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Die französische Fremdenlegion.

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Als eine seltsame Erscheinung, bzw. Ausnahme muss man es bezeichnen, dass derjenige europäische Großstaat, der mit Stolz „an der Spitze der Zivilisation zu marschieren“ sich brüstet, noch immer das Blut fremder Landeskinder in Anspruch nimmt, um sich Reichtümer aus seinen ungesundesten Besitztümern unter tropischen Klimaten zu erwerben und so seine eigenen Kräfte zu sparen. Einst waren deutsche Söldner der wertvollste Bestandteil französischer, spanischer, italienischer und englischer Heere, aber mit, dem Erstarken des Nationalgefühls ging die Bildung nationaler Heere Hand in Hand, und heute haben neben Frankreich nur noch die Niederlande Fremde in ihren Diensten. Aber letztere stellen sie wenigstens in die Reihen anderer Regimenter, und so ist Frankreich in der Tat heute der einzige europäische Staat, der eigene Regimenter daraus bildet, die er neuerdings sogar noch vermehrt hat, die berühmten und leider auch berüchtigten Fremdenregimenter, bekannter unter dem Namen der „Fremdenlegion“.

Leider — wir müssen es mit Beschämung bekennen — stellt Deutschland noch immer einen sehr erheblichen Anteil zu diesen Legionären, Kraft und Leistungen dieser Männer gehen dem deutschen Vaterlande verloren, ja mehr noch, gebrochen an Leib und Seele kehren die meisten erst nach langen Jahren in die Heimat zurück. Wenn früher der deutsche Wandertrieb und die Sucht nach Abenteuern in fremden Weltteilen starken Anteil daran haben mochten, vielleicht auch der kriegerische Nimbus, der die Taten der Fremdenlegion umgab, so fallen diese Gründe heute fort; Deutschland hat seine eigenen Kolonien, und der junge Deutsche kann heute in der deutschen Schutztruppe Abenteuer, Ruhm und Ehre genug erwerben, ohne in den Sold eines fremden Landes zu treten, das ihn, wenn er krank und unfähig geworden ist, seines Dienstes entlässt, ohne sich weiter um sein Wohl oder Wehe zu kümmern. Meist sind es Deserteure aus deutschen Regimentern, die eines manchmal geringen Vergehens wegen aus Furcht vor Strafe nach Frankreich fliehen, wo ihnen dann kaum etwas anderes übrig bleibt, als in der Fremdenlegion Unterschlupf zu suchen.

Mit Vorliebe berichten die französischen Zeitungen hierüber, nicht bloß kleine Provinzblätter der Grenze, sondern auch angesehene Militärzeitungen. So meldete erst kürzlich wieder die „France militaire“: „Ein Deserteur des 1. deutschen Kolonialregiments kam zum Aufsichtsbeamten des Bahnhofes von Avricourt und erklärte, ein Engagement in der Fremdenlegion eingehen zu wollen. Er wurde zum Rekrutierungsbureau in Nancy geleitet, wo seine Passage durch die Stadt in Uniform sehr auffiel.“ Nach der nun folgenden Beschreibung der Uniform handelt es sich um einen Angehörigen der deutschen Schutztruppe. Dann heißt es weiter: „Der Deserteur hatte seinen Truppenkörper verlassen, um den Folgen eines Schlages zu entgehen, den er einem nörgelnden Unteroffizier zugefügt hatte. Er hatte schon sechs Dienstjahre und trug. die Erinnerungsmedaille an den Chinafeldzug.“ Neben Deserteuren sind es viele junge Leute aus Elsass-Lothringen, Baden, der Pfalz und Rheinprovinz, die, durch die Nähe der Grenze verlockt, sich zunächst ihrer Militärpflicht entziehen wollen und dann durch Not und auch äußeren Zwang zur Fremdenlegion gelangen. Bei den Elsass-Lothringern wirkt das eifrig von jenseits der Grenze genährte Gefühl, dass Frankreich eigentlich ihr Vaterland sei, mit.

