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Eine Seele lebt in allem

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Alle lebenden Wesen sind durch ihre Körper voneinander getrennt; was ihnen aber Leben gibt, ist in allen ein und dasselbe.

Das göttliche der Seele vereint die Menschen

Die Lehre Christi offenbart den Menschen, dass in ihnen allen ein und dasselbe geistige Wesen lebt und dass sie alle Brüder sind, und vereint sie dadurch zu einem frohen Leben.

Nicht genug, dass in jedem Menschen ebensolche Seele lebt, wie in mir: in jedem Menschen lebt vielmehr genau dasselbe wie in mir. Alle Menschen sind durch ihre Körper voneinander getrennt; durch das eine geistige Wesen aber, das allem Leben gibt, miteinander vereint.

Mit den Menschen eins sein, ist ein großes Glück. Wie soll man es aber anfangen, mit allen eins zu werden? Ich vereinige mich mit meinen Angehörigen, aber wie mit den Übrigen? Vereinige mich mit meinen Freunden, mit allen Russen, allen Glaubensgenossen. Wie aber mit denen, die ich nicht kenne: mit anderen Völkern, Andersgläubigen? Es gibt so viele Menschen, und alle sind so verschieden. Was soll man da tun?

Es gibt nur ein Mittel: die Menschen vergessen; nicht daran denken, wie man sich mit ihnen vereint, sondern nur darauf sein, mit dem einen geistigen Wesen eins zu werden, das in mir und allen Menschen lebt.

Wenn man an die Millionen und Abermillionen Menschen denkt, die irgendwo, zehntausend Kilometer weit, ebensolches Leben führen wie ich, und von denen ich nichts weiß, und die von mir nichts wissen – so fragt man sich unwillkürlich: besteht wirklich ein Zusammenhang zwischen uns? Werden wir sterben, ohne etwas voneinander zu wissen? Das kann nicht sein!

Tatsächlich: es kann nicht sein. Wie sonderbar es auch klingt – ich fühle und weiß, dass zwischen mir und allen Menschen in der Welt, Lebenden wie toten, ein Zusammenhang existiert.

Worin dieser Zusammenhang besteht, kann ich nicht fassen und nicht sagen; ich weiß aber, dass er besteht.

Ich erinnere mich, dass mir jemand sagte, in jedem Menschen existierten viele sehr gute, sehr menschenfreundliche Eigenschaften, aber auch sehr viel schlechte, viel Missgunst; und je nachdem, wie der Betreffende veranlagt sei, kämen bald die einen, bald die anderen Eigenschaften zum Vorschein. Das ist vollkommen richtig.

Der Anblick fremder Leiden erweckt nicht nur in verschiedenen Menschen, sondern in ein und demselben Menschen oft ganz entgegen gesetzte Gefühle: bisweilen Mitleid, bisweilen aber auch etwas wie Vergnügen, das sich zeitweilig bis grausamer Schadenfreude steigert.

Ich habe an mir bemerkt, dass ich auf alle Wesen bisweilen mit herzlichem Mitleid, bisweilen sehr gleichgültig, manchmal auch voll Hass und sogar Schadenfreude blicke.

Das zeigt deutlich, dass wir zwei verschiedene Arten der Erkenntnis besitzen: die eine, wenn wir uns als Einzelwesen erkennen, wenn alle Wesen uns völlig fremd erscheinen, wenn sie alle „Nicht-Ich“ sind. Dann können wir gegen sie nichts anderes als Gleichgültigkeit, Neid, Hass, Schadensfreude empfinden. Die andere Erkenntnisart ist die mittels des Bewusstseins unserer Einheit mit allen. Bei dieser Erkenntnisart erscheinen uns alle Wesen ebenso, wie unser Ich; deswegen erweckt ihr Anblick in uns Liebe.

Die eine Erkenntnisart trennt uns durch eine undurchdringliche Wand, die andere beseitigt die Wand und wir fließen in eins zusammen. Die eine Art lehrt uns erkennen, dass alle übrigen Wesen „Nicht-Ich“ sind; die andere lehrt, dass alle anderen Wesen ebensolche Ich sind, als welche ich mich erkenne.

Je mehr jemand für seine Seele lebt, umso mehr fühlt er seine Einheit mit allen Lebewesen. Leb für deinen Körper, so bist du allein zwischen lauter Fremden; leb für deine Seele, so sind alle dir verwandt.

