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Es schien kein Weg daran vorbeizuführen, Spezialisten mit der Konstruktion einer Angriffsstrategie - wir nannten es nur noch das Virus - zu beauftragen. Was bei dem uns notwendig erscheinenden Grad der Verheimlichung ein überaus gewichtiges Problem war. Nana würde es bei Dieter versuchen. Er hatte Kontakte zur linken wie zur rechten Szene. Die sich natürlich auch im Darknet herumtummelte. Das Problem war, dass man einen Leumund brauchte, der für die eigene Integrität bürgte. Wenn man einen Klasse-A-Hacker buchen wollte, gegen den schon eine Spezialeinheit des INTERNATIONALEN POLIZISTEN ermittelte, konnte man nicht einfach Hallo sagen. Und selbst wenn man dann den Kontakt hatte, wäre das eine teure Angelegenheit. Klasse-A-Hacker wurden von internationalen Konzernen und der Mafia gebucht. Der hatte Preise, die weit jenseits unseres Budgets lagen. Aber Nana wollte nicht so schnell aufgeben. Erstmal so einen Typen ausfindig machen. Und dann mal schauen. Immer vorwärts. In kleinen Schritten.

Um das Virus unauffällig bauen zu können, dachte ich meinerseits an meinen alten Freund Manfred, der Informatik studiert hatte und nun bei dem Internetmogul BRILLE arbeitete. Vielleicht hatte er die Kontakte, die wir brauchten? Aber ich konnte ihn ja nicht einfach anrufen und fragen, ob er uns den Kontakt zu einem Superhacker im Darknet verschaffen konnte.

Den Zufall herbeiführen, Vertrauen aufbauen, sich den Mantel der Anonymität fest um die Schulter legen. Nicht der sein, der ich bin. War. Sein werde. Ich bin nicht ich. Eine Strategie zum Schutz gegen einen übermächtigen Gegner. Vielleicht ein bisschen schizophren? Aber der Zweck heiligt die Mittel. Daher schlüpfte ich in das Kostüm des Archäologen, der in der Türkei wissenschaftlich höchst interessante Ausgrabungen zu tätigen hatte, durch gekürzte Forschungsetats aber weitgehend auf spärliche private Spenden angewiesen war. Unbedingt notwendig war dabei das Eindringen in das Darknet. Dort würde ich nach einer Möglichkeit suchen, um mir Zugang zu geheimen Datenbanken zu beschaffen. Manfred sollte mein Leumund sein, der mir die Eintrittskarte zu den wirklich bösen Hackern ermöglichte. Die Datenbank des INTERNATIONALEN POLIZISTEN barg bekanntermaßen nicht nur alle Geheimnisse um Area 51, sondern auch alles Wissen über den von mir entdeckten Geheimkult. Ich suchte, so die Legende, in der Maske des armen Wissenschaftlers Mittel und Wege, mit möglichst geringem Kostenaufwand mein Ziel zu verwirklichen.

Da ich in den letzten Jahren keinerlei Kontakt zu Manfred gehabt hatte, schien mir diese Maske unverfänglich. Die einzige Information, die Manfred von mir haben konnte, war die, dass ich in Berlin am Archäologischen Institut tätig war. Bei meiner ihm bekannten Vorliebe für fremde und untergegangene Kulturen war die Ausgrabung in der Türkei ein glaubwürdiges Arbeitsfeld. Im Netz würde er nichts über mich finden, da ich keine Profile in sozialen Netzwerken angelegt hatte und meine Forschungsergebnisse nur intern an der Humboldt Universität veröffentlicht worden waren.

Manfred arbeitete inzwischen in verantwortungsvoller Stellung im Rechenzentrum von BRILLE in Frankfurt am Main und hatte dort sicherlich auch Zugang zu interessantesten Quellen. Ich war mir relativ sicher, dass er im Darknet unterwegs war. Meine Vermutung stützte sich auf dem Wissen, dass er früher durchaus einige anarchistische Tendenzen gehabt hatte. Damals, in den Anfängen der Kryptowährung, war er ein Anhänger eines unregulierten Marktes gewesen. Ich hoffte, dass sein Herz immer noch für seine alten Leidenschaft schlug. Dass er jetzt bei BRILLE arbeitete, hatte nichts zu sagen. Hoffte ich auf jeden Fall.