Vielfach versuchen wohl auch die Angehörigen der Fremdenlegion, sich den Leib und Seele zerrüttenden Verhältnissen in ihr durch Desertion zu entziehen, sie stellen sich dann freiwillig in ihrer Heimat, um lieber ihre Strafe auf sich zu nehmen oder ihre Dienstzeit nachzudienen, als länger in Tonkin oder Algier einem fast sicheren Untergange entgegenzusehen. Ihre Schilderungen im Heimatsdorf oder Regiment halten dann vielleicht manchen von gleichem Schritte ab, werden aber immer noch zu wenig bekannt, so dass es ein verdienstvolles Tun von Lehrern, Geistlichen, Behörden sein würde, bei jeder Gelegenheit durch Belehrung auf diese Verhältnisse aufmerksam zu machen.

Die Entstehung der Fremdenlegion knüpft an die Zeit an, als mit der Julirevolution Frankreich unter dem Bürgerkönigtum die Schweizerregimenter abschaffte, die zur Verteidigung des schwankenden Thrones der Bourbonen gegen das eigene Volk gehalten wurden. Als es galt, Kämpfer für die Eroberung Algiers zu finden, wandte man sich an die damals so zahlreichen abenteuerlustigen und unruhigen Elemente aller Nationen und gründete Ende 1830 die Fremdenlegion (légion étrangère). Sie zählte damals 6 Bataillone, von denen das 1., 2., 3., 6. nur aus Deutschen und Schweizern, das 4. und 5. aus Polen, Spaniern, Italienern bestand. Die Stärke betrug etwa 5600 Mann, die Dienstverpflichtung galt auf 3 bis 5 Jahre; die Bataillonskommandeure und 2/3 der anderen Offiziere mussten Nationalfranzosen sein. So konnte es der Legionär damals zum Offizier bringen.

Die Legion kämpfte 1831 bis 1835 in Algier; sie machte sich durch Tapferkeit wohl einen Namen, war aber durch Grausamkeit und Zuchtlosigkeit gegen die Einwohner verhasst. 1836 und 1837 wurde die Legion an die spanische Regierung abgetreten, um gegen Don Carlos zu kämpfen. Sie focht wiederum sehr tapfer, sank aber nach vielen blutigen Gefechten, und namentlich durch Krankheiten und harte Entbehrungen, auf 400 Mann herab, die von den 7000 der in Tarragona gelandeten Legionären übriggeblieben waren. Die Trümmer kehrten nach Frankreich heim, doch fand sich Zulauf genug, dass bereits im Sommer 1837 eine neue Legion aufgestellt werden konnte.

Sie zeichnete sich beim Sturm auf Constantina in hervorragender Weise aus und trug 1840 bis 1844 wesentlich zur Bezwingung Abdul Kaders bei; damals galten die deutschen Elemente für besonders treu und tapfer, während sich unter den Italienern und Spaniern Neigung zur Desertion fühlbar machte. Später hat die Legion in allen Kriegen Napoleons III. gefochten.

Aus dem Krimkriege kehrten von 3300 Mann nur 900 heim. 1857 focht sie mit großer Auszeichnung in Südalgier, 1859 in Oberitalien. Napoleon III. ließ 1862 die beiden Regimenter auflösen, anscheinend von Humanitätsrücksichten geleitet.