Der Fluss gleich nicht dem Teich, der Teich nicht dem Fass, das Fass nicht der Kelle mit Wasser. Im Teich und Fluss, im Fass und in der Kelle ist aber ein und dasselbe Wasser. So sind auch alle Menschen verschieden; der Geist aber, der in ihnen lebt, ist in allen ein und derselbe.

Nur dann versteht man sein Leben, wenn man in jedem Menschen sich selbst erblickt.

Sprichst du mit jemandem und blickst ihm gerade in die Augen, so fühlst du dich mit ihm verwandt, fühlst gleichsam, dass du ihn schon längst gekannt hast. Woher rührt das? Daher, dass dasjenige, wodurch du lebst, in dir und ihm ein und dasselbe ist.

In jedem Menschen lebt der Geist, der das höchste ist in der Welt; deswegen: was jemand im Leben auch sein mag: Würdenträger oder Sträfling, Bischof oder Bettler – alle sind gleich, weil in jedem lebt, was das Höchste in der Welt. Einen Würdenträger höher als einen Bettler schätzen und verehren ist gerade so, wie eine Goldmünze mehr als eine andere schätzen, weil die eine in weißes, die andere in schwarzes Papier eingewickelt ist. Wir müssen uns stets vergegenwärtigen, dass in jedem Menschen dieselbe Seele lebt, wie in uns, und dass wir deswegen mit allen Menschen gleichmäßig behutsam und respektvoll verkehren müssen.

Das Wichtigste an der Lehre Christi ist, dass Er alle Menschen für Brüder erklärt. Er sah im Menschen den Bruder und liebte deswegen jeden, wie und wer er auch war. Christus sah nicht auf das Äußere, sondern auf das Innere. Er sah nicht auf den Körper, sondern Er erblickte durch den Putz des Reichen und die Lumpen des Bettlers die unsterbliche Seele. Im allerverkommensten Menschen erblickte Er etwas, das dieses gesunkene Wesen in den größten und heiligsten Menschen verwandeln konnte, einen ebenso großen und heiligen wie Er selbst war.

Kinder sind klüger als Erwachsene. Ein Kind unterscheidet die Menschen nicht nach ihrem Beruf, fühlt aber mit ganzer Seele, dass in jedem Menschen lebt, was in ihm und allen Menschen ein und dasselbe ist.

Wer nicht in jedem Nächsten denselben Geist spürt, der ihn selbst mit der ganzen Welt vereint, lebt wie im Traum. Nur der erwacht und lebt wirklich, der in jedem Nächsten sich und Gott sieht.

Nicht nur in allen Menschen, sondern in allem Lebenden existiert ein und dasselbe göttliche Wesen

Wir fühlen mit dem Herzen, dass das, wodurch wir leben, das, was wir unser Ich nennen, nicht nur in allen Menschen, sondern auch im Hunde, Pferde, in Mäusen, im Huhn, Sperling und in der Biene, sogar in Pflanzen ein und dasselbe ist.

Wenn Vögel, Pferde, Hunde, Affen uns ganz fremd sind, warum sind es dann nicht auch Wilde, schwarze und gelbe Rassen? Wenn wir aber diese Leute für Fremde erklären, können sie mit demselben Recht die weißen Rassen als Fremde bezeichnen. Wer ist dann der Nächste? Hierauf gibt es nur eine Antwort: „Frag nicht, wer dein Nächster ist, sondern behandle alle Lebewesen so, wie du selbst behandelt werden möchtest.“

Alles Lebende fürchtet Qualen, alles Lebende scheut den Tod; erkenne dich nicht nur im Menschen, sondern in jedem Lebewesen; töte nicht und verursache keine Leiden und Tod.

Alles Lebendige will dasselbe wie du; erkenne dich in jedem Lebewesen.

Der Mensch steht nicht deswegen über den Tieren, weil er sie quälen kann, sondern weil er imstande ist, Mitleid mit ihnen zu empfinden. Mitleid hat der Mensch mit Tieren, weil er fühlt, dass in ihnen ein und dasselbe Wesen lebt, wie in ihm selbst.