Die Sonne schien an dem Tag, an dem ich unter falschem Namen mit dem Zug nach Frankfurt fuhr, um Manfred dort zufällig in einem Café zu treffen. Jedenfalls hatte ich es so g eplant. Zuvor war noch ein wenig Spiona g earbeit notwendig. Seine Frankfurter Adresse gab es im Online-Telefonbuch. Dann postierte ich mich in der Nähe seines Wohnblocks, in der Hoffnung, ihn zu einem unauffälligen Ort folgen zu können. Manfred direkt anzusprechen schien mir immer noch zu augenfällig, alles sollte so ungeplant wie möglich erscheinen. Ich legte mich auf die Lauer, bewaffnet mit einigen Dosen FUCKING-BIER-INTERNATIONAL.

Die Inszenierung des Zufalls erwies sich als mühselige Angelegenheit. Manfred war nämlich ein ausgesprochener Stubenhocker. Immer alleine führten seine kurzen abendlichen Spaziergänge nur zur Imbissbude. Am liebsten aß er Rindswurst mit Senf und Pommes. Abends schlüpfte er stets aus seinem Nadelstreifenanzug und ging privat in einem blau gestreiften Trainingsanzug umher. Auch änderte er zu dieser Zeit seine Frisur. Er kämmte sein fettiges Haar morgens so, dass der Scheitel links saß, abends dagegen scheitelte er sein Haar auf der rechten Seite. Er besaß pinkfarbene Stofftaschentücher. Ab und zu setzte er sich mit einer INTELLIGENT auf eine Bank und las die letzte Seite, die mit den Witzen und Kuriositäten. Je länger ich ihn beobachtete, desto mehr wuchsen in mir Zweifel, ob er der richtige Mann für unseren Plan war.

Tagsüber, nachdem Manfred hinter den BRILLE-Glastüren verschwunden war, schlenderte ich auf der Zeil hin und her oder saß in Cafés herum und zerfledderte die neuesten Zeitschriften. Alles ganz analog. Ein Smartphone mit eingebautem GPS-Sender besaß ich ja schon eine Weile nicht mehr, der INTERNATIONALE POLIZIST musste ja nicht über jeden meiner Schritte Bescheid wissen. Wenn ich durch die Fensterscheiben der Cafés sah, verfolgte ich die Lichtspiele auf den Gesichtern der Passanten. Die Shoppingmeile wurde hier von mickrigen Bäumchen in trostlosen Betonkübeln gesäumt. Wie ein Opfer, das die Erbauer der Steinwüsten dem niedergeholzten Wald dargebracht hatten, stand die künstliche Vegetation in stiller Agonie. Es war Mitte April, Türen und Fenster der Cafés standen bereits offen und die vollbesetzten Tische leckten wie Zungen in den Zug der hastenden Einkäufer. Mitten zwischen den künstlichen Bäumen standen Bettler und Akrobaten und suchten die Beachtung der Menge. Oder eher gesagt, ein paar Menschen, die für einige Sekunden Zerstreuung ein paar Münzen zurückließen.

Es war noch ein Abenteuer. Einen alten Bekannten besuchen und ihn in ein Komplott einspannen. Der Kitzel der Kriminalität. Das ewige Versteckspiel. Ich schlürfte also meine Kaffees, sah durch die Sonnenbrille neugierig in die Straßen und wartete auf den Feierabend und die Abenteuerlust von Manfred.