Als aber die Unternehmung gegen Mexiko 1864 bevorstand, wurden neue Werbungen vorgenommen und ein Bataillon nach Amerika geschickt, während die anderen Bataillone auf ihre äußersten Grenzposten in der Sahara gingen. 1870/71 focht ein Regiment, das die nichtdeutschen Elemente enthielt, an der Loire und im Südosten; das andere, indessen nur schwache Regiment, hielt seinen Posten in Afrika. Die jetzige Organisation stammt von Ende 1884. Damals wurden 2 Regimenter zu 4 Bataillonen mit je 4 Kompagnien und 1 Depotkompagnie neugebildet. Jetzt gibt es 2 Fremden-Regimenter jedes zu 6 Bataillonen mit je 4 Kompagnien und 2 Depotkompagnien. Je 2 Kompagnien der beiden Regimenter sind auf Maultieren beritten und gelten als „berittene Infanterie“. Das Bataillon hat eine Stärke von 14 Offizieren, 33 Unteroffizieren, 49 Korporalen, 512 Mann, 7 Pferden. Die Gesamtfriedensstärke der ganzen Legion ist annähernd 8000 Mann. Die Friedensgarnisonen der“ Regimentsstäbe sind Sidi-del-Abbes und Saida, beide in Westalgier. Von jedem Regiment stehen dauernd zwei Bataillone in Indo-China. Seit 1884 hat die Legion fast ohne Unterbrechung Kriege für die Französische Republik geführt. Sie hat ihr Blut beider Eroberung von Tonkin, hergegeben, sie hat sich bei der Inbesitznahme von Madagaskar in geradezu aufreibenden Krankheiten geopfert, sie war in Algerien selbst an allen Kämpfen gegen die immer unruhigen Eingeborenen beteiligt, jetzt trägt sie die Hauptlast der Tätigkeit in Marokko.

Ahnungslos überschreitet vielleicht ein nach Arbeit Suchender, die deutsch-französische Grenze. Sofort fällt er drüben einem Grenzwächter in die Hände, und kann er sich nicht als ganz sicher über das, was ihn nach Frankreich führt, ausweisen, so wird ihm mit Strafe und Ausweisung gedroht, anderseits aber sehr bald eine Anwerbung in der Fremdenlegion in den lockendsten Farben geschildert. Grenzwächter und Gendarmen empfangen für jeden Angeworbenen, den sie geliefert haben, eine Vergütung. Zunächst erhält der Ankömmling gute Unterkunft, eine reichliche Mahlzeit und meist noch reichlicheren Trunk, was ihn ausgestandene Entbehrungen vergessen macht und das Beste hoffen lässt. So gestärkt, aber auch inzwischen immer wohl bewacht, geht’s nach dem nächsten der Anwerbebureaus, die sich in fast allen größeren Grenzstädten, Belfort, Nancy usw. finden, da Deutschland und die Schweiz noch immer das beste Material senden. Hier wird nun nach kurzer körperlicher Untersuchung, die nur im äußersten Fall ungünstig ausfällt, die Anwerbung abgeschlossen, der Vertrag in französischer Sprache, die die meisten nicht verstehen, vorgelesen, Handgeld und Marschgebührnisse bis Marseille werden gezahlt, und dann wird so bald wie möglich die Eisenbahnfahrt dorthin, meist schon in größerer Gesellschaft, zwar als volontaire militaire, dennoch aber unter strenger Aufsicht, angetreten.

Bis das Schiff aus Marsaille abgeht, nimmt schon ein Fort die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, Deserteure der verschiedensten Nationen in abgetragenen Uniformen, Abenteurer in den wunderbarsten Aufzügen, in seinen schmutzigen, ungesunder Kasematten auf. Ein Transportschiff bringt alle, eng zusammengepfercht, nach Algier, und dann geht es meist sofort auf eine Station ins Innere. Hier erfolgt nun die militärische Ausbildung in wenigen Wochen, um die neu Eintretenden auch möglichst bald verwenden zu können. Die Verpflegung ist schlecht, und der tägliche Sold von 4 Pfennigen reicht nicht hin, sich nennenswerte Zubuße schaffen zu können. Die Behandlung ist roh, und zwar haben die Deutschen mehr als andere darunter zu leiden: es ist dies auch eine Revanche für 1870, die stillschweigend seit Jahren geübt wird. Da im französischen Heere die Unteroffiziere schon Arrest verhängen können, so machen sie hiervon gegen Jeden, der sich die leiseste Versäumnis zu Schulden kommen lässt, ausgiebig Gebrauch. Daneben gibt es aber noch eine Strafe, die den schlimmsten Folterstrafen des Mittelalters gleicht, die „Krapodine“. Der Sträfling, an Händen und Füßen gefesselt, oft noch mit einem Knebel im Munde zur Verschärfung, wird unter freiem Himmel hingelegt, wobei ihm auch noch die Nahrung entzogen wird. Bis zu zehn Tagen soll schon diese Strafe vollzogen worden sein, die man für unmöglich in dem Heere eines christlichen Staates halten sollte.