Mitleid mit allem Lebenden ist die erste Voraussetzung der Tugend. Wer mitleidig ist, beleidigt und kränkt nicht, sondern verzeiht. Ein guter Mensch kann nicht unbarmherzig sein. Wer ungerecht und böse, ist sicher unbarmherzig. Ohne Mitleid mit allem Lebenden gibt es keine Tugend.

Man kann sich das Mitleid abgewöhnen, das allen Menschen, Tieren gegenüber eigen ist. Das merkt man besonders auf der Jagd. Gute Menschen töten und quälen auf der Jagd Tiere, ohne eigene Grausamkeit zu bemerken.

„Du sollst nicht töten“ bezieht sich nicht nur auf Menschen, sondern auf alle Lebewesen. Dieses Gebot ward dem Menschen früher ins Herz geschrieben, als auf die Gesetzestafeln.

Die Menschen halten es nicht für schlecht, Tiere zu verzehren, weil sie überzeugt sind, Gott hätte es erlaubt. Das ist nicht wahr. In welchen Büchern auch immer steht, es sei keine Sünde, Tiere zu töten und zu essen – im Menschenherzen steht deutlicher als in Büchern, dass man mit Tieren Mitleid haben muss und sie nicht töten darf, ebenso wenig wie Menschen. Wir alle wissen das, wenn wir die Stimme des Gewissens in uns nicht ersticken.

Wenn alle Die, die Tiere essen, diese Tiere selbst töten würden, würde die größere Hälfte der Menschen dem Fleischgenusse entsagen.

Wir wundern uns darüber, dass es Leute gab und gibt, die Menschen töten, um ihr Fleisch zu essen. Die Zeit wird aber kommen, und unsere Nachkommen werden sich wundern, dass ihre Vorfahren jeden Tag Millionen Tiere töten, um sie zu essen, obgleich man sich gesund und schmackhaft, ohne Mord, vor Früchten der Erde ernähren kann.

Man kann sich des Mitleids sogar gegen Menschen entwöhnen und sich andererseits an Mitleid mit Insekten gewöhnen.

Je mitleidiger jemand ist, umso besser für seine Seele.

Dasjenige, was in uns allen, in allen Menschen ein und dasselbe ist, fühlen wir sehr deutlich, dass dieses auch in Tieren vorhanden, fühlen wir schon nicht so deutlich. Noch weniger fühlen wir es in Insekten. Man braucht aber nur über das Leben dieser kleinsten Geschöpfe nachzudenken, so fühlt man, dass es auch in ihnen vorhanden ist.

„Soll man aber wirklich keine Fliege, keinen Floh töten? Wir vernichten ja durch jede Bewegung unwillkürlich viele Wesen, die wir gar nicht wahrnehmen“ – sagt man gewöhnlich und glaubt dadurch die Grausamkeit gegen Tiere zu rechtfertigen. Wer so spricht, vergisst, dass dem Menschen in nichts Vollkommenheit gegeben ist. Man kann sich der Vollkommenheit nur nähren. Das ist auch beim Mitleid mit Tieren der Fall. Wir können nicht leben, ohne andere Wesen den Tod zu bringen; wir können aber mehr oder weniger mitleidig sein. Je mitleidiger wir mit allen Tieren sind, umso besser fährt unsere Seele dabei.

Je besser das Leben der Menschen ist, umso klarer erkennen sie die Einheit des göttlichen Wesens, das in ihnen lebt

Es scheint den Menschen, dass sie alle voneinander getrennt sind. Dabei könnte, wenn wirklich jeder Mensch nur sein Sonderleben führte, das Leben der Menschheit nicht länger dauern. Das Leben der Menschheit ist nur dadurch möglich, dass in allen Menschen ein und der Geist Gottes lebt, und dass sie das wissen.

Einige Menschen glauben, dass nur die wirklich leben, dass sie – alles sind, alle übrigen aber – nichts. Solcher Leute gibt es viele. Es gibt aber auch Vernünftige und Gute, die einsehen, dass das Leben anderer Menschen, sogar das der Tiere an und für sich ebenso wichtig ist, wie das Ihrige. Solche Menschen leben nicht nur in ihrem Ich, sondern auch in anderen Menschen, sogar in Tieren. Solchen Menschen wird das Leben leicht und auch der Tod. Wenn sie sterben, stirbt in ihnen nur das, wodurch sie in sich lebten; das aber, wodurch sie in anderen lebten, bleibt. Denen, die nur in sich leben, wird das Leben zur Last und der Tod zur Qual, weil solche Leute beim Tode glauben, dass in ihnen alles stirb, wodurch sie lebten.

