Читать книгу Globaler Klimawandel aus ökonomischer Perspektive - Frank Hubert - Страница 5
Vorwort
ОглавлениеDie monatelangen Waldbrände in Australien zum Jahreswechsel 2019/20 sowie zahlreiche weitere Extremwetterereignisse, wie große Überschwemmungen sowie Orkane und Tornados, zeigen rund um den Globus die Verwundbarkeit der Menschheit durch solche natürlichen Katastrophen. Deutschland erlebte 2018 einen Jahrhundertsommer mit anhaltender Dürre in vielen Regionen. Im Folgejahr wurden sogar Rekordtemperaturen von deutlich über 40 Grad Celsius erreicht. Bei ihren Fridays for Future-Kundgebungen demonstrierten vor allem Schüler und Studierende rund um die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg in vielen Ländern gegen den sorglosen Umgang mit unserem Planeten und für mehr Klimaschutz. Ein »Green Deal« spielt auch im Programm der neuen EU-Kommission unter der Präsidentschaft von Ursula von der Leyen eine wichtige Rolle. Gleichzeitig gewinnen in zahlreichen Volkswirtschaften grüne Parteien immer mehr an Aufmerksamkeit. Dies schlägt sich z. B. in Deutschland auch in einer Reihe von Wahlerfolgen nieder. Das Thema Klimawandel ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Trotz Corona-Pandemie wird es auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten von größter Bedeutung sein.
In zahlreichen Monographien, Fachaufsätzen und Zeitungsartikeln werden die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge und vor allem die ökologischen Konsequenzen des sehr komplexen Themas Klimawandel dargestellt. Dabei spielt vor allem der anthropogene Treibhauseffekt eine wichtige Rolle. Der hohe Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und anderen Klimagasen durch menschliche Aktivitäten verstärkt den natürlichen Treibhauseffekt und sorgt mit einer zeitlichen Verzögerung für eine Erderwärmung und weitere erhebliche Umweltprobleme. Dagegen werden volks- und betriebswirtschaftliche Aspekte, die mit der Veränderung unserer natürlichen Lebensbedingungen verbunden sind, oft nur rudimentär behandelt. Ebenso spielen polit-ökonomische Ansätze häufig nur eine untergeordnete Rolle. In diese Lücke stößt das vorliegende Werk.
Auch bei einer Betrachtung des Klimawandels aus ökonomischer Sicht ist es allerdings unerlässlich, die grundlegenden ökologischen Hintergründe zu kennen. Daher wird im ersten Kapitel auf die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der Treibhausgasemissionen und den damit verbundenen Konsequenzen für unser Klima eingegangen. Eine Besonderheit dieses Umweltproblems ist seine globale Dimension. Für die weitere Entwicklung der Erderwärmung ist es egal, ob CO2 in Berlin, Peking oder Nairobi ausgestoßen wird. Anhand empirischer Daten wird gezeigt, welche Staaten besonders zur Verschärfung der Klimaproblematik beitragen. Sowohl die aktuellen Emissionen als auch der Treibhausgasausstoß der Vergangenheit zeigen, dass es eine »historische Schuld« vieler Industrieländer gibt. Diese Fakten müssen bei globalen Lösungsansätzen berücksichtigt werden. Die Schwierigkeiten bei der Suche nach einer ursachenadäquaten Antwort auf dieses Umweltproblem zeigen sich an den meist wenig überzeugenden Ergebnissen vieler weltweiter Klimakonferenzen.
Im Mittelpunkt der Analyse steht in den folgenden Kapiteln allerdings die ökonomische Betrachtung des Klimaproblems. Eine hohe Umweltqualität ist für die Wohlfahrt der Menschen ein wichtiges Gut. Jedoch zeigt sich, dass reine Marktwirtschaften nicht in der Lage sind, in ausreichendem Maße für eine intakte Umwelt zu sorgen. Aufgrund dieses Marktversagens sind Eingriffe des Staates zwingend notwendig. Allerdings fällt auch staatlichen Entscheidungsträgern die Lösung von Umweltproblemen häufig sehr schwer. Dieses Staatsversagen lässt sich insbesondere mit der ökonomischen Theorie der Politik erklären. Speziell beim Thema Klimawandel kommt noch erschwerend die internationale Dimension dieses ökologischen Problems hinzu. Globale Lösungsansätze haben nur dann eine Chance, wenn sie auch von allen Ländern und der jeweiligen Bevölkerung akzeptiert werden.