Vor den Auslagen eines Schuhgeschäftes stand eine Gruppe musizierender Gypsies, unverbesserliche Naturanbeter, die noch nicht kapiert hatten, dass die Klimakatastrophe längst unabänderlich geworden war. Nur wenige Leute waren stehengeblieben. Die Gypsies betätigten ihre Instrumente mit einer Lautstärke, sodass die Zeit des Vorübergehens ausreichte, um einen lohnenden Eindruck zu erhaschen. Einige warfen ihre Münzen in den Hut, ohne die Gleichmäßigkeit ihrer Bewegungen zu unterbrechen. Ich stellte mich in den Halbkreis der Zuhörer, lauschte auf die Klänge und sah in die Gesichter der Musikanten. Ein seltsames Gefühl kroch meine Wirbelsäule entlang. Ich glaubte, eine unbestimmte Sehnsucht zu spüren. Ihre Augen sahen ruhig in die Menge, ohne dass sich ihr Blick auffangen ließ, da ihre Konzentration der Musik galt. Das Sonnenlicht streifte ihre Kleidung und die farbigen Ornamente leuchteten in wilder Harmonie.

Nachdem ich einige Minuten leicht benommen beobachtet und gelauscht hatte, machten die Gypsies eine Pause. Ich ging gerade zu dem Hut, den sie auf der Straße abgestellt hatten, um ein paar Münzen hineinzuwerfen, als der Älteste ebenfalls nach vorne ging, wohl um zu sehen, wie viel sie schon eingenommen hatten. Der Blick des alten Mannes fiel auf den Ring, den ich am kleinen Finger meiner rechten Hand trug. Er sah mich an.

»Ein schöner Ring!«

»Finde ich auch. Ich habe ihn von einem türkischen Trödler.»

»Ein großer, runder, schwarzer Stein.«

»Soll ein Mondstein sein. Der Trödler hat das gemeint, ich weiß nicht, was das heißen soll.«

»Du weißt es nicht?«

»Nee.«

»Willst du ein wenig mehr darüber wissen?«

»Ja, klar.«

Ich war völlig überrascht, dass mir der Alte so freundschaftlich entgegenkam. Ich fühlte mich plötzlich sehr neugierig.

»Du trägst einen schwarzen Onyx in silberner Fassung. Dieser Ring ist wie der Mond. Du siehst immer nur die eine Seite des Steins, die andere bleibt deinen Augen verborgen. Vielleicht hat die Fassung Verzierungen an der Innenseite?«

»Ich weiß es gar nicht.«

Ich wusste es wirklich nicht und zog mir den Ring vom Finger, aber es war nichts zu sehen, nur einige Verarbeitungsfehler, Unebenheiten in der Oberfläche des Silbers.

»Du trägst den Ring am kleinen Finger? Warum? Nur die mittleren drei Finger gehören dem Mond! Die anderen gehören Sonne und Erde.«

Obwohl ich nicht viel verstand, faszinierten mich die Worte und die Ernsthaftigkeit seine Rede.

»Aber warum ist dieser Ring wie der Mond? Er ist doch schwarz und der Mond ist am deutlichsten bei Vollmond. Bei Neumond sieht man doch gar nichts.«

»Du siehst an dem Ring die schwarze Seite des Mondes, weil die andere die erleuchtete ist. Nicht mit den Augen, mit deinem Körper sollst du sehen. So wie die Augen bei Vollmond in den Himmel schauen und nach den Rätseln der unsichtbaren, der dunklen Seite zu fragen, so kannst du in den Ring sehen und nach den Rätseln der hellen Seite, der Seite des Silbers fragen. Aber frage nicht mit den Augen, frage mit deinem Körper, deinen Gefühlen, deinem Herz!«

Der Alte lachte jetzt und von seinen Augenwinkeln liefen Hautfalten strahlenförmig in die Schläfen.

»Auch du bist wie deine Hand! Mit der Sonne, den drei Phasen des Mondes und der Erde stehst du in deinem Leben.«

Ich sah wohl reichlich verwirrt aus, was ich tatsächlich war. Der Alte klopfte mir auf die Schulter. Dann ging er zurück zu den anderen Gypsies und bald begannen sie wieder mit ihrer Vorstellung. Ich kehrte langsam wieder in den sommerlichen Einkaufsstrom zurück, ließ mich forttragen von der Bewegung. Die Worte des Alten echoten zwischen meinen Ohren hin und her. Mond, Sonne, Erde. Als sich die Bewegung der Gypsies während der Hippiebewegung in den 60ern gebildet hatte, hatten sie sich auf Naturreligionen berufen, daran konnte ich mich erinnern.

