Читать книгу Fünf Jahre Fremdenlegionär - Franz Kull - Страница 7

Anwerbung zur Fremdenlegion.

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Wir begaben uns nun direkt nach der Gendarmeriestation in St. Die. Am Eingange hing ein großes Schild mit der Aufschrift: „Gendarmerie Nat onal“, ein paar inhaltsschwere Worte, welche ich als Kunde mit größter Ehrfurcht las.

Auf unser bescheidenes Anklopfen donnerte uns das Wort „Entrez“ entgegen. Zum Glück beherrschte mein Landsmann etwas die französische Sprache, und so dauerte es nicht lange, so hatten wir dem Herrn im Käppi unser Anliegen vorgebracht.

Uns vom Fuße bis zum Kopfe musternd, forderte er uns auf, Platz zu nehmen. Nachdem unsere Personalien festgestellt worden waren, erhielten wir ein sehr gutes Abendessen; ich muss gestehen, dass wir es in dieser Qualität nicht erwartet hatten. Später sollte es uns jedoch klar werden, dass es nur eine Henkersmahlzeit war; denn in den vielen nun folgenden Jahren sollten sich die guten Mahlzeiten nicht oft wiederholen.

Augenblicklich galt es aber, meinen etwas rebellisch gewordenen Magen zu beruhigen, und ich griff denn auch wacker zu; mein Kamerad war doch etwas einsilbig und nahm nur wenig Speise und Trank zu sich.

Müde und matt von den Strapazen der Wanderung legten wir uns kurz nach dem Abendessen zur Ruhe — für ein Unterkommen hatte die Gendarmerie gesorgt —, und wenn es auch keine Sprungfedermatratzen waren, auf denen wir unsere Glieder ausstrecken konnten, ja waren wir doch bald eingeschlafen.

Punkt 5 Uhr früh wurden wir geweckt. Nachdem wir reichlich Kaffee und Weißbrot und außerdem noch einige Sous Zehrgeld erhalten hatten, ging es unter Begleitung eines Gendarmen nach dem Bahnhofe.

Dort erhielten wir je eine Fahrkarte 3. Klasse nach Nancy; die Befürchtung, unter Bedeckung reisen zu müssen, bestätigte sich nicht. Wir bedankten uns für das Empfangene, und bald darauf dampften wir aus der Bahnhofshalle hinaus.

In rasender Eile durchfuhr der Zug Station auf Station; lauschige Wälder und blühende Äcker, wogende Felder und herrliche Landschaften ließen wir hinter uns. Immer weiter entfernten wir uns von der deutschen Heimat.

Nachdem wir wohlbehalten in Nancy angekommen waren, begaben wir uns (mein Kamerad war so glücklich, noch einige Franks sein eigen nennen zu können), direkt in ein Restaurant, um uns bei einer Flasche Wein von den Anstrengungen der Reise zu erholen.


. . . Wir begaben uns direkt nach der Gendarmeriestation . . .

Wir durchstreiften die Stadt, besichtigten die wenigen Sehenswürdigkeiten derselben und begaben uns am Abend nach unserem Bestimmungsort, der Jäger-Kaserne.

Nachdem wir uns dem Capitain-Adjutant-Major vorgestellt und ihm unseren Wunsch, als Freiwillige in die Fremdenlegion einzutreten, vorgebracht hatten, wurde uns nach Einsicht in unsere Papiere ein Platz in der Wachtstube angewiesen.

Wir wurden hier leidlich gut verpflegt. Da in der Mann-schafts-Küche für uns nichts mehr zu haben war, konnten wir uns auf Regimentskosten in der Kantine gütlich tun.

Bald sollten wir Gesellschaft bekommen; denn am anderen Morgen brachten die ankommenden Züge neue Freiwillige.

Der erste, ein feiner Herr mit kleiner Reisetasche, stellte sich als Landsmann vor. Nach seinen Angaben war er ein ehemaliger Leutnant eines Schleswig-Holsteinischen Regiments, welcher aus irgendeinem Grunde (denselben zu verraten, hütete er sich) den Dienst hatte quittieren müssen.

Sein Wunsch war, direkt nach Madagaskar zu gehen. Diesem Wunsche aber wurde nicht stattgegeben, da er keine Schulung im französischen Armee-Dienste besaß.

Als ehemaliger Offizier sprach er ziemlich gut Französisch, so dass er bald der Löwe des Tages wurde.

Der zweite, ein Österreicher, welcher von Wien aus- eine Privatreise unternommen hatte, litt sehr an Vergesslichkeit, und es war daher auch kein Wunder, dass er 300 Kronen einkassierter Gelder seines Chefs abzuliefern vergessen und dieselben mitgebracht hatte.

