichkeit. Ihre Aggressivität. Ihre Selbstgerechtigkeit. Ihren grenzenlosen Hass. Sowie ihr Unverständnis gegen­über der Natur. (Hin und wieder lasse ich das Böse wieder frei …)«

»Und was ist in dem kleinen Kessel auf dem Feuer?«

»Suppe.«

2Er erinnerte sich mit Schrecken daran, was seinem Freund »Sethius dem Voreiligen« widerfuhr: Der unglückse­lige Sethius stand versehentlich in seinem Beschwörungskreis, während sich eine Dämonenfliege aus der Niederhölle materialisierte. Bekanntlich können zwei Lebewesen niemals zur gleichen Zeit denselben Raum einnehmen ohne dabei zu einer Abscheulich­keit zu verschmelzen …

Der Nekromant und das Mädchen

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