In den Kapiteln 3 bis 5 werden die Auswirkungen des Klimawandels auf den verschiedenen Ebenen einer Volkswirtschaft betrachtet. Aus makroökonomischer Sicht sind neben den ökologischen und den ökonomischen Folgen vor allem die politisch-rechtlichen, die technologischen und die gesellschaftlichen Konsequenzen zu beachten. Dabei sind vielfältige Interdependenzen zu berücksichtigen. So führt die bisherige, stark auf fossilen Brennstoffen basierende Form der Energiegewinnung zu einem drastischen Anstieg der Treibhausgasemissionen. Daher findet in vielen Volkswirtschaften ein zunehmender Umstieg auf regenerative Energien statt. Dieser Umstieg wird sowohl durch unterschiedliche regulatorische Staatseingriffe (Auflagen, Steuern, Zertifikate) als auch durch technische Innovationen bei den regenerativen Energien unterstützt. Wie bei jedem Strukturwandel gibt es auch hier ökonomische Gewinner und Verlierer. Dies gilt sowohl auf Unternehmensebene als auch auf Ebene einzelner Volkswirtschaften. Unternehmen, aber auch Staaten, deren »gesamtwirtschaftliches Geschäftsmodell« vor allem auf der Förderung und dem Vertrieb fossiler Brennstoffe beruht, gehören ebenso zu den Verlierern wie die Arbeitnehmer in diesen Sektoren. Dies kann zu erheblichen gesellschaftlichen Spannungen führen.
Die mesoökonomische Sichtweise befasst sich mit den Klimafolgen auf Branchenebene. Auch wenn grundsätzlich alle Bereiche des Wirtschaftslebens von den Veränderungen der natürlichen Lebensgrundlagen und dem dadurch ausgelösten Strukturwandel betroffen sind, können einzelne Branchen identifiziert werden, die unter einem besonders großen Anpassungsdruck stehen. Dazu gehören die Energiewirtschaft, die Automobilindustrie und die Land- und Forstwirtschaft. Vor allem in diesen Bereichen werden die bestehenden Geschäftsmodelle grundlegend in Richtung einer klimafreundlichen Produktions- und Wirtschaftsweise verändert werden müssen. Allerdings wird es auch Wirtschaftssektoren geben, die zumindest partiell vom Klimawandel bzw. den dadurch ausgelösten Gegenmaßnahmen profitieren. Dazu zählt insbesondere die Bauindustrie. Die energetische Sanierung von Gebäuden wird an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig entstehen branchenspezifische Sonderkonjunkturen durch vorbeugende Baumaßnahmen und die Beseitigung von umweltbedingten Infrastrukturschäden. In der Summe übersteigen allerdings die negativen Folgen, die viele Wirtschaftsbereiche betreffen, bei Weitem die positiven Auswirkungen in einigen wenigen Branchen.
Auf mikroökonomischer Ebene wird die Betroffenheit von Unternehmen und Verbrauchern betrachtet. Neben den direkten ökologischen Folgen (z. B. durch Sturmschäden) müssen sich die Unternehmen mit den Konsequenzen des Strukturwandels auseinandersetzen, der sowohl auf Nachfrageverschiebungen und/oder auf politisch-regulatorischen Eingriffen beruhen kann. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt sind die Folgen, die der Klimawandel für das betriebliche Risikomanagement hat. Aber auch für die Verbraucher sind verschiedene Auswirkungen deutlich spürbar. Stark umweltbelastende Produkte werden nicht mehr oder nur noch zu deutlich erhöhten Preisen angeboten werden. Durch den Wertewandel, der aktuell vor allem durch die Proteste und das Wahlverhalten der jüngeren Generation forciert wird, werden vermutlich viele bisher akzeptierte, letztlich aber klima- bzw. umweltschädliche Verhaltensweisen ein negatives Image bekommen. Hier ist insbesondere an bestimmte Formen der Mobilität oder manche aktuell beliebten Ernährungsweisen zu denken.
