Читать книгу Fünf Jahre Fremdenlegionär - Franz Kull - Страница 8
Eintreffen beim Regiment.
ОглавлениеIn der Hoffnung, eine große Stadt zu finden, sah ich mich gründlich getäuscht, denn Saida war nicht größer als Pérregaux. Schmutzige Araber drückten sich allenthalben herum. Auf dem place du Marche arabe stand außer einem größeren Hotel noch die Mosche des Arabes, und schon von weitem erglänzte der darauf befindliche Halbmond. In der Redoute, welche nur von Juden bewohnt wird, befindet sich die katholische Kirche. Vor derselben stehen großes Zelte, in denen eine Anzahl von Mannschaften untergebracht in, da die Kaserne des 2. Regiments der Fremden-Legion nicht Raum genug bietet.
Die Kaserne selbst besteht aus drei großen, zusammenhängenden Gebäuden. Gleich am Eingang befindet sich die Wachtstube und das Gefängnis, mit welchem ich noch oft die Ehre haben sollte, Bekanntschaft zu machen. Saida ist die Haupt-Garnison vom 2. Regiment étrangère. Außer einem Bataillon befinden sich noch 2 Kompagnien Depot in Saida, in welche junge, sowie aus den Kolonien zurückkehrende Soldaten eingestellt werden.
Bei unserm Einmarsch in den Kasernenhof standen die Legionäre in Gruppen beisammen, uns mit neugierigen Blicken musternd, in der Erwartung, einige bekannte Gesichter zu finden. Ist es doch schon vorgekommen, dass ein Bruder den anderen hier in Afrika wiederfand, Ja sogar ein Vater den Sohn, denn bis zum 45. Lebensjahre werden halbwegs gesunde Männer in die Legion aufgenommen.
In großes Erstaunen versetzten mich die vielen und guten Kleidungsstücke, welche ich erhielt; es waren: 2 Paar rote und 2 Paar weiße Hosen, eine Stoffbluse und zwei weiße Blusen, 2 Paar Schuhe, 2 Mützen, 3 Hemden, 3 Unterhosen, 3 Taschentücher, 2 Handtücher, 1 Mantel, 2 Paar Gamaschen, 1 Leibbinde von Flanell und eine ungefähr 3 Meter lange Leinenbinde in blauer Farbe — letztere wird über den Kleidern getragen — 1 Tornister, Koppel und 2 Patronentaschen, Gewehrriemen, Epaulettes, Kochgeschirr, Brotbeutel, Wasserflasche, Flickzeug, Spiegel und Kamm, 2 Halsbinden, ein Gewehr und ein Seitengewehr. Das Gewehr ist ein verbessertes System Lebel, Modell 1886—93. Dasselbe ist ein Magazingewehr mit 9 Patronen (8 Stück im Magazin, welches sich im vorderen Schaft befindet, und 1 Stück im Lauf) mit einem recht komplizierten Verschlusskolben, der vielfach mit Einschnitten und rinnenartigen Ausfräsungen versehen ist.
. . . Wie auf Kommando fiel alles über den Adjutanten her . . .
Dieser höchst unpraktische Verschlusskolben ist die Ursache, dass nach längerem Marsche oder bei Wind das Gewehr gewöhnlich ganz unbrauchbar wird, und man den Kolben, sobald nur Staub oder Sand in geringer Menge in die erwähnten Ausfräsungen hineingelangt, absolut nicht mehr, selbst bei Anwendung der größten Kraft, zu öffnen imstande ist. Ich machte auf meinen späteren Märschen diese höchst peinliche Wahrnehmung nicht nur an meinem, sondern auch an vielen anderen Gewehren. In solchen Fällen schlagen die Legionäre gewöhnlich mit den Absätzen ihrer Schuhe oder wohl gar mit Steinen auf den Griff des Verschlusskolbens, um denselben aufzubekommen. Dass eine derartige Behandlung einer Waffe nicht zum Vorteile gereicht, ist wohl leicht einzusehen. Das Bajonett ist ein vierschneidiges Stichbajonett mit einer scharfen Spitze. Diese Waffe ist im Handgemenge äußerst gefährlich, denn sie erzeugt eine kreuzförmige Wunde mit scharfen Rändern, und derartige Verletzungen haben fast stets, zumal wenn dieselben in der Brust oder im Unterleibe beigebracht worden, einen tödlichen Ausgang oder sind wenigstens sehr schwer heilbar. Wie ich später Gelegenheit hatte zu beobachten, hatten die Araber vor diesen Bajonetten eine heillose Angst.
Nachdem ich all diese Herrlichkeiten nach der Mannschaftsstube gebracht hatte, stand ich ratlos denselben gegenüber, bis ein guter Kamerad mir beim kunstgerechten Zusammenlegen behilflich war. Es machte mir viel Spaß. als ich die roten Hosen der grande nation angezogen hatte Und darin einherstolzieren konnte, als hätte ich es schon zum Korporal gebracht.
Gegen Abend kamen Juden und Araber an das Tor um die noch brauchbaren Zivil-Kleidungsstücke einzuhandeln. Schon ein paar Stunden später sollte ich die hier herrschende Disziplin kennen lernen.
