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Sven fragt nach, bohrt und wäscht penetrant die Wäsche Anderer. Seine unqualifizierten Ratschläge nerven. Augenscheinlich liebt er es, in fremden Leben zu stochern. Lediglich eine ähnlich strukturierte Vergangenheit, veranlasst Mica, die Unterhaltung weiterführen, Tipps überhört er. Der quälende Smalltalk setzt dennoch frische Impulse frei und führt ihn zu neuen Ansätzen. Danke Sven. Gestärkt, mit verbalem Fastfood, begibt sich Mica wieder in zurück in den freien Fall.

Dadaisten bewegten sich dicht an der Erkenntnis, die heutige Wissenschaft ist weit davon entfernt. So lange die Suche nach der Weltformel, die Seele unberücksichtigt lässt, wird sie scheitern. Emotionen steuern uns, prägen Leben und formen Zukunft. Ohne Kenntnis der Luft, ist Fliegen nicht möglich. Wollen wir abheben, sind wir gezwungen, zu forschen, wollen wir Beethoven in seiner ganzen Breite erfassen, sollten wir zuhören können. Engstirnig erforschen wir Fische, ohne das Wasser zu sehen. Entdecken wir die Empfindung. Beginnen wir zu fühlen, zu sehen, zu verstehen, die anderen, uns. Im seelischen Ozean warten Kontinente darauf, entdeckt zu werden. Picabia verstand. Chaos ist Ordnung, Ordnung ist Chaos. Ohne Gefühl, führt die String-Theorie zu keinem übergeordneten Verständnis, der vorherrschende Teil des Universums bleibt unentdeckt. Intelligente Physiker zerbrechen sich ihre Köpfe über Heisenberg, Antimaterie und schwarze Löcher. Sie sollten sich der Kunst, dem Angeln und dem Leben zuwenden. Wir werden verstehen, wenn wir aufhören, verstehen zu wollen. Zwang lässt scheitern. Erst nach dem Lösen der Leinen beginnt die Reise.

Mica muss sich beeilen. Material für einen Grillabend zu besorgen, stellt ihn vor eine Herausforderung. Solange Luftblasen in seiner Antriebslosigkeit aufsteigen, bleibt er handlungsfähig. Merguez gibt es im größten Supermarkt der Gegend. Beim Passieren, der mit Kunstfasern überfüllten Mall, glaubt er den Schweiß indischer Kinderarbeit zu riechen, um zu entkommen hält er die Luft an. Die Strecke wird zu lang, Zwischenatmen durch den Mund notwendig. Kinderarbeit auf der Zunge schmeckt unbekömmlich und bitter. Im Markt verläuft sein Einkauf ohne Probleme. In meditativer Gelassenheit schafft er das Labyrinth der Warengänge, Merguez, Harissa, Baguette, einen leichten Sommerwein. Neben Begegnungen mit durchtranspirierten Radlerhosen und ungeduschten Fettgewebeansammlungen, findet er Zeit über Nebensächlichkeiten nachdenken. Er sinniert über die Destillation von Obst und Gemüse, ein Verfahren das neuerdings Barkeeper zur Extraktion verwenden. Kristallklare, Flüssigkeiten mit konzentriertem Aroma, unsichtbare Pflanzen.

Nach gescheiterter Ehe und ohne Autobahnanschluss, verursacht die deutsche Provinz ein Schweben, ein richtungsloses Treiben, Asylsuchende und Berufsvertriebene kennen es. Falsche Orte erzwingen Träume. Fehlende Wärme stärkt die Sehnsucht nach Veränderung. Lähmende Starre verwehrt Mica die Eigeninitiative, hält ihn fest. Apathische Monate ertrinken in Zeit.

Mehr und mehr entpuppt sich der Abschiedsbrief des Erfrorenen als Rettungsweste. Micas Name bleibt in den Seiten unerwähnt. Die personalisierte Sprache und seine tiefe Betroffenheit beweisen ihm, der Brief wurde an ihn gerichtet.

Erst wenn du es geschafft hast, dir alles zu vergeben, bekommst du die Ruhe und Kraft, nach der du suchst.

In Endlosschleife liest Mica die Zeile. Vergeben. Bleiern und schwer beschleunigt die Last des nicht verhinderten Todes seine Lethargie und verhindert den Griff zur Reißleine. Den Würgegriff der Schuld kennt er von seiner Trennung. Durch den Brief verstärkter Druck, verschnürt ihm die Kehle. Negative, kalt und grau färbt sich die Umgebung, die eigenen Gedanken durch Selbstvorwürfe vergiftet. Durch die Tristesse spürt er seine Verletzlichkeit, wie sie ihn sensibilisiert, fühlt die lauernde Fähigkeit ein Gegenmittel zu finden.

Das Erbe

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