Читать книгу Globaler Klimawandel aus ökonomischer Perspektive - Frank Hubert - Страница 9
1.3 Entwicklung der Treibhausgasemissionen: Daten und Trends
ОглавлениеFür eine ökonomische Analyse des Klimawandels ist es notwendig, die empirischen Hintergründe zu kennen. Dabei ist neben der globalen Entwicklung der Treibhausgasemissionen und ihrer Folgen auch von Interesse, welche Länder vor allem für den Ausstoß der Klimagase verantwortlich sind. Zudem muss geklärt werden, in welchen Bereichen besonders hohe CO2-Emissionen zu verzeichnen sind. Diese Daten liefern die Grundlage für mögliche Lösungsvorschläge. Sie zeigen auf, in welchen Regionen und Sektoren potenziell besonders große Einsparmöglichkeiten vorliegen.
Der weltweite CO2-Ausstoß hat sich seit den 1960er Jahren verdreifacht und erreichte 2018 mehr als 37 Mrd. Tonnen. Berücksichtigt man auch andere Treibhausgase (THG), so wird sogar ein Wert von fast 52 Mrd. Tonnen CO2-Äquivalenten erreicht. Pro Kopf sind dies Emissionen von rund 4,7 Tonnen CO2 bzw. gut 6,5 Tonnen CO2-Äquivalente. Abbildung 1.2 zeigt, dass neben den beiden größten Klimasündern China und USA auch die EU einen erheblichen Anteil an den Emissionen hat. Während China insgesamt mehr als die doppelte Menge an Treibhausgasen ausstößt wie die USA, ist es bei der Pro-Kopf-Betrachtung genau umgekehrt.
Abb. 1.2: CO2- und gesamte THG-Emissionen nach Ländern in 2018 (Quelle: PBL Netherlands Environmental Assessment Agency (2020), S. 57-65)
Region/LandCO 2 -Emissionen in Mrd. TonnenTHG-Emissionen in Mrd. Tonnen (CO 2 -Äquivalente)CO 2 -Emissionen pro Kopf in TonnenTHG-Emissionen pro Kopf in Tonnen
Die absolute Höhe der Emissionen hängt sehr stark von der Einwohnerzahl und der Wirtschaftsleistung ab. Diese beiden Faktoren erklären auch, weshalb China und die USA mit deutlichem Abstand die ersten beiden Plätze belegen. Außerdem sind auch die Energieintensität des Bruttoinlandsprodukts und die Kohlenstoffintensität der Energie von Bedeutung.18 Die Energieintensität beschreibt das Verhältnis der verbrauchten Energie zur Wirtschaftsleistung. Tendenziell wird in vielen klassischen Industriebereichen für die Erzeugung einer Einheit des Bruttoinlandsprodukts mehr Energie verbraucht als in den meisten Dienstleistungsbranchen. Die Kohlenstoffintensität steht für die Höhe der Kohlendioxidemissionen pro Energieeinheit. Länder, die für die Energiegewinnung sehr stark auf regenerative Energien oder die Atomkraft setzen, schneiden hier deutlich besser ab. Volkswirtschaften, die stattdessen vor allem die Öl und Kohle bevorzugen, haben dagegen sehr hohe Emissionen. Diese Faktoren erklären die hohen Pro-Kopf-Werte von Russland, Saudi-Arabien, Kanada und Australien. Relativ niedrig im Vergleich zu anderen weitentwickelten Volkswirtschaften sind dagegen die Pro-Kopf-Werte von Großbritannien und Frankreich. Großbritannien profitiert vor allem von der geringen Energieintensität durch einen sehr großen Dienstleistungssektor, im Falle Frankreichs sorgen die vielen Atomkraftwerke für eine geringe Kohlenstoffintensität. In den skandinavischen Ländern Schweden und Dänemark, in denen ein Großteil der Energie aus regenerativen Quellen gewonnen wird, werden ebenfalls sehr niedrigere Pro-Kopf-Werte erzielt.