Es mochte abends gegen 9 Uhr sein, der Hornist hatte schon zum Appell geblasen, welchen der Adjutant mit dem Korporal du jour abzunehmen pflegte, als in der Stube, in der mich ich mich befand, ein paar Radaubrüder einen Streit anfingen, welcher bald in Tätlichkeiten ausartete. Plötzlich ertönte die Stimme des Korporals: Appell! Niemand achtete auf das Kommando, bis durch das Gebrüll des Adjutanten die Kämpfenden einen Augenblick inne hielten.
. . . Wir Neulinge wurden im Exerzieren unterrichtet . . .
Aber auch nur einen Augenblick, dann gab es plötzlich einen klatschenden Schlag und die Lampe lag zerbrochen am Boden. — Eine verrohte Stimme rief: „Nun los!“ Wie auf Kommando fiel alles über den Adjutanten her. Jeder nahm, was er gerade erlangen konnte: Schuhe und Zeltstöcke waren die Hauptwaffen. Erst nach vieler Mühe gelang es mehreren Vorgesetzten, die wütende Meute von dem halbtoten Offizier abzuwälzen. Das ganze Schauspiel hatte ich, soweit es mir die Dunkelheit erlaubte, von einer Ecke aus betrachtet, und zu meiner nicht geringen Verwunderung betrat niemand an demselben Abend unser Zimmer, um die Schuldigen zu suchen.
Früh nach der Reveille mussten alle aus unserm Zimmer antreten. Da nach längerem Verhör die Schuldigen nicht zu entdecken waren, wurde ein seltsames Verfahren angewendet. Wir wurden abgezählt, und jeder 7. Mann wurde herausgegriffen und vor ein Kriegsgericht gestellt. Waren die ausgesuchten Opfer schuldig oder nicht? Niemand von uns konnte die Frage beantworten. Wir Neulinge wurden kurz nach dem Frühstück nach dem Marktplatz geleitet und im Exerzieren unterrichtet, unsere Instrukteure beherrschten die deutsche und die französische Sprache.
Die Chargen, vom Obersten abwärts, sind folgende: Colonel (Oberst), Leutnant-Colonel (Oberstleutnant), Commandant (Major), Kapitän (Hauptmann). Jedes Regiment hat seine eigene Musikkapelle, Bäckerei und sein Hospital.
In der Fremdenlegion dienen bekanntlich Soldaten aus allen europäischen Ländern und man kann somit fast alle Sprachen hier sprechen hören. Die hier ziemlich zahlreichen Deutschen sind entweder desertiert oder, wie ich, aus Abenteuerlust hierhergekommen oder sie haben, gleich den meisten Angehörigen der anderen Nationen, im Heimatland die Furcht ergriffen, weil sie vom Strafrichter verfolgt wurden. Von denen, die gut, wenn auch leichtsinnig waren, sind manche unter den immerwährenden Einflüssen der afrikanischen Hitze später entartet, noch weit mehr Menschen aber hat das Trinken von Absinth in den Abgrund getrieben.
Es kann nicht wundernehmen, dass unter der aus aller Herren Länder zusammengewürfelten Schar, die nur durch brutalen Zwang zusammengehalten wurde, Widersetzlichkeiten gegen Vorgesetzte an der Tagesordnung waren. Man hatte ohnehin keine besondere Achtung vor diesen Offizieren und Unteroffizieren, denen man bis auf wenige Ausnahmen hartes Wesen, Durchstechereien und Betrügereien nachsagte.
Übrigens gingen die Widersetzlichkeiten nicht allein von den Fremdenlegionären aus, sondern im gleichen Maße von den nichtfranzösischen, weißen Bewohnern des Landes. Namentlich sind es die Spanier, welche den Franzosen gegenüberstehen wie Katzen und Hunde. Auf beiden Seiten wird kein Hehl daraus gemacht, dass man sich gegenseitig nicht freundlich gesinnt ist. Allabendlich mussten Patrouillen von vier Mann, zwei mit Gewehren, zwei mit handfesten Stöcken bewaffnet, die Wege absuchen, mit dem Auftrage, jedem Spanier, der Zeichen von Widersetzlichkeiten zeige, den Rock gründlich auszuklopfen. Der Auftrag gelangte jedoch in einer eigenartigen Weise zur Ausführung. Die Patrouillen waren nämlich von solchem Diensteifer erfüllt, dass sie überhaupt jeden Spanier, der sich nur blicken und greifen ließ, mordserbärmlich durchbläuten; dann kam der Gegencoup der Spanier. Sie verschworen sich, die Patrouillen ohne Bedenken zu vernichten. Eines Tages hörte man das Geknatter eines lebhaften Kugelwechsels, und als Verstärkungen herzugeeilt waren, fanden sie die vier Mann der Patrouille und zwei Spanier erschossen vor. Das tat seine Wirkung. Zwar wurde strenge Untersuchung angeordnet, und die Truppen erhielten Befehl, noch strenger, als zuvor gegen die Spanier einzuschreiten, aber die Patrouillen merkten sich recht genau, dass ihre Gegner rücksichtslos von ihren Revolvern Gebrauch machen würden und ließen diese fortan ungeschoren. Ob sich später weitere Zwischenfälle ereignet haben, weiß ich nicht, möchte dies jedoch als wahrscheinlich annehmen, denn die Feindseligkeit der Spanier besteht schon zu lange, als dass sie schnell verlöschen könnte.