Bedenkt, dass in jedem Menschen derselbe Geist lebt wie in dir, und verehre deshalb wie ein Heiligtum deine eigene Seele wie die jedes Menschen.

Warum ist uns nach jedem Werk der Liebe so wohl ums Herz? Weil jedes derartige Werk uns darin bestärkt, dass unser wahres Ich nicht nur in unserer Persönlichkeit, sondern in allem Lebenden enthalten ist.

Wenn du nur für dich lebst, lebst du nur mit einem winzigen Teil deines wahren Ich. Wenn du aber für andere lebst, fühlst du, wie dein Ich sich erweitert.

Lebst du nur für dich, so wirst du dich wie unter Feinden fühlen, wirst bemerken, dass das Glück jedes anderen dein eigenes beeinträchtigt. Lebst du aber für andere, so fühlst du dich wie unter Freunden, und das Glück jedes anderen wird dein eigenes.

Sein Glück findet der Mensch nur im Dienste des Nächsten. Er findet es deswegen nur im Nächstendienst, weil er sich selbst hierbei mit dem Geiste Gottes vereint, der im Nächsten lebt.

Ganz verständlich wird uns der Geist Gottes, durch den wir leben, nur dann, wenn wir unsere Nächsten lieben.

Jedes wahrhaft gute Werk, bei dem der Mensch sich selbst vergisst und nur an fremde Not denkt, ist etwas Wunderbares und Unerklärliches – wenn es uns nicht so natürlich und vertraut wäre. Tatsächlich, warum nimmt der Mensch Entbehrungen, Unruhe und Sorgen auf sich, nicht seinetwegen, sondern für jemanden, den er nicht kennt und deren es so viele in der Welt gibt? Man kann es sich nur so erklären, dass der, der nicht sich sondern anderen Gutes tut, weiß, dass derjenige, dem er Gutes tut, kein von ihm getrenntes, sondern dasselbe Wesen ist wie er, nur in anderer Gestalt.

Alles, was wir erkennen, erkennen wir entweder durch unsere fünf Sinne, indem wir es sehen, hören, fühlen, schmecken, riechen, oder dadurch, dass wir uns in andere Wesen hineinversetzen, ihr Leben miterleben. Würden wir die Dinge nur durch unsere fünf Sinne erkennen, so wäre die Welt uns ganz unverständlich. Was wir von der Welt wissen, wissen wir nur daher, dass wir uns mittels der Liebe in andere Wesen hineinversetzen und ihr Leben miterleben. Durch den Körper sind die Menschen voneinander getrennt und können sich nicht verstehen. Die Liebe aber vereint alle. Und das ist ein großes Glück.

Wer ein geistiges Leben führt, empfindet bei jeder Uneinigkeit mit anderen geistige Leiden. Wozu dienen diese Leiden? Wie körperlicher Schmerz dem Körper drohende Gefahren anzeigt, deute dieses seelische Leiden auf gefahren, die dem Seelenleben bedrohen.

Ein indischer Weiser sagte: In dir, in mir, in allen Wesen lebt ein und derselbe Geist; du aber zürnst mir und liebst mich nicht. Wisse, dass wir eins sind. Wer du auch bist, du und ich sind – eins.

Wie böse, ungerecht, dumm, unfreundlich jemand auch ist – denkt daran, dass sobald du aufhörst, ihn zu achten, du dadurch das Band nicht nur mit ihm, sondern mit der ganzen geistigen Welt zerreißt.

Um mit anderen angenehm zu verkehren, denkt an das, was euch vereint, und nicht an das, was euch trennt.

Es gilt als großer unverzeihlicher Fehler, Gegenstände der äußeren Verehrung anderer Menschen zu beschimpfen, gilt aber nicht als Fehler, einen Menschen selbst zu beschimpfen. Dabei lebt im Menschen, mag er noch so verdorben sein, etwas, was über allem äußeren Menschentum steht; alle Gegenstände äußerer Verehrung aber sind nur Produkte von Menschenhand.