Neben der Kenntnis der aktuellen Werte ist es für die weitere Analyse auch wichtig, die Entwicklung der Emissionen zu beleuchten. Hierbei zeichnen sich in Abbildung 1.3 klare Tendenzen ab. Während es in den entwickelten Ländern zu einem leichten Rückgang der Treibhausgasemissionen pro Kopf auf einem sehr hohen Niveau kommt, steigt der Pro-Kopf-Ausstoß insbesondere in China und Indien deutlich an. Hierbei spielt der wirtschaftliche Aufholprozess dieser beiden Volkswirtschaften eine wichtige Rolle. Weltweit führen diese gegenläufigen Entwicklungen dazu, dass die Emissionen pro Einwohner seit 1990 angestiegen sind. In den letzten Jahren hat jedoch eine Stabilisierung der globalen Durchschnittswerte stattgefunden. Berücksichtigt man allerdings, dass die Weltbevölkerung weiterhin wächst, so ist es wenig überraschend, dass die Gesamtemissionen auch in den letzten Jahren weiter leicht angestiegen sind.
Abb. 1.3: Entwicklung der CO2– und der gesamten Treibhausgas-Pro-Kopf-Emissionen nach Ländern (Quelle: PBL Netherlands Environmental Assessment Agency (2020), S. 58, 65)
Region/LandCO 2 -Emissionen pro Kopf in Tonnen 1990Klimagas-Emissionen insgesamt pro Kopf in Tonnen 1990CO 2 -Emissionen pro Kopf in Tonnen 2018Klimagas-Emissionen insgesamt pro Kopf in Tonnen 2018Tendenz
Betrachtet man die Entwicklung seit Beginn der Industrialisierung um 1850, so zeigen sich weitere wichtige Zusammenhänge. Die industrielle Revolution hat in den unterschiedlichen Ländergruppen zu verschiedenen Zeitpunkten stattgefunden. Dies hat zur Folge, dass die historischen Treibhausgasemissionen in Nordamerika, Westeuropa und dem ehemaligen Ostblock im 19. und 20. Jahrhundert wesentlich höher waren als in Afrika oder Lateinamerika. Die aktuelle Konzentration von CO2, Methan und Lachgas in der Atmosphäre ist daher vor allem auf die Industrieländer zurückzuführen, während die Entwicklungsländer nur einen vergleichsweise geringen Anteil dazu beigetragen haben. Dieser Sachverhalt wird unter dem Stichwort »historische Gerechtigkeit« in der internationalen Klimadebatte diskutiert.19 Er hat vor allem Konsequenzen für Lösungsvorschläge auf internationaler Ebene, insbesondere bei der finanziellen Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern durch die entwickelten Volkswirtschaften für einen klimaschonenderen Übergang in das Industriezeitalter.