Eine ökonomische Analyse des Klimawandels bliebe unvollständig, wenn sie nicht auch auf Lösungsansätze eingehen würde. Es werden sowohl Lösungsvorschläge auf makroökonomischer Ebene ( Kap. 6) als auch Handlungsoptionen auf mikroökonomischer Ebene ( Kap. 7) diskutiert. Die makroökonomische Betrachtungsweise geht davon aus, dass das Klimaproblem nur gelöst werden kann, wenn von staatlicher Seite eine geeignete umweltökonomische Rahmenordnung gesetzt wird. Die staatlichen Eingriffe müssen so festgelegt werden, dass sich umweltfreundliches Verhalten auch aus ökonomischer Sicht lohnt. Klimaschädliches Verhalten muss dagegen finanziell bestraft oder in Einzelfällen sogar verboten werden. Gleichwohl ist es unrealistisch, davon auszugehen, dass sämtliche Treibhausgasemissionen durch staatliche Instrumente verhindert werden können. Daher müssen sowohl Maßnahmen zur Speicherung von Treibhausgasen als auch geeignete Anpassungsmaßnahmen an den unvermeidlichen Teil des Klimawandels untersucht werden.
Angesichts der globalen Dimension ist ein koordiniertes Vorgehen der Staatengemeinschaft notwendig. Es sollten möglichst alle Volkswirtschaften eingebunden werden. Eine Problemlösung, die zumindest ein Großteil der Staaten akzeptiert, wird aber nur dann möglich sein, wenn diese auch als international gerecht angesehen wird. Jeder Erdenbürger hat nach dieser Sichtweise die gleichen Rechte, aber auch die gleichen Pflichten. Es ist völlig undenkbar, dass bald acht Milliarden Menschen einen ähnlichen Lebensstil pflegen, wie er vor allem in den westlichen Industriestaaten derzeit üblich ist. Das Beispiel Ozonloch zeigt eindrucksvoll, dass es prinzipiell auch möglich ist, globale Umweltprobleme zu lösen.
Die mikroökonomische Betrachtungsweise zeigt, dass trotz staatlicher Rahmenordnung auch die Eigeninitiative jedes Unternehmens und jedes Verbrauchers gefordert ist. Nur für den Fall, dass weltweit der überwiegende Teil der Betriebe und Haushalte hinter dem Ziel einer Klimawende steht, lässt sich diese umsetzen. Ist dies nicht der Fall, kommt es nicht nur zu zahlreichen Ausweichreaktionen auf staatliche Maßnahmen, sondern auch zu erheblichen politischen und gesellschaftlichen Konflikten. Obwohl der Beitrag des einzelnen Erdbewohners bei globalen Problemen verschwindend gering ist, entbindet dies den Einzelnen daher nicht von der Aufgabe, die Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen zu erhalten. Die Entwicklung umweltfreundlicher und klimagerechter Güter und Produktionsverfahren sowie die Umstellung des Verbraucherverhaltens in Richtung nachhaltiger Lebensstile sind daher notwendig.
Das abschließende Fazit in Kapitel 8 fasst die wesentlichen Ergebnisse der ökonomischen Analyse zusammen und zeigt, wie die Menschheit die negativen Folgen des anthropogenen Klimawandels auf ein akzeptables Maß begrenzen kann. Hierfür sind sowohl internationale Vereinbarungen und klimafreundliche staatliche Rahmenordnungen als auch Innovationen der Betriebe und Verhaltensänderungen der Verbraucher zwingend nötig. Nur das Zusammenspiel all dieser Faktoren wird eine Begrenzung der Erderwärmung ermöglichen.
Mein herzlicher Dank gilt allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben. Zahlreiche Diskussionen im Kollegenkreis, aber auch mit Freunden, Bekannten und Verwandten zu diesem hochaktuellen und interdisziplinären Thema sind ebenso eingeflossen wie diverse Beiträge von Studierenden im Rahmen von Abschluss- oder Seminararbeiten. Ganz besonders möchte ich mich bei Herrn Dr. Uwe Fliegauf vom Kohlhammer-Verlag bedanken. Er hat dieses Buchprojekt initiiert und die Entstehung der Monographie mit großem Engagement begleitet.
Frank Hubert
Mannheim, im Juni 2020