Leicht ist Kummer zu ertragen, wenn er nicht von Menschen, sondern von Krankheit, Feuer, Wassernot, Erdbeben herrührt. Besonderen Schmerz empfindet aber, wer durch Menschen, seine Brüder, leidet. Er weiß, dass die Menschen ihn lieben müssten; stattdessen quälen sie ihn. „Alle Menschen sind doch dasselbe, wie ich!“, denkt der Betreffende, „weshalb quälen sie mich also?“ Deswegen ist es leichter, Krankheit, Feuer, Dürre zu ertragen, als das Misswollen der Menschen.

Folgen des Bewusstsein der seelischen Einheit in allen Menschen

Verstehen wir unsere geistige Brüderschaft? Begreifen wir, dass ein und dasselbe göttliche Prinzip in der Seele aller Menschen, wie auch in der unsrigen ruht? Nein, wir verstehen das noch nicht. Dabei kann nur dieses eine uns wahre Freiheit und wahres Glück geben. Es kann und wird keine Freiheit und kein Glück geben, bis die Menschen nicht ihre Einheit begreifen. Dabei brauchten sie nur diese Grundwahrheit des Christentums, die Einheit des geistiges Wesen in allen, zu begreifen, so würde sich sofort das ganze Leben ändern und es würden Zustände eintreten, wie wir sie uns jetzt nicht vorstellen können. Dann würden die Kränkungen, Beleidigungen, Bedrückungen, die wir jetzt, ohne es zu bemerken, unseren Mitmenschen zufügen, uns mehr empören als gegenwärtig die größten Verbrechen. Ja, wir brauchen eine neue Offenbarung, nicht über das Paradies und die Hölle, sondern über den Geist, der in uns lebt.

Wenn jemand sich durch Reichtum, Ehre, Rang vor anderen hervortun will, wird der Betreffende, mag er noch so hoch steigen, niemals zufrieden, nie ruhig und froh sein. Wenn er aber begreift, dass in ihm dasselbe göttliche Wesen lebt, wie in allen Menschen, wird er sofort ruhig und froh, weil er merkt, dass ihm etwas innewohnt, das alles andere in der Welt übertrifft.

Je länger die Menschen leben, um so mehr begreifen sie, dass ihr Leben nur dann wahr und glücklich ist, wenn sie ihre Einheit in ein und demselben allen innewohnenden Geist anerkennen.

Liebe erweckt Liebe. Das kann deswegen nicht anders sein, weil der Gott, der in dir erwacht, Sich selbst in anderen erweckt.

Es ist gut, sich beim Zusammentreffen mit jedem Menschen, mag er noch so unangenehm und widerwärtig erscheinen, vorzuhalten, dass nur durch ihn ein Verkehr mit dem geistigen Wesen ermöglicht wird, das in ihm, in uns und in der ganzen Welt lebt; deswegen muss man sich durch den Verkehr nicht bedrückt fühlen, sondern dankbar sein, dass man dieses Glück genießt.

Ein von seinem Ast abgeschnittener Zweig wird dadurch vom ganzen Baum getrennt. So wird auch der Mensch durch Zwist mit einem anderen von der ganzen Menschheit getrennt. Der Zweig aber wird von fremder Hand abgeschnitten, während der Mensch in seinem Hass sich selbst vom Nächsten losreißt und nicht bedenkt, dass er dadurch der ganzen Menschheit entfremdet wird.

Es gibt kein schlechtes Werk, für das nur der bestraft wird, der es verübt hat. Wir können uns nicht so abschließen, dass das Böse, das in uns ist, nicht auf andere Menschen übergeht. Unsere Werke, gute wie böse, leben und wirken wie unsere Kinder nicht nach unserem Willen, sondern für sich.

Das Leben ist nur deswegen schwer, weil die Menschen nicht wissen, dass die in jedem von ihnen lebende Seele in allen Menschen lebendig ist. Daher rührt die Feindschaft der Menschen; daher sind die einen reich, die anderen arm, die einen Herren, die anderen Arbeiter; daher rühren Neid und Bosheit, daher alle menschlichen Leiden.

Der Körper des Menschen wünscht nur sich Gutes und die Menschen unterliegen diesem Trug. Sobald aber jemand nur seinem Körper lebt und nicht der Seele, so kommt er mit Gott und Menschen auseinander und erhält nicht das Gut, das er sucht.

Der Lebensweg - ein Werk von Leo Tolstoi

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