Dieses Begegnung schien direkt aus einer anderen Dimension zu kommen. Für die Anhänger einer mythischen Naturphilosophie gehörten die Sterne und Planeten zum Alltag. Ich dagegen überlegte mir, ob ich mir eine Postkarte mit der Frankfurter Skyline bei Nacht kaufen sollte. Und dann: Scheiß auf diese seltsamen Gestalten, die da durch die Welt wandelten. Ich hatte andere Sorgen. Schnell noch ein paar FUCKING-BIER-INTERNATIONAL besorgen und dann wieder auf die Lauer legen.

Am dritten Tag, einem Sonntag, Manfred hatte frei, winkte mir endlich das Glück. Manfred ging ins Museum. Der ideale Ort, um Kontakt herzustellen.

»Hallo Manfred, du hier?«, rief ich laut und deutlich durch die Eingangshalle mit den hohen Decken. Er war erstaunt, mich zu sehen, aber natürlich passt ein Archäologe gut in ein Museum. Ich begann sofort meine Story. Dass ich beruflich in Frankfurt sei und mir im Senckenberg-Museum einige Informationen besorgen müsse. Dass mein wahrer Name ja Wolf sei und Five nur mein Spitzname, wie er ja sicherlich wusste. Weiter ging es mit dem Austauschen von imaginär Persönlichem und der Wiederbelebung der guten alten gemeinsamen Zeit als Studenten in Berlin. Mit List und Tücke flocht ich meine Sorge, die anstehende Expedition in die Türkei aufgrund fehlender Mittel nicht antreten zu können, ein, und dass gerade die Beschaffung unumgänglicher digitaler Informationen das größte Problem sei. Ohne Manfred direkt um Hilfe zu bitten, appellierte ich doch lautlos an seine Solidarität als alter Freund. Ich brachte ihn an diesem Abend immerhin so weit, dass er sich erbot, die ihm eventuell zugänglichen Quellen im Darknet auszukundschaften. Mehr hatte ich auch nicht erwartet. Hauptsache der Kontakt war hergestellt, der in der nächsten Zeit weiter ausgebaut werden musste. Ich hoffte nur, dass sich der Aufwand am Ende auch auszahlen würde.

Ich reiste in den folgenden Wochen immer wieder nach Frankfurt und bereitete das Unternehmen vor, als sei ich ein gesuchter Terrorist. Ich reiste anonym per Zug, sodass meine Reisen im Computer des INTERNATIONALEN POLIZISTEN nicht meiner wahren Identität zugeordnet werden konnten. Tickets am Schalter, Barzahlung. Wobei ich mich anfing zu fragen, wer ich nun in Wirklichkeit war.

(Was bedeutet Identität? Egal, scheiß darauf.)

Auch mein Äußeres tarnte ich gründlich. Stets trug ich die wenigen Male, die ich mich mit Manfred unter vier Augen traf, eine Sonnenbrille. Dies verstörte ihn anfangs, ich erklärte ihm aber, dass ich mir in der glühenden Sonne der Türkei an meinem Ausgrabungsort eine Augenempfindlichkeit zugezogen hatte, mit der auch hier, in der doch recht sonnigen Gegend Frankfurts nicht zu spaßen sei. Manfred, wohl selbst froh, seinem Alltag ein Stückchen entkommen zu sein, zeigte sich überaus kooperativ. Anfangs besorgte er mir nur die Adressen offizieller Hackergruppen, die ich aber großteils schon kannte. In langwierigen und überaus hinterlistigen Gesprächen verdeutlichte ich ihm, dass es mir weniger um Wissen als um eine Person ging, die mir mit ihren Hackerkünsten behilflich sein könnte. Mit der Zeit brachte ich ihm den Vorschlag näher, dass er selbst derjenige sein könnte, der mir als Leumund im Darknet die entsprechenden Kanäle öffnete. Oder dass er sogar selbst diese wichtige Forschungsarbeit übernehmen könnte. Dies wäre für mich das Preisgünstigste und er hätte einmal etwas Abwechslung. Anfangs skeptisch beruhigte ihn meine begeisterte und ausschweifende Rede von den Schätzen der Türkei, wo ich endlich Spuren des Wolfstempels samt Kaninchenrelikten gefunden haben wollte. Ich hatte im Völkerkundemuseum und im Ägyptischen genug Fotos gemacht, um ihn auch die Früchte meiner Arbeit nach gelungener Manipulation mit einem Bildbearbeitungsprogramm sehen zu lassen. Dies, so seufzte ich verloren und hilflos, seien nur die Bruchstücke der Wunder, die zu erwarten wären, falls ich endlich an die Informationen herankäme, die mir den Eingang zu dem einmaligen Tempel öffnen würden. Informationen, die auf geheimen Servern lagen, zu denen mir ein Superhacker Zugang verschaffen sollte.

