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Abschied von der Heimat.

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Fast Abschied von der Heimat.

Doch mein Schicksal will es nimmer;

Durch die Welt ich wandern muss.

Trautes Heim, dein denk’ ich immer,

Trautes Heim, dir gilt mein Gruß!

Es war an einem Julitage des Jahres 1901, als ich am frühen Morgen das Vaterhaus verließ. Herzlich war der Abschied von Vater und Mutter, von den Geschwistern, ungern sahen sie mich scheiden; aber ich war durch die allgemein herrschende schlechte Geschäftslage gezwungen, mein Glück anderswo zu versuchen.

Wohl versehen mit allem, was ein deutscher Handwerksbursche nötig hat, wanderte ich auf der staubigen Landstraße dahin und unterließ es nicht, nach alter deutscher Kundenart die zu passierenden Ortschaften wacker abzuklopfen.

Hei, wie schlug das Herz drinnen in der Brust schneller hier in Gottes freier Natur! Ich kam mir vor wie ein Vöglein. welches zum ersten Mal das schützende Nest der Eltern verlässt, um sich selbst Nahrung zu suchen. Ich hatte die ernste Seite des Lebens noch nicht kennen gelernt, doch sollte mir manche schwere Stunde vorbehalten bleiben.

Wie schön malte ich mir die Zukunft aus! Wie wollte ich mir die Welt ansehen, um mein Wissen nach jeder Richtung hin zu bereichern. Ich dachte an den Vers, welchen ich in der Schule gelernt hatte:

„Wem Gott will rechte Gunst erweisen,

Den schickt er in die weite Welt,

Dem will er seine Wunder weisen

In Berg und Tal, in Strom und Feld.“

Auch ich hoffte, dieses Glückes teilhaftig zu werden.

Heiß brannte die Sonne herab auf die nach Regen lechzenden Fluren, betrübt senkten die durstenden Blümlein am Wege ihre Köpfchen, und eine drückende Schwüle lagerte auf allen Gemütern.

Einige Stunden war ich nun schon dahingewandert; Hunger und Durst hatten sich bereits bemerkbar gemacht, als in der Ferne die Türme eines mir bekannten Städtchens auftauchten. Ich beflügelte meine Schritte, um möglichst bald die schützenden Häuser zu erreichen; denn seit einer Stunde hatte ich schon wahrgenommen, dass steh am Firmament ein Gewitter zusammenzog, welches gewiss nicht lange auf sich würde warten lassen.

Schon erhob sich ein kräftiger Sturm, welcher mir den Staub der Landstraße ins Gesicht trieb, so dass ich zeitweise nichts sehen konnte.

Kaum hatte ich die Herberge des idyllisch am herrlichen Bodensee gelegenen Städtchens Lindau erreicht. als das Unwetter mit aller seiner Macht hereinbrach. Ja, das war ein Krachen und Rauschen in der Luft, ein Herniederzucken von Blitzen, wie ich es seit langem nicht gesehen und gehört hatte.

Schäumend wälzten sich die Wogen des durch den Sturm gepeitschten Sees an das Ufer. als würden sie von einer unterirdischen Macht getrieben. Prasselnd schlugen die Hagelkörner an die Fensterscheiben, und es schien, als hätten sich die Schleusen des Himmels zu einer neuen Sintflut geöffnet. Aber auch dem stärksten Gewitter, dem stärksten Regen folgt der Sonnenschein.

Mich litt es nicht mehr in der unerträglichen Schwüle des kleinen Herbergszimmers; ich musste hinaus an den Strand des Sees, in die frische, reine Luft.

