Читать книгу Kontrolle - Frank Westermann - Страница 14

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They seek us in this unquiet zone

They chase us on from hole to hole

They hunt us down like carrion crows

They search us out like frightened moles

This surely is a dreadful war

An awful waste of guts and gore

An awful waste of human life

This senseless, bloody, bitter strife

We huddled close against the ground

Scared to make the slightest sound

And all around the great guns boom

The constant march of pending doom

Procol Harum - »The Unquiet Zone«

Zwischenbericht - Vic

Die Entscheidung war bereits getroffen. Soweit glaubte er seinen Bruder zu kennen. Das Verlangen nach Zeit zum Überlegen hätte nichts anderes zu bedeuten, als dass er nicht mitmachen würde.

Aber hatte er etwas anderes erwartet?

Scheiße! Da versuchte er nun, seinem Bruder irgendwie zu helfen, ihm etwas anzubieten, und der Typ schlug es geradewegs ab.

Vic stieg auf sein Motorrad und ließ es wütend an. Wie hatte er nur annehmen können, dass ein so anderer Mensch als er, in irgendeiner Weise auf sein Angebot eingehen könnte? Nicht, dass er Angst hätte, Speedy könnte etwas verraten, aber diese verschleierte Absage irritierte ihn doch ganz gewaltig, obwohl er sich so was hätte denken können.

Was sollte man mit so einem Träumer anfangen? Speedy war immer auf der Suche, jagte irgendwelchen Hirngespinsten hinterher. Wahrscheinlich wusste er noch nicht mal, wonach er suchte. Na, es würde auch ohne ihn hinhauen. Schließlich waren sie nicht auf ihn angewiesen, es wäre nur ganz schön gewesen …

Während Vic die Stadt hinter sich ließ - unbehelligt von Cops -, musste er flüchtig an das Camp denken. vielleicht wäre Speedy dort besser aufgehoben. Er selbst konnte mit den Leuten nicht allzu viel anfangen. Er war überzeugt davon, dass dieses Experiment eines Tages in die Hose gehen würde. Der äußere Druck war einfach zu groß und wirkte sich zunehmend auf die ganze Gruppe aus. Es würde einfach auffliegen, mit einem Schlag. Er konnte daran nichts ändern. Diese Leute konnten höchstens durch das schnelle Zuschlagen der Gangs gerettet werden.

Es war eben schon richtig, erst in der Stadt selbst die Verhältnisse zu ändern. Und das war gar nicht mehr so lange hin. Er hoffte, dass diesmal nichts dazwischenkam. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren.

Diese Gedanken gaben ihm wieder Auftrieb. Vic öffnete den Helm. Er donnerte mit Vollgas über die Brücke, welche die Stadt von draußen trennte. Die Abendluft schnitt ihm ins Gesicht. Manchmal glaubte er, die Cops wagten es gar nicht, ihn zu kontrollieren, da sie die Folgen fürchteten. Aber das war wohl nur eine Illusion. Drohend schüttelte er die Faust gegen das Stadtbild.

»Du wirst nicht mehr lange so stehen!«, rief er.

Und dann fühlte er sich wieder zu Hause. Ein warmes, sicheres Gefühl stellte sich ein, als er den gewohnten Schleichweg einschlug. Dies war sein Bereich, hier spielte sich zum großen Teil sein Leben ab, schon lange Zeit. Aber bald brauchten sie sich nicht mehr zu verstecken. Die Stadt und alles andere würde ihnen offenstehen. Es würde sich alles grundlegend ändern.

Er umfuhr spielend alle größeren Hindernisse und wich den gefährlichen Stellen aus. Hier war es schon dunkel. Kein Licht funktionierte mehr, die Ruinen, Straßenspalten und Steinklötze waren im Mond- und Sternenlicht kaum sichtbar. Aber er kannte sich aus, und es machte ihm wahnsinnig Spaß, die Maschine voll auszufahren, wo es ging.

Er hatte lange daran herumgebastelt. Wenn die Cops wüssten, was in ihr steckte, würden sie ihn bestimmt nicht noch mal ohne weitere Untersuchung durch eine Kontrolle lassen. Wahrscheinlich würde er nicht lebend durchkommen. Nicht nur die hohe Geschwindigkeit und der eingebaute A-Grav waren gesetzeswidrig, es gab einen Schutzprojektor gegen Energiewaffen und eine getarnte Mini-MP. Und auf unerlaubten Waffenbesitz stand seit eh und je die Todesstrafe. Außerdem war der Schlitten durch seine Kompaktbauweise enorm wendig und bot einen ungemein sicheren Halt. Er war schon ziemlich stolz darauf. Davon abgesehen war seine Gang sowieso eine der Bestausgerüstetsten. Schließlich hatte sie ja auch die Führungsrolle und damit die gefährlichste Aufgabe in der bevorstehenden Schlacht übernommen. Das kam hauptsächlich daher, dass sie die Pläne und die Strategie lange vor den anderen entwickelt hatten. Vic sorgte allerdings dafür, dass die anderen Gangs nicht überfahren oder bevormundet wurden. So etwas wie Streit im eigenen Lager war das Letzte, was sie gebrauchen konnten.

