Читать книгу Yan Chi Gong - Frank Rudolph - Страница 28

Willst du lange leben, lebe langsam

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Es ist wichtig, die Übungen des Yàn Chí Gōng so langsam wie möglich auszuführen, bis hin zur Bewegungslosigkeit. Dadurch erreicht man körperlich und geistig den besten Trainingseffekt. Der Kopf bleibt vollkommen frei, ohne Gedanken. Nähme man Zeit und Raum nicht mehr wahr, so wäre dies vermutlich der Zustand der vollkommenen Freiheit, nach dem so viele Menschen verzweifelt suchen. Diese Art des Meditationszustandes kann man durch langsame Bewegungen erreichen. Zeit ist so kostbar wie flüchtig. Wir können sie nicht beeinflussen, nur die Wahrnehmung von ihr können wir verändern. Zeit ist auch ein Gefühl. Albert Einstein beschrieb diese Tatsache mit den folgenden Worten: »Eine Stunde mit einer schönen Frau nimmt man anders wahr, als eine Stunde mit einer alten Matrone.« Obwohl die Zeitstunde von der Länge her bei beiden Frauen dieselbe ist, so sind die Wahrnehmung davon und das Gefühl dafür verschieden.

Wir Menschen leiden oft unter Zeitdruck, und unser ganzes Leben »leidet« gewissermaßen an zeitlicher Begrenztheit. Wenn es uns gelingt, die empfundene Zeit für uns zu verlangsamen, bis wir sie gar nicht mehr wahrnehmen, erreichen wir ein freieres Leben. Das liegt in erster Linie an uns selbst, nicht so sehr an unserem Umfeld. Und es kann durch geeignete Bewegungen erreicht werden. Deswegen spricht man auch von Meditation durch Bewegung. Bei der Übung des Yàn Chí Gōng sowie bei allen anderen Gōng-Übungen geht es darum, dem Menschen ein anderes Bewusstsein zu vermitteln, es geht um körperliche und geistige Gesundheit und Freiheit. Ein geistig gesunder und innerlich freier Mensch wird sich keine Sorgen mehr darum machen, was andere von ihm denken. Er wird erkennen, dass ein Slogan wie »Zeit ist Geld« einzig und allein zu gesundheitsschädlicher Hektik antreibt. Man will die Zeit nicht verschwenden, weil auf diese Weise Geld verschwendet wird. Daraus ergibt sich, dass man alles schnell schaffen will, um die Arbeit so schnell wie möglich fertig zu bekommen und somit mehr Geld zu verdienen. Aber abgesehen davon, dass auf diese Weise oft die Qualität der Arbeit leidet und man letztendlich draufzahlen muss, verliert das Leben durch die Eile seinen wahren Geschmack und seinen Sinn. Es ist wie im Straßenverkehr. Wenn jeder versucht, mit seinem Auto so schnell wie möglich zu fahren, entstehen immer mehr Unfälle und es entstehen immer häufiger Staus. In vielen Ländern hat man bereits erkannt, dass man die Geschwindigkeit begrenzen muss, um mehr Sicherheit und einen besseren Verkehrsfluss zu erlangen.

Viele Menschen wollen alles auch deshalb schnell erledigen, um mehr Freizeit zu bekommen, benötigen dann jedoch ihre Freizeit vor allem dazu, sich von den Folge der Hektik notdürftig zu erholen. Es gibt Fast-Food, das schnelle Essen, welches auf Dauer unseren Organismus nachhaltig schädigt, wohingegen liebevoll zubereitetes Essen, das gemächlich verzehrt wird, unserem Körper gut tut. Wir wollen in jungen Jahren soviel wie möglich schaffen, um dann im Alter endlich Zeit für die »wichtigen Dinge im Leben« zu haben. Doch das funktioniert so nicht. Wer in der Jugend nicht lernt, auf »richtige« Weise zu leben, dem bringt das Alter nur Krankheit und Verdruss, und es ist dann nichts weiter als ein Warten auf den Tod.

So lange wir leben, so lange können wir uns verbessern. Die alten xiákè Chinas betonten, dass man zu allen Zeiten ein Krieger ist. Das bedeutet, egal ob man jung oder alt ist, ob man 25 oder 85 Jahre zählt, dass man keinen Wert auf Zahlen wie das Alter oder den Kontostand legt und dass man sich nicht nach den gesellschaftlichen Regeln definiert. Man behält immer einen freien ungebunden Geist und arbeitet ständig an seinen körperlichen Fähigkeiten. Dazu bedarf es lediglich der richtigen Einstellung und geeigneter Trainingsmethoden. Ein Hauptziel des Gōng-Trainings ist die Zeitvergessenheit im Geist und im Herzen. Zeitvergessenheit ist die höchste Form des Glücks und ein Weg zum Erreichen der Ewigkeit.

Yan Chi Gong

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