Wehe aber dem Legionär, der sich durch derartige Schandtaten zu einer Desertion verleiten ließe, denn nur in den seltensten Fällen gelingt sie, meist wird er schon durch die Eingeborenen aufgefangen, die dafür eine Belohnung erhalten, und dann ist seine Strafe Einstellung in eine Arbeiterabteilung,. aus der es meist kein Entrinnen mehr gibt.

Durch schlechte Ernährung und Anstrengung geschwächt, fallen viele auch Seuchen zum Opfer; wer auf Märschen vor Erschöpfung oder am Hitzschlag niedersinkt, bleibt meist ohne Hilfe am Wege liegen und fällt dann feindlichen Eingeborenen zum Opfer, die ihn zu Tode martern. Mancher legt schließlich ans Verzweiflung Hand an sein Leben, und so findet ein großer Teil dort, von niemand gekannt und betrauert, sein Grab.

Nun aber die Kriegszüge, in denen sich die Fremdenlegion so oft Ruhm erworben! Bringen sie denn nicht etwas Abwechslung und Befreiung von der schimpflichen Behandlung des gewöhnlichen Dienstes? Eine Abwechslung bringen sie wohl, und wer aus den Briefen unserer Südwestafrikaner, eines Rosenberg, Erssa und anderer gelesen hat, welche unerhörte Anstrengungen ein Krieg in tropischen Klimaten gegen Eingeborene mit sich bringt, kann sich von dieser Abwechslung einen Begriff machen. Aber welch ein Unterschied ist dabei zwischen den Kriegsfahrten eines deutschen Schutztrupplers und eines Fremdenlegionärs! Sieht doch der deutsche Offizier in jedem Soldaten seinen Kameraden, mit dem er Not und Tod teilt; haben wir doch gelesen, wie der schon verwundete Leutnant Graf Arnim zu einem Schwerverwundeten im Gefecht eilt, um ihm Linderung zu bringen, bis ihn selbst das tödliche Blei trifft! Den französischen Offizier verbindet kein Band mit dem Fremdenlegionär, auf dessen Kosten er höchstens kriegerische Lorbeeren zu ernten sucht und dessen Peiniger er meist ist.

Ein schlimmeres Los aber als in Algier erwartet noch den Fremdenlegionär, wenn er nach Tonkin gesandt wird, denn auch dort werden die Fremdenregimenter gern verwendet. Hier ist es in erster Linie das fürchterliche Klima, das eine große Zahl jährlich dahinrafft.

Nur wenigen ist es vergönnt, ohne dauernden Schaden an ihrer Gesundheit die alte Heimat wiederzusehen und hier wieder gut machen zu können, dass sie ihre Kraft jahrelang einem fremden Staat für schnöden Sold zu Gebote gestellt haben, und noch dazu einem Staat, von dessen Raubzügen so manche Ruine in unserem Vaterlande heute noch redend zeugt.

Wen es daher von deutschen jungen Männern hinauszieht, um die Welt kennen zu lernen und seine Kräfte zu tummeln, der findet, wenn er hier seine militärische Ausbildung empfangen jetzt auch in deutschen Kolonien ein Feld dafür, und wen Furcht vor Strafe hinaustreiben will, der nehme sie lieber auf sich denn in der Fremdenlegion erwartet ihn ein entehrendes und unmenschliches Leben. Alle aber, die durch Beruf und Stellung die Möglichkeit haben, in weiteren Kreisen vor den durch der Eintritt in die Fremdenlegion lauernden Gefahren warnen zu können, erwerben sich ein Verdienst um das deutsche Vaterland.

Fünf Jahre Fremdenlegionär

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