Menschen und Tiere schienen neubelebt; das säuselnde Lüftchen und die kräuselnden Wellen erinnerten kaum noch an das eben stattgefundene furchtbare Gewitter. Den Träumereien konnte ich mich jedoch nicht lange hingeben; denn noch am selben Tage wollte ich die Schweiz erreichen. Ich hatte das Glück, ein zur Abfahrt fertiges Schiff in Hafen zu finden. Nach 1½ stündiger Fahrt gelangte ich nach Romanshorn, einem niedlichen schweizerischen Hafenstädtchen. Von hier aus trat ich nun auf gut Glück meine weitere Reise zu Fuß an; es ging mit wenigen Unterbrechungen über Frauenfeld nach Zürich, der Perle der Schweiz. Malerisch war die Gegend, welche ich vom nahen Uetliberg übersehen konnte. In der Nähe die tiefen Schluchten, die romantisch gelegene Stadt Zürich mit ihren prachtvollen Gebäuden und Villen, wie sie sich dahinzieht an den Ufern des Zürichsees bis hinaus in die herrlichen Weinberge. In der Ferne erblickte ich die aus grauen Nebelschleiern herauswogenden, schneebedeckten Bergriesen der Berner- und Glarner Hochalpen. Wahrlich, wer dieses nicht mit eigenen Augen gesehen, hat keinen Begriff von der wunderbaren Schönheit dieser Gegend! Es ging nun weiter durch das herrliche Schweizerland der französischen Grenze zu, welche ich auch glücklich erreichte. Doch überschreiten sollte ich dieselbe nicht; denn „Mit des Geschickes Mächten ist kein ew’ger Bund zu flechten“, und das Unglück erschien in der Gestalt eines schweizerischen Landjägers, welcher mich mangels genügender Ausweispapiere in die Heimat zurückbefördern ließ.


. . . Herzlich war der Abschied von Vater und Mutter . . .

Etwas missgestimmt über die unfreiwillige Fahrt, aber dennoch den Mut nicht verlierend, zog ich weiter durch das schöne Elsass.

Nach einigen Tagesmärschen gelangte ich nach Colmar im Oberelsass. Hier hatte ich abermals das Unglück, einem Gendarmen in die Hände zu laufen, welcher für mich das größte Interesse an den Tag legte. Er erkundigte sich aufs Genaueste nach meinen Personalien, Ausweispapieren und meinem Woher und Wohin. Auf alle Fragen gab ich demselben nach Möglichkeit genau Bescheid, fand jedoch beim Manne der heiligen Hermandad keine Gnade und hatte es demselben zu verdanken, dass ich acht Tage lang auf Kosten der königlich Preußischen Regierung verpflegt wurde.

Aber was kümmert dies einen tatendurstigen Wandersmann! Ich versuchte, nach Entlassung aus diesem gastfreien Hause abermals, die französische Grenze zu überschreiten.

Nach einer längeren Kreuz- und Querwanderung gelang es mir endlich, unbemerkt die Grenze bei Markirch zu passieren; gleich einem Diebe hatte ich mich dahingeschlichen, um keinem Hüter des Gesetzes zu begegnen.

Wohl klopfte mir das Herz etwas schneller, als ich an dem blau-weiß-roten Grenzpfahl vorbeischritt, nicht ahnend, welche Bedeutung die drei Farben einst für mich haben sollten.

Infolge der wochenlangen Fußwanderung zeigten Schuhe und Kleidung schon bedenkliche Risse, und es wurde die höchste Zeit, meinen äußeren Menschen etwas in Ordnung zu bringen.

Langsam näherte ich mich der französischen Stadt St. Die, als ich beim Betreten eines Bahnüberganges in der Nähe der Stadt einen jungen Mann bemerkte, anscheinend auch ein Handwerksbursche, welcher den spielenden Kindern eines Bahnwärters zusah.

Freudig schritt ich auf denselben zu und begrüßte ihn mit den Worten: „Kenn Kunde!“ (Gruß der Handwerksburschen.) Wie erstaunte ich, als er sich als Landsmann zu erkennen gab!

Es war ein Elsässer, aus Colmar gebürtig. Seine Eltern, so erzählte er, hätten gern gesehen, wenn er nach Frankreich ginge und sich zur Fremdenlegion anwerben ließe. Dieses war auch sein unumstößlicher Entschluss. Nach seiner Ansicht war die Legion die Elite-Truppe Frankreichs.

Er schilderte mir das Leben der Legionäre in den rosigsten Farben und redete mir zu, mich ebenfalls zu der Fremdenlegion anwerben zu lassen.

Ich überdachte die Not und das Elend des Landstraßenlebens und willigte daher mit Freuden in den Vorschlag ein. Sollte doch nun auch mein Wunsch in Erfüllung gehen, Afrika, den schwarzen Erdteil, kennen zu lernen.

Fünf Jahre Fremdenlegionär

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