Neben meiner finanziellen Bedürftigkeit und der wissenschaftlichen Notwendigkeit faszinierten Manfred bald die Möglichkeiten innerhalb seines Unternehmens. Begeistert berichtete er mir eines Tages, dass BRILLE ja selbst Datenbanken für Privatpersonen, Unternehmen und Regierungen hostete. Es gab ganze Hallen voller Server, auf denen sich seltene und gefährliche Informationen befanden. Vor kurzem erst hatte der außenpolitische Ausschuss der EU auf die internationale Krisenstimmung hingewiesen. Um auf alle Eventualitäten gefasst zu sein, hatte die Firma die Produktion von Viren und Trojanern vehement vorangetrieben, und die Server, die hierfür von BRILLE bereitgestellt wurden, liefen auf Hochtouren. Dies berichtete Manfred mir telefonisch, während ich gerade mit einem FUCKING-BIER-INTERNATIONAL in der Badewanne lag und es mir gut gehen ließ. Die Verstrickung seiner Firma in internationale Machenschaften, faszinierte ihn - und mich nicht weniger.

Tatsächlich gäbe es auch einen eigenen Türkei-Server auf der Rechnerfarm, auf dem sicherlich alle Information zu diesem ominösen Wolfstempel zu finden seien. Manfred glaubte nun schon seine Arbeit beendet, da ich ja bei der entsprechenden Stelle eine Genehmigung einholen könnte, während er als Firmenangehöriger den Datenabgleich vor Ort koordinieren würde. Hätte er von mir irgendetwas Offizielles in den Händen gehabt, wären von seiner Seite schon entsprechende Anträge erstellt worden. Mein FUCKING-BIER-INTERNATIONAL war mir bei dieser Ankündigung in das Badewasser gefallen, beinahe hätte ich das Handy ins Wasser fallen lassen. So hatte ich das nicht geplant. Ich brauchte einen Top-Hacker und keinen Zugriff auf einen bescheuerten Server. Aber jetzt war ich meinem eigenen Lügenmärchen gefangen.

»Hör mal Manfred. Dieser Türkei-Server ist hundertpro eine Sackgasse. Die Informationen, die ich suche, werden von Geheimdiensten versteckt. Es geht um so etwas wie das Roswell der Archäologie.«

»Sonst wüsste ich aber nicht, wie ich dir helfen kann, Wolf.«

»Wir sprachen doch schon einmal von der Möglichkeit, dass du mir Zugang zum Darknet verschaffst. Oder mir selbst einen Code schreibst, den ich direkt einsetzen kann.«

»Möglichkeit A kommt nicht in Betracht, ich habe einen Ruf zu verlieren. Und Möglichkeit B wäre sehr aufwendig, weil ich dazu privat sehr viel Zeit investieren müsste.«

»Für was arbeitest du eigentlich bei diesem Internetgiganten? Du könntest doch nach Dienstschluss weiterarbeiten und dies als Überstunden deklarieren.«

»Das würde ich sehr ungern tun.«

»Mein ganzes Projekt könnte an deiner Sturheit scheitern, Manfred. Der Wolfstempel aus dem 1. Jahrtausend vor Christi! Meine jugendliche Obsession ist mir zum Greifen nahe. Ich brauche dich!«

Ich drückte ziemlich auf die Tränendrüse, erzählte von den immer mehr schrumpfenden Etats, von den Dummköpfen der offiziellen Institutionen, die die Gewichtigkeit dieses Unternehmens nicht nachvollziehen konnten. Aber Manfred blieb hart.