Er mied wie immer das Tonc-Vicrtel. Die Tonc-Gang war nicht gerade gut auf sie zu sprechen. Man wusste nicht recht, auf welcher Seite sie stand. Seit einiger Zeit gingen die Gangs zwar Auseinandersetzungen untereinander aus dem Weg, aber man brauchte sie ja nicht gerade zu provozieren. Und die Toncs hatten eine extrem andere Einstellung als zum Beispiel die Change-Gang, deren Chef er war. Die Toncs arbeiteten ziemlich offen mit der Bürokratie zusammen. Den Cop-Streifen waren sie manchmal lieber als irgendwelche irren Amokläufer, die sich in den Randbezirken verkrochen hatten. Und natürlich profitierten beide Seiten davon.

Vics Bemühungen war es schließlich zu verdanken, dass es zu einer Art Waffenstillstand zwischen Toncs und Change gekommen war. Andererseits sahen sich die Toncs nämlich einem wachsenden Druck der anderen Gangs ausgesetzt, die vor kurzem beschlossen hatten, nach dem Grundsatz zu handeln, sich vor von außen drohenden Angriffen gegenseitig zu schützen - egal, welche Differenzen es sonst zwischen ihnen gab.

Dieser Beschluss war das Ergebnis einer eilig einberufenen Zusammenkunft der verschiedensten Gangs. Nie hatte es vorher eine solche Versammlung gegeben. Diese war notwendig gewesen, als die Entscheidung der Regs, die zersplitterten Gangs aufzureiben, bekannt geworden war. Die eingeschleusten Spitzel der Gangs in den Reihen der Bürokratie hatten damals eine äußerst dringende Warnung durchgegeben. Die Aktion der Militärs und Cops stand unmittelbar bevor, und es war die Anweisung erteilt worden, ohne Rücksicht auf Verluste vorzugehen und somit das Problem der Gangs ein für allemal zu beseitigen.

Und auch hier hatte Change eine wichtige Rolle gespielt. Es war ihr nämlich gelungen, nach harten Redeschlachten und offenen Kämpfen sogar ehemals verfeindete Gangs zu dem Bündnis zusammenzuschließen. Seitdem hatte Change immer wieder die Position des Vermittlers eingenommen, was allgemein unter den Gangs respektiert wurde. Dies Bündnis war aber auch das Einzige, was die Banden zusammenhielt. Die anderen Konflikte wurden weiterhin mehr oder weniger brutal ausgefochten.

Immerhin wurden die Kommandos der Regs erfolgreich zurückgeschlagen. Anscheinend hatten sie so massiven Widerstand nicht erwartet. Und es kostete die Regs sehr viel Mühe, diese Schlappe vor der Bevölkerung zu verheimlichen. Nach der offiziellen Version war die Niederlage ein Sieg gewiesen, ein Terrorschlag krimineller Elemente, die die Staatsordnung bedrohten, war verhindert worden. Diese in aller Eile zusammengeschusterte Propaganda hatte ihre Wirkung aber nicht verfehlt. In der Stadt regte sich nichts.

Als dann die Gangs ihrerseits drohten, ihre Streifzüge in die Stadt auszudehnen und etwas großzügiger anzulegen, hatten die Regs nichts Eiligeres zu tun, als den Befehl zur Ausrottung zurückzunehmen und den Gangs zu versichern, dass sie in Zukunft vor Aktionen der Cops sicher sein würden, wenn sie es nicht zu schlimm trieben.

Vic sah noch das Gesicht von Doc Warwick auf der entscheidenden Zusammenkunft. Unsicher war er gewesen, der hohe Herr. Vic hatte es ihm deutlich angemerkt. Trotzdem machte er sich nichts vor. Gut, die Regs hatten sich zu diesem Zeitpunkt keine offene Konfrontation leisten können. Aber wenn sie gut vorbereitet wären und nicht wie diesmal überrascht werden konnte, würde von den Gangs nicht viel übrig bleiben. Er war sicher, dass die Bürokraten schon jetzt für dieses Ereignis rüsteten. Schon deshalb musste man ihnen zuvorkommen. Es war die einzige Möglichkeit zum Überleben.