Die Zahlen in den Abbildung 1.2 und 1.3 sind zudem nicht unumstritten, da sie auf den territorialen Emissionen beruhen. Dies bedeutet, dass die Emissionen gemessen werden, die im Produktionsland anfallen. Da durch die zunehmende Globalisierung aber ein immer größerer Teil an Waren und Dienstleistungen exportiert wird, fällt ein beachtlicher Teil des Ausstoßes klimaschädlicher Gase für die Produktion von Gütern an, die dann in einem anderen Land verbraucht werden. So lagern zahlreiche entwickelte Länder umweltschädliche Herstellungsprozesse in Schwellen- und Entwicklungsländer aus. Diesen werden dann die Treibhausgasemissionen zugerechnet, obwohl die Güter in diesen Ländern gar nicht verbraucht werden. Man kann daher darüber streiten, ob eine Erfassung der Emissionen basierend auf dem Konsum sinnvoller wäre.20
Einen interessanten Einblick in diesen Themenkomplex bietet auch der Klimaschutz-Index der gemeinnützigen Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. Dieser Index vergleicht anhand einheitlicher Kriterien 57 Staaten, die für mehr als 90 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Neben dem Treibhausgasausstoß werden auch der Anteil der erneuerbaren Energien sowie der Energieverbrauch und die Klimapolitik berücksichtigt. Der Index für das Jahr 2020 wird angeführt von Schweden. Unter den Top 5 befinden sich zudem noch Dänemark, Marokko, Großbritannien und Litauen. Ebenfalls noch auf den vorderen Plätzen sind bspw. Finnland, Norwegen und die Schweiz, aber auch Indien zu finden. Deutschland liegt mit China im Mittelfeld, während Saudi-Arabien und die USA die beiden letzten Plätze einnehmen.21
Als sehr schwierig erweist sich die genaue verursachungsgerechte Zurechnung des Treibhausgasausstoßes auf einzelne Wirtschafts-und Lebensbereiche, da eine saubere Abgrenzung zwischen den einzelnen Sektoren nicht immer möglich ist. Zudem gibt es zwischen den verschiedenen Bereichen zahlreiche Interdependenzen. Steigt man bei der Energiegewinnung von fossilen Energieträgern verstärkt auf erneuerbare Energien um, so hat dies auch Konsequenzen für den Treibhausgasausstoß in der Industrie, in den privaten Haushalten oder im Verkehr. Ein Beispiel hierfür ist der Umstieg auf Elektroautos. Für Deutschland ist die Verteilung nach Hauptquellen in Abbildung 1.4 dargestellt. Diese Verteilung ist allerdings wegen unterschiedlicher Wirtschaftsstrukturen nicht auf andere Volkswirtschaften eins zu eins übertragbar. So spielt beispielsweise in vielen Ländern die Landwirtschaft als Emissionsquelle vor allem beim Ausstoß von Methan eine wesentlich größere Rolle. Trotz dieser Unterschiede kann jedoch die Energiewirtschaft weltweit als wichtigster Ansatzpunkt für eine wirksame Klimapolitik identifiziert werden.
Abb. 1.4: Treibhausgasausstoß in Deutschland im Jahr 2019 nach Sektoren des Klimaschutzgesetzes (Quelle: Die Daten beruhen auf einer vorläufigen Schätzung des Umweltbundesamtes Anfang 2020.)
Letztlich bestimmen die kumulativen weltweiten Treibhausgasemissionen weitgehend die mittlere globale Erwärmung der Erdoberfläche. Die verschiedenen Szenarien des IPCC zeigen, dass ohne zusätzliche Anstrengungen beim Klimaschutz bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erhebliche Klimarisiken drohen. Um die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, müssten die globalen anthropogenen Treibhausgasemissionen bis 2030 um etwa ein Viertel gegenüber 2010 reduziert werden. Um das Jahr 2070 sollte der Nettoausstoß bei null CO2-Äquivalenten liegen. Soll der Temperaturanstieg sogar nicht mehr als 1,5 Grad betragen, müssen die Emissionen bereits 2030 um rund 45 Prozent gegenüber 2010 abgenommen haben. 2050 sollte dann unsere Wirtschafts- und Lebensweise treibhausgasneutral erfolgen.22 Da selbst bei einer deutlichen Umstellung der Energiegewinnung sowie der Wirtschafts- und Lebensweise der Ausstoß von CO2, Methan und Lachgas nicht völlig verhindert werden kann, bedeutet ein Nettoausstoß von null CO2-Äquivalenten, dass durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. die Aufforstung, Klimagase gebunden werden müssen. In diesem Zusammenhang werden auch zum Teil sehr umstrittene technische Eingriffe des Menschen in die Natur unter dem Schlagwort Geo-Engineering diskutiert. Eine kurze Darstellung der wichtigsten Ansätze des Geo-Engineerings erfolgt in Kapitel 6.3.