»Manfred, sieh das doch mal so. Vielleicht wird dir die außertarifliche Leistung auch als wünschenswertes Engagement angerechnet? Möglich ist doch, dass du gleichzeitig innovativ für deine Abteilung bist.«

»Meinst du wirklich?«

»Wie willst du überhaupt nach oben kommen? Ewig wird dir der Abteilungsleiter vor der Nase sitzen! Verbinde die Möglichkeiten, die die Firma dir bietet! Du hast Zugang zu den Rechnern, an denen du für die Firma aber nach Dienstschluss forschen und gleichzeitig dir ganz privat noch etwas dazu verdienen könntest. Im Endeffekt würdest du dadurch eine bessere Stellung und mehr Geld bekommen! Das ist doch in jeder Hinsicht optimal.«

»Aber wie sollte deine Idee in meiner Abteilung von Nutzen sein, die sich vorwiegend mit der Erstellung von Nutzerprofilen befasst?«

»Das weiß ich nicht, Manfred! Fühle dich gefordert. Hat dich denn nach dem Studium jemals wirklich wieder die Neugier, der Forschergeist gekitzelt?«

Manfred verstummte eine Weile am anderen Ende der Leitung.

»Du hast recht, Wolf. Großteils ist meine Arbeit inzwischen reine Routine.«

»Siehst du! Fühle noch einmal das jugendliche Feuer deiner ersten Studienjahre.«

»Ja, Wolf. Weißt du, damals sah das Leben wirklich noch anders aus. Ich hatte diesen Professor, der mich protegierte und wirklich große Stücke auf mich hielt… und weißt du noch, wie wir uns trafen und ich die Platzwunde über dem Auge hatte? Da hatte ich mich mit einem Typen geprügelt, der an mein Mädchen wollte…«

»Du warst ein wirklicher Held, Manfred!«

»Es war eine gute Zeit.«

»Das bist du immer noch, du hast dich nicht verändert, ich spüre deine Energien.«

»Wirklich?«

»Aber klar doch! Schon an dem Abend, als wir uns zufällig trafen, hattest du dieses Feuer in den Augen und ich dachte mir, das ist Manfred wie er leibt und lebt, das ist der einzige, der mir helfen kann.«

»Ich werde es mir noch einmal überlegen.«

»Ich werde eine der Götzen nach dir benennen.«

»Das wäre nett.«

»Also, hau rein, Manfred!«

»Werde ich machen, ok. Wir telefonieren dann noch mal. Ciao!«

»Ciao, Manfred.«

Das Badewasser war inzwischen kalt geworden, meine Haut bereit, sich in kleinen weißen Fetzen abzulösen. Puh, nochmal geschafft. Ich hoffte nur, dass der gute Manfred nicht zu viel Aufsehen erregen würde, der erwachte Workaholic. Auch wusste ich nicht, inwieweit mein Appell an seine jugendliche Heldenehre unter dem Druck des Alltages vorhalten würde. Hoffentlich war er klug genug, den Begriff Hacker nicht im Beisein fremder Ohren zu äußern. Ein falsches Wort zu einem ungünstigen Zeitpunkt, neugieriges Nachfragen und ein wenig autoritärer Druck und Manfred würde alles erzählen, meinen Namen nennen, meine Telefonnummer. Ich kam unter meiner Schrumpelhaut ganz schön ins Schwitzen. Vielleicht war es doch nicht so eine gute Idee gewesen, Manfred in unseren Plan Zamaon lahmzulegen, einzuspannen?

Magic Stoner

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