Die gesamte Stärke der Staatssicherheitstruppen war ziemlich genau bekannt. Deshalb war auch der ursprüngliche Plan von Change und einigen befreundeten Gangs, die Stadt offensiv anzugreifen, immer wieder abgelehnt worden. Vic wurde etwas mulmig, wenn er daran dachte, dass er selbst mal hinter dieser Absicht gestanden hatte.

Aber selbst als Leader hatte er nicht die Macht, den Mitgliedern einfach etwas aufzuzwingen, schon gar nicht eine so lebensentscheidende Sache. Die meisten Gangs waren ohnehin gegen diesen Plan, sodass er nie durchgeführt wurde - zum Glück, wie Vic jetzt wusste.

Dadurch wurde er daran erinnert, wie Stucker zu ihnen kam. Die Dorados hatten ihn aufgelesen. Er hatte vor Angst und Unsicherheit gezittert, als er Vic gegenüberstand. Und er hatte wirklich unverschämtes Glück gehabt. Wäre er zum Beispiel den Toncs in die Hände gefallen, hätte man wohl kaum seine Leiche wiedererkannt. Aber er hatte es geschafft, bis zu ihm vorzudringen. Woher er Vics Bedeutung innerhalb der Hierarchie der Gangs kannte, hatte er nie verraten. Vic argwöhnte, dass da Speedy eine ungewollte Rolle spielte.

Egal, als er jedenfalls dastand, hatte er vor Stottern kaum einen Satz hervorbringen können. Er hatte viel drumrumgeredet, bis Vic ihm zu verstehen gab, dass er offen sprechen konnte. Hier würde ihm keiner die Kehle aufschlitzen. Und dann rückte Stucker mit dieser erstaunlichen Idee heraus: ein Angriff auf ausgewählte Ziele, der den Verteidigungsapparat der Stadt lahmlegen sollte. Vic und die anderen von Change waren zunächst sehr misstrauisch gewesen: ein Spion hätte keinen besseren Vorschlag machen können. Dann hatten sie Stuckers Vergangenheit durchleuchtet, ihn pausenlos verhört, seine Freunde befragt und seine Wohnung peinlich genau durchsucht. Es hatte sich jedenfalls kein Hinweis ergeben, dass Stucker nicht der war, für den er sich ausgab: ein Typ, der die Schnauze von dem erbarmungslosen Leben in der Stadt voll hatte und sich einige umstürzlerische Gedanken zur Veränderung dieser Situation gemacht hatte.

Und Stucker besaß vorzügliche Informationen. Er hatte Connections zu allen möglichen behördlichen Stellen und kannte selbst Leute bei den Cops und im sogenannten Parlament. Daher wusste er auch, wo die Nervenstellen der Regs lagen: die Computerzentrale, die Ausweichstation, das Robot-Lager, die Befehlssektion usw.

Der Plan war lange diskutiert worden, bis er von der Mehrheit akzeptiert wurde. Und dann kam noch die lange Zeit der Vorbereitungen: die Suche nach Verbündeten, das Beschaffen von geeigneten Waffen-, die Organisation von Störmanövern und strategischem Vorgehen.

Zu diesen Vorbereitungen gehörte auch, dass Vic Stucker mit zum Camp nahm. Er hoffte, dass diese Leute sich vielleicht beteiligen würden, wenn sie Stucker zugehört hatten. Aber es war vergebliche Mühe gewesen. Sie hatten eben einen anderen Weg eingeschlagen. Es bestanden zwar lose Verbindungen zwischen Change und dem Camp, aber die Auffassungen waren zu verschieden, als dass gemeinsame Aktionen möglich gewesen wären. Außerdem vertrat die Mehrheit im Camp die Ansicht, dass der Plan nicht zum Erfolg führen könnte - aus fadenscheinigen Gründen, wie Vic fand.

Und nun stand die Offensive kurz bevor. Selbst Vic hatte ein merkwürdiges Gefühl, wenn er daran dachte. Schließlich war es die zweite Entscheidung, die sein Leben grundsätzlich verändern würde. Der erste Schritt war sein Eintritt bei Change gewesen. Doch das war lange her und gehörte schon der Vergangenheit an, über die er nicht mehr nachdachte.

Vic bog um die Ecke eines Trümmerblocks und überquerte eine aufgerissene Straße. Er überlegte kurz, ob er bei Moro vorbeifahren sollte. Aber er hatte irgendwie keine Lust, sie zu sehen. Wenig später stoppte er vor der verborgenen Einfahrt: das Quartier von Change!

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