Der dritte, ein heruntergekommener Franzose, versuchte sich unter falscher Nationalität anwerben zu lassen. Ein französischer Staatsangehöriger nämlich darf nur dann in die Fremdenlegion eintreten, wenn er seiner Militärpflicht in Frankreich genügt hat.

Am anderen Morgen ging es nun unter Begleitung eines Sergeanten nach dem Bureau de Place. Nachdem hier unsere Personalien festgestellt waren, wobei man es nicht so genau nahm, wurden wir ungefähr nach dreistündigem Warten vom Arzt besichtigt.

Dieser entledigte sich seiner Ausgabe insofern schnell, als er uns nur oberflächlich untersuchte. Die Hauptsache war die, dass wir leidlich gute Augen und Ohren hatten; einer etwa innerlichen Krankheit würde keine Beachtung geschenkt worden sein; denn als sogenanntes Kanonenfutter war fast jeder zu gebrauchen. Ist es doch tatsächlich sogar einmal vorgekommen, dass ein Mann mit einem Glasauge in die Fremdenlegion aufgenommen wurde.

Nach der Untersuchung hatte die République Française vier Soldaten mehr; der Franzose war für untauglich befunden worden.

Nach einer etwas unruhig verbrachten Nacht wurden wir von einem Gefreiten nach dem Bahnhof begleitet; hier erhielten wir pro Mann 1 Frank Zehrgeld, welches natürlich dankend akzeptiert wurde.

Wunderlich nahm sich der kleine Zug ans; zwei feine Herren und zwei ziemlich zerlumpte Handwerksburschen, und es war daher leicht erklärlich, dass uns mancher fragende Blick folgte.

Abermals raste der Zug mit wenigen Unterbrechungen auf dem schier endlosen Schienenstrange dahin. Unterwegs machten wir die Bekanntschaft eines alten Elsässers, welcher uns den gutgemeinten Rat erteilte, wenn irgend möglich, noch auszukneifen; wir dachten jedoch nicht im Entferntesten daran und haben dies später oftmals bitter bereut.

In Lyon, wo wir einen längeren Aufenthalt hatten, setzten wir uns protzig in das Wartezimmer 1. Klasse. Der ehemalige Offizier, der durch den genossenen Wein etwas herablassender geworden war, verwickelte uns in eine ganz angenehme Unterhaltung.

Bis in die Nacht hinein würden wir vielleicht sitzen geblieben sein, wenn uns nicht die schrill tönende Bahnhofsglocke zum Aufbruch gemahnt hätte.

Nachdem wir unsere Plätze im Zuge wieder eingenommen hatten, suchte es sich jeder so bequem wie möglich zu machen, um einige Stunden zu schlafen.

Wir erwachten erst, als der Zug bereits in die Bahnhofshalle von Marseille einfuhr.

Endlich waren wir angelangt in der Geburtsstadt der politischen Freiheit; denn in Marseille denkt man unwillkürlich auch sofort an die „Marseillaise“. das Sturmlied der französischen Revolution, das die Nationalhymne der französischen Republik geworden und geblieben ist bis auf den heutigen Tag.

Stadt und Hafen machten auf uns einen großartigen Eindruck, und man gewahrt sofort, dass die Lage von Marseille zur Entwicklung einer Handelsstadt wie geschaffen ist. Auch das landschaftliche Bild bietet malerisch Schönes. Die Häusermasse lagert amphitheatralisch an einer felsigen Bucht, deren Ufer gegen Norden und Osten zu in allmählich aufsteigende Höhen übergehen, die vom Süden her von einer aus zerklüfteten Kalkfelsen gebildeten Landzunge umzogen sind.

Landeinwärts umschließt ein prachtvoller Kranz von Bergen die Stadt; Fruchtbäume und Pinien schmücken Gehänge und Anhöhen. — Südwärts blinkt das blaue Meer, belebt von zahlreichen Schiffen, ein Bild, das unverwischbar in meinem Gedächtnis haftet. —

Wir schritten auf einer der vielen großen Landungsbrücken hinaus, um die riesigen Schiffe etwas näher in Augenschein zu nehmen.


. . . Matrosen aller Nationen hockten an den schmutzigen Tischen . . .

Ungehindert konnten wir uns gegen Entrichtung eines kleinen Eintrittsgeldes, welches zum Besten der Seemanns-Witwen erhoben wird. an Bord eines Schiffes begeben und das Innere genau betrachten.

Hierauf gingen wir, um Hunger und Durst zu stillen, nach einer kleinen Hafenkneipe. Wüstes Schreien und Lärmen schallte uns schon von weitem entgegen.

Ein daneben befindliches größeres Gebäude stach in seiner Ruhe unheimlich davon ab. Bei näherer Nachfrage erfