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Nanas Studien waren ebenfalls sehr interessant. Sie erzählte mir Storys vom INTERNATIONALEN POLIZISTEN, die meine Verfolgungsvisionen sehr real aussehen ließen.

»Hör dir das an! Es geht eigentlich um einen Typen des Chaos Computer Clubs. Der INTERNATIONALE POLIZIST glaubte, dass er Verbindungen zum Terrorismus hatte. Er überwachte seine E-Mails und beobachteten dann zeitweise die Adressaten, besonders in Berlin. Der Typ schien ein Beschaffer von konspirativen Wohnungen zu sein. Er arbeitete in einer Online-Makleragentur, seine Tätigkeit im Chaos Computer Club war sein Hobby. Dadurch hatte er beste Verbindungen zum Immobilienmarkt. In Berlin nutzte er immer wieder leerstehende Wohnungen, teils selbst, teils wurden unbekannte Personen gesichtet. Zivilbullen interviewten die Nachbarn. Dadurch stellte sich heraus, dass die unbekannten Leute, die da gut beobachtet plötzlich und unerwartet in den verdächtigen Wohnungen auftauchten und wieder verschwanden, Mitglieder einer internationalen Arbeitsgruppe zum Thema Knast waren. Der Typ organisierte Forschungsprojekte über den AStA der Technischen Universität, der alle paar Monate Gäste nach Berlin lud, um dort über die unterschiedlichen Erfahrungen in unterschiedlichen Ländern zu diskutieren. Die E-Mail-Überwachung funktionierte bei Adressen aus außereuropäischen Staaten nicht so gut, und daher vermutete man erstmal Kontakte zu staatsfeindlichen Bewegungen. Während einer fingierten U-Bahn-Kontrolle konnte dann einer der Berliner Gäste identifiziert werden. Der Idiot war schwarzgefahren, und die Vermutung des INTERNATIONALEN POLIZISTEN wurde erhärtet. Der Schwarzfahrer war Katalane und in Spanien als anarchistischer Cypherpunk registriert. Der Verdacht, dass der Typ aus Hamburg dadurch Kontakt zum INTERNATIONALEN TERRORISMUS hatte, veranlasste den INTERNATIONALEN POLIZISTEN bei nächstbester Gelegenheit dazu, eine Abhöraktion zu starten.

Der Typ, hier K genannt, schrieb einem anderen Typen in Köln und kündigte seinen Besuch an. Der INTERNATIONALE POLIZIST startete daraufhin einen Lauschangriff auf die Kölner Wohnung. K kam, die beiden waren alte Studienfreunde, quatschten viel, aber nichts Verwertbares. K wollte einige Sachen für das Maklerbüro klären und ein paar weitere Freunde besuchen. So, so. Vierundzwanzig Stunden lang, drei Tage hindurch, wurde abgehört aber von den konspirativen Freunden in den konspirativen Wohnungen keine weitere Erkenntnis gewonnen. Das schien erst recht suspekt. K fuhr wieder nach Hamburg, sein Freund P wurde weiterhin observiert.

P war vollständig unverdächtig. Er arbeitete als Ingenieur in einer Installationsfirma, hatte Ehefrau, zwei Kinder, keine Schulden, einen E-Opel, blau. Aber wie sich herausstellte hatte P eine Geliebte, von der seine Frau nichts wusste. Die Abhörelektronik registrierte es mit ihren digitalen Ohren. P traf die Frau in unregelmäßigen Abständen in seiner Wohnung, meist wenn Ehefrau und Kinder Besuche bei der Verwandtschaft machten. P hatte ständig Angst, erwischt zu werden, hatte bisher Glück gehabt, jetzt lauschte der INTERNATIONALE POLIZIST. Die Geliebte war wie er politisch nicht besonders oder wenigstens nicht verdächtig interessiert, das enttäuschte den INTERNATIONALER POLIZIST, hier schien eine Sackgasse zu sein. Weder P noch die Geliebte noch sonst wer äußerten relevante Worte während der gesamten Abhöraktion. Dass die ganze Arbeit umsonst gewesen sein sollte, gefiel dem Dienstleiter überhaupt nicht. Der Plan Integrierung lief an.

P sollte in den Sold des INTERNATIONALEN POLIZISTEN treten. Immerhin kannte er ja K aus Hamburg. Dieser Kontakt sollte gehegt und gepflegt werden, sodass ein Informationsfluss unbeschreiblicher Schönheit von K über P zum INTERNATIONALEN POLIZISTEN sich in Bewegung setzen würde. Ein Herr mit einer Locksumme von 10.000 Kryptocoins in einer geheimen Wallet klingelte bei P, als dieser zufällig gerade völlig allein zu Hause war. Als P trotz der 10.000 seine Zusammenarbeit verweigerte und stattdessen mit der Macht der Jurisdiktion drohte, zeigte der fein gekleidete Herr einige Videos, die man durch die Aktivierung der Kamera in Ps Laptop erlangt hatte. P mit seiner Geliebten. Der Mann war schnell überzeugt. Er bot seine Mitarbeit an, solange er die Garantie hatte, dass seine Ehefrau nie etwas von seiner Geliebten erfahren würde.

Obwohl der Kontakt zwischen P und K äußerst spärlich war, blieb P weiter Zuträger des INTERNATIONALEN POLIZISTEN. Aber P bekam Probleme mit seiner Realitätsprüfung. Seit der Lauschaktion vermutete er überall elektronische Ohren. Seine ursprüngliche Wohnung verließ er samt Familie, trotzdem wurde er zusehends seltsamer. Er sprach kaum noch, da er ständig Angst hatte, etwas zu sagen, was ihn erpressbar machte. Mit der Zeit misstraute er allen Freunden, sogar seiner Frau und seinen Kindern. Nach wenigen Monaten sprach er fast gar nichts mehr, nur noch unter der Dusche oder neben einem aufgedrehten Wasserhahn. Die Ehe zerbrach, er verlor seinen Job und landete letztendlich in der Psychiatrie. Dort sprach P nur noch mit seiner Geliebten, das war ungefährlich, da sie ja unverdächtig war, weil die das alles schon wussten. Als ihn eines Tages seine Frau besuchte, versuchte er ihr mit einem Küchenmesser die Ohren abzuschneiden. In dem darauffolgenden Handgemenge erstach P sich selbst.

Eine Woche später eröffnete ein Untersuchungsausschuss des Hamburger Senats den Fall Herr K. K war es gelungen, eine Abhöraktion zu belegen, nicht in Köln, sondern in Berlin, in einer der vermuteten konspirativen Wohnungen. Aber weder die Abhöraktion in Köln, noch die in Berlin, konnte restlos aufgeklärt werden. Der INTERNATIONALE POLIZIST verteilte Genehmigungen von Aussageverweigerungen für seine Kollegen. Zwar gab es schriftlich fixierte Dienstanweisungen aber wie immer keine Verantwortlichen. Letztendlich, nach monatelanger Arbeit des Untersuchungsausschusses, musste ein V-Mann seinen Job wechseln. Vom Staatsdienst in die Wirtschaft mit den Weisungen des INTERNATIONALEN POLIZISTEN in der Tasche. Einmal Spion, immer Spion.

Nana klappte den Laptop zu und schaute mich an.

»Die verdrehen die Wirklichkeit so, wie es ihnen passt.«

»Wenn wir das machen würden, wären wir Lügner oder Wahnsinnige.«

Nanas Bericht hatte mich wirklich aufgeregt. Während sie erzählte, hatte ich besorgt das Anti-Virus-Programm gestartet aber nichts Außergewöhnliches entdeckt. Aber ein gehacktes Mikrofon konnte überall sein. Überall! Ich kratzte mich am Kopf. Vielleicht hatte ich ein Wunder der Mikroelektronik ja im Haar? Ich schloss die Augen, atmete tief durch und schrie.

»Scheiße.«

Das half ein wenig. Nana guckte ironisch und grinste.

»Reg dich doch nicht immer so auf. Hier, nimm Vital-Kopfexplosion, die Chemie der Beruhigung.«

Und sie saß da wie eine Puppe, blinkerte mit den Augen, lächelte und hielt die imaginäre Pillendose in die Luft.

»Nana, bitte«, schluchzte ich. Die Welt war wieder ungerecht und hart. Da half nur noch eins. Ein FUCKING-BIER-INTERNATIONAL. Ich stürmte zum Kühlschrank, fischte eine Dose heraus und trank mit gierigen, verzweifelten Schlucken.

»Ok, Baby«, knurrte ich Nana jetzt an, »erzähl mir ruh i g mehr davon, ich bin ein Wolf, ich kann das alles fressen, ich habe sogar Hunger, gib mir mehr von dieser irren Speise.«

»Oh ja! Ich erzähle dir noch eine Story. Hör zu. Es gibt die beiden Supercomputer NADIS und INPOL. NADIS vom INTERNATIONALER POLIZIST, INPOL von EUROPOL. Im Zug der Zusammenführung beider Datenbanken war eine Standleitung zwischen beiden Computern vorgesehen. Geplant wurde direkt in der europäischen Zentrale des INTERNATIONALEN POLIZISTEN. Eines Tages hatte ein Mitarbeiter vergessen, sich aus dem Planungsprogramm auszuloggen. Für jeden, der sich mit dem Programm auskannte, waren anscheinend hochgeheime Informationen zugänglich. Das Türschloss verzeichnete nach Dienstschluss noch einmal das Öffnen des Raumes mit dem wissenden Terminal. Die Putzkolonne hatte ihre Arbeit getan. Das Büro der Versuchung wurde von einer Türkin geputzt. Obwohl es höchst unwahrscheinlich war, dass die Frau auch nur einen blassen Schimmer von der Bedienung des Programms hatte, wurde sie fortan observiert. Die Schnüffelhunde des INTERNATIONALEN POLIZISTEN entdeckten Kontakte eines Sohnes zur KURDENMILIZ. Daraufhin aktivierte der INTERNATIONALE POLIZIST seine Spezialisten im Nahen Osten. Einige Wochen später verschwand dieser Sohn, als er Verwandte in der Türkei besuchte.

Davor hatte er einem befreundeten Journalisten gegenüber den Verdacht geäußert, observiert zu werden. Jetzt stand dieser Journalist aber selbst auf einer Liste des INTERNATIONALEN POLIZISTEN und bekam es nach dem unergründlichen Verschwinden des Freundes verstärkt mit der Angst zu tun. Er wollte sich in China absetzen, erhielt aber zuvor einige Informationen, die ihm Hoffnung machten, den Verbleib seines Freundes aufzuklären. Kurze Zeit später tauchte der Sympathisant der KURDENMILIZ wieder auf. Tot! Gefoltert und verstümmelt. Der Journalist hatte aber inzwischen Daten in den Händen, die man als Tötungsauftrag lesen konnte, von einem leitenden Beamten des INTERNATIONALEN POLIZISTEN unterzeichnet. Der Fall flog auf, einige Beamte wechselten die Positionen. Der Journalist sitzt inzwischen in einer Psychiatrie. Er gilt als gemeingefährlich und hat Kontaktsperre.«

»Und die Mutter des Toten? »

»Ist entlassen worden.«

»Und die Computer?«

»Leben fröhlich und planen mit neuem Login-Code eifrig vor sich hin.«

»So schließt sich der Kreis.«

»Auch die in der Türkei verwendeten obligatorischen Leichentücher des INTERNATIONALEN POLIZISTEN für die in Notwehr gefolterten Verbrecher stammen aus westlichen Webereien.«

»Weiter, weiter!«

»Die Schminke, die den Toten das Antlitz der Friedfertigkeit geben soll, stammt aus Südamerika.«

»Seltsam.«

»Der Vorstand der Kosmetikfirma stammt natürlich aus Europa.«

»Da ist es wieder.«

»Sie sind überall.«

Mein FUCKING-BIER-INTERNATIONAL war alle. Ich brauchte jetzt unbedingt eine Stärkung. Oh Gott, gib mir bewusstseinsverändernde Drogen, dachte ich. Ich verkrafte die Realität sonst nicht. Ich rannte zum Kühlschrank, riss die Tür auf, da stand allein im Zentrum des sonst leeren Kühlschranks eine letzte Dose FUCKING-BIER-NTERNATIONAL. Die Dose leuchtete. Sie hatte eine intensive hellblaue Aura. Auf dem Weißblech blinkte ein grünes Auge. Ich erschrak. Ich erschrak sogar ziemlich. Ich schepperte die Tür wieder zu, sprang zwei Meter zurück und stieß mir dabei den Kopf an einem Regalbrett. Dann öffnete ich den Kühlschrank vorsichtig noch einmal. Beinahe hätte ich wieder die Tür zugeknallt. Aber ich beherrschte mich. Die Dose war immer noch da. Sie schwebte im Zentrum des Kühlschranks und leuchtete nun etwas blasser. Das smaragdgrüne Auge hatte keine Pupille. Aber das Auge duftete. Es duftete unverkennbar nach FUCKING-BIER-INTERNATIONAL. Langsam bewegte ich meine Hand nach vorne, es veränderte sich nichts. Dann kniff ich die Augen zu und schnappte mir die Dose. Als ich wieder die Augen öffnete, lag eine ganz normale FUCKING-BIER-INTERNATIONAL-Dose in meiner Hand. Alles schien normal. Verwirrt ging ich zu Nana zurück.

»Ich glaube, ich habe genug von den Storys. Ich bekomme schon Visionen. Ich glaube, ich werde verrückt. Am Ende landen wir in der Psychiatrie. Die Dose hier schwebte eben leuchtend im Kühlschrank und hatte ein smaragdgrünes Auge. Prost!«

Ich trank. Nana kicherte.

»Oh, ich kenne das!«

»Was? Das mit der Bierdose?«

»Bei mir sind es grinsende Joghurts.«

»Was?«

»Grinsende Joghurts! Ich gehe an den Kühlschrank und es schweben ein paar Joghurtbecher herum und leuchten. Und sie grinsen. Frag mich nicht wie. Sie grinsen eben.«

»Grinsende Joghurts?«

»Grinsende Joghurts!«

»Wow! Leuchtende Bierdosen und grinsende Joghurts. Sag, dass das nicht wahr ist. Ich drehe hier noch durch.«

»Nimm es einfach als neue Erfahrung.«

»Neue Erfahrung?«

»Warum nicht?«

»Vielleicht saufe ich einfach zu viel?«

»Und ich lese zu viel?«

»Ach, so einfach ist das alles zu erklären?«

»Nur Stresserscheinungen.«

»Schade, dass wir es tatsächlich sehen.«

»Wir sehen es nicht, wir glauben das nur.«

»Aber irgendetwas sehen wir doch!«

»Etwas Fremdes.«

»Etwas Angsteinflößendes.«

»Lassen wir die Angst weg!«

»Ok, nehmen wir es einfach als neue Erfahrung.«

Die grinsenden Joghurts und die leuchtende FUCKING-BIER-INTERNATIONAL-Dose beunruhigten mich jetzt nicht mehr. Und außerdem schmeckte das FUCKING-BIER-INTERNATIONAL einwandfrei, leicht bitter und schön kühl. Nana blickte gedankenverloren auf ihren Laptop, ihre Finger glitten ziellos über das Touchpad.

»Ich hätte ja noch eine Story auf Lager.«

»Oh nein, Nana, tu mir das nicht an.«

»Eine Selbstverarschungsstory des INTERNATIONALEN POLIZISTEN?«

»Ok, um was geht es?«

»Es war einmal Manager X. X arbeitete in einem Unternehmen, das Elemente für die Elektronik von Computern herstellte, die von der Rüstungsindustrie für Raketenlenksysteme verwendet wurden. Alles war höchst geheim. Und das Unternehmen war höchst erfolgreich, unterstützt von den Forschungsgeldern aller möglichen Interessenten. Das Unternehmen wollte expandieren. Es benötigte neue Arbeitskräfte. Zum Teil auch einfache Fließbandarbeiter für den Gerätebau. Da gab es keine Empfehlungsliste, die die seelische Verfassungstreue für die Firma bezeugten. X entschloss sich, eine ehrwürdige Unternehmensberatungsfirma zu beauftragen. X traf sich mit einem Vertreter der Firma, der ihm versicherte, genügend Kenntnis in der Personalforschung zu besitzen, um die Personen mit den notwendigen Veranlagungen herausfiltern zu können. X konnte sich erinnern, dass das Gespräch bald sehr vertraulich wurde. Beide fanden sich von Anfang an sympathisch und in ihren Interessen vereint.

Jetzt arbeitete X auch für den INTERNATIONALEN POLIZISTEN. Dabei ging es weniger um die Geheimnisse der Computertechnologie als um das außerdienstliche Verhalten der Geheimnisträger. Der INTERNATIONALEN POLIZIST hatte X selbst über seinen Alkoholismus gekapert. Er soff und teilte erfreut mit, wenn einer seiner Kollegen auch soff. Oder homosexuelle oder ehebrecherische Neigungen zeigte. Oder Unregelmäßigkeiten im Dienst. Einer seiner Kollegen war Vegetarier, das schien verdächtig. Aber im Großen und Ganzen waren sie ein annehmbarer Haufen. Sie soffen, vögelten, fraßen und sie arbeiteten und das recht gut. Aber X war nicht besonders glücklich. Ob er nun soff, weil er unglücklich war oder unglücklich, weil er soff, blieb ihm bis zum Erscheinen von Priester Alpha ein Rätsel. Priester Alpha war der Unternehmensberater, mit dem sich X sogleich so gut verstanden hatte.

Priester Alpha war Mitglied der Vulpis-Sekte und zeigte Manager X den Weg der Erlösung. Die Sekte ist hierarchisch als Geheimbund organisiert, auf jeder Stufe gab es einen neuen Happen Geheimwissen mit dem Versprechen von Erfolg und Glück. Manager X trank bald weniger und las öfters die Schriften der Sekte. Er besuchte Seminare und Trainingslager und machte schnell Karriere innerhalb der Organisation. Zusammen mit Priester Alpha versuchten sie vorsichtig auch andere Angestellte auf ihre Linie zu bringen. Schließlich erreichte Manager X die Weihung, die ihm seinen bisherigen Lehrer ebenbürtig machte. Dies war eine der ausgezeichnetsten Stellungen innerhalb der Sekte und gleichzeitig ein Sprung in eine ganz andere Wissensebene, gegen die sich die vorab gereichten Informationen wie kalter Kaffee ausnahmen. Aber um diese Schwelle der Erleuchtung betreten zu können, musste X eine Prüfung ablegen. Die Prüfung lag darin, Informationen vom INTERNATIONALEN POLIZISTEN zu beschaffen. Manager X bestand die Prüfung, erhielt das dritte Coptagramm der Erleuchtung und trank wieder etwas mehr, sein Job war nun doppelt gefährlich.

Auf der einen Seite stand der INTERNATIONALE POLIZIST, dem er anfangs noch treu berichtet hatte, auch in Andeutungen von den Arbeitsformen des Herren von der Unternehmensberatungsfirma. Auf der anderen Seite lauerte die Sekte mit ihrer inneren Polizei und Erpressung. Schließlich hatte X auf dem Weg der Weihe so einiges getan, was der Veröffentlichung besser entgehen sollte, wollte er nicht seinen Ruf und damit vielleicht seine Stellung verlieren. Die Doppelfront erhöhte seinen Alkoholkonsum schließlich so weit, dass sein Verbindungsmann beim INTERNATIONALEN POLIZISTEN betreten hüstelte und sein Bruder Priester Alpha ihm Recyclingseminare in der nordamerikanischen Zentrale empfahl. Dann unterlief X ein schwerwiegender Fehler während seiner Informationssuche im Datennetz des INTERNATIONALEN POLIZISTEN. Manager X, alias Priester Gelber Boden, wurde vom Dienst suspendiert, verhaftet, verurteilt. Aber inzwischen hatte er schon sensible Informationen verschiedener Rüstungsfirmen aus den Computern des INTERNATIONALEN POLIZIST auspalavert, die nun die ökonomische Planung der Sekte gut für die Taktik ihrer eigenen Wirtschaftsinteressen verwenden konnte.«

Nana schüttelte ihren Lockenkopf.

»Die Sekte hatte in ihrem Leitfaden zwei Gebote unserer Zeit. Glück und Wohlstand. Klingt wie ein typischer Werbeslogan. Unendliche Mittel für unendlichen Konsum hieß es bei Vulpis, unendliches Glück durch Selbstoptimierung und all dies gut verstrickt zu einem passenden Mützchen, das man sich zum Zwecke der Seelsorge und des Ohrenwärmens überziehen konnte.«

Nana war sichtlich desillusioniert und starrte mich hilflos an.

»Den INTERNATIONALEN POLIZISTEN hat es dabei wenigstens auch erwischt«, sagte ich, »toter Feind, guter Feind.«

»Du Maoam«, sagte Nana, »aber gesiegt hat die ewige Suche nach Glück. Das gekaufte Glück.«

»Was wäre besser?«

»Das geklaute Glück.«

Das war einer der Sätze, bei denen ich mir nicht sicher war, wie ernst Nana sie meinte. Ihr Zwang zum Klauen war eine Leidenschaft, aus der sie immer wieder eine Philosophie machte.

»Ok«, sagte ich, »also noch ein FUCKING-BIER-INTERNATIONAL.«

Ohne böse Vorahnungen ging ich zum Kühlschrank. Den Vorfall vor einigen Minuten hatte ich schon vergessen. Als ich diesmal die Tür öffnete, wurde ich von einem sprechenden Joghurtbecher empfangen. Er war ein Erdbeersahnejoghurt und sprach in dunklem Bariton.

»Sei gegrüßt, du nichtsdrehender Eiweißberg.«

Ich schluckte. Die Halos kamen bei FUCKING-BIER-INTERNATIONAL doch eigentlich höchst selten. Aber ich machte ja auch nur eine neue Erfahrung.

»Hallo… äh… wer bist du denn?«

»Ich bin der Rosa Rechtsdreher!«

»So, ja… und was machst du so?«

»Ich warte auf den Knecht des Lichts.«

»Den was?«

»Den Knecht des Lichts.«

»Und wer ist das?«

»Der Knecht des Lichtes ist der Wegbereiter für die Heilige Fackel.«

»Was für eine heilige Fackel?«

»Die Heilige Fackel, deren herabfallende Glut Glück und Wärme sät und durch deren Asche das Wohlbefinden wächst.«

»So, und wann kommt der Knecht?«

»Der Knecht ist gerade angekommen.«

»Wo ist er?«

»Du bist der Knecht!«

»Nee, ich?«

»Ja, du bist berufen, komm her und friss mich. Du wirst schlank und schön sein und kaum Kalorien aufnehmen. Du bist der Bereiter des Lichts. Komm, komm und friss mich.«

Ich schlug die Tür wieder zu. Was war heute nur mit dem Kühlschrank los? Vielleicht schickte mir meine Promillewarnzentrale Visionen, um einigen Körperzellen das Überleben zu sichern? Aber dieser Aufwand schien mir unangebracht. Ich telepathierte die Promillewarnzentrale an.

»Hör mal, ist ok, ich trink nicht mehr so viel, aber lass die Witze mit den Bildern. Die Realität macht mich auch so schon fertig.«

Ich vernahm keines der Zeichen, die verrieten, dass ich gehört worden wäre. Frohgemut öffnete ich den Kühlschrank wieder. Ich hatte die Tür gerade einen kleinen Spalt geöffnet, als ich schon die Stimme des Joghurts hörte.

»Komm, friss mich.«

Ich riss die Tür ganz auf. Der Joghurt schwebt dick und fett und rosa in einer Lichtwolke und hatte eine unheimliche Sogwirkung. Meine Hände wanderten fast von alleine nach vorne. Aber noch bevor ich den vielleicht verheerenden Griff getan hatte, wurde die Kühlschranktür zugeschlagen. Nana stand neben mir.

»Was schreist du denn so?«

»Hab ich geschrien?«, fragte ich verdutzt. Das hatte ich nicht gemerkt.

»Ziemlich laut sogar.«

»Was denn?«

»Hat sich wie ein Rap angehört. FUCK-FUCK-FUCKING-BIER-INTERNATIONAL.«

»Der Geist der Panik hatte mich in seinen Klauen. Jetzt sehe ich schon sprechende Joghurts, die mir erzählen, ich wäre der Knecht des Lichts.«

»Und? Bist du es?«

»Ich glaube, ich verändere meine Wahrnehmung. Manchmal wird mir das echt ein bisschen zu viel, Nana. Warum machen wir uns eigentlich den ganzen Stress?«

»Was willst du sonst tun?«

»Einfach am Strand liegen und faulenzen.«

»Und warten, bis die Scheiße vom Himmel regnet?«

»Nein, nur Sonne!«

»Dann mach mal den Kühlschrank auf.«

Ich sah den Metallkoloss an. Dann Nana. Dann wieder den Kühlschrank. Mit einem Yaqui-Kampfschrei öffnete ich die Tür. Drinnen wartete das FUCKING-BIER-INTERNATIONAL. Bitter und Kühl. Ein FUCKING-BIER- INTERNATIONAL heilt alle Wunden. Ich ging zurück ins Zimmer, ließ mich in einen Sessel gleiten und schaltete irgendein Streamingportal an. Und mich ab.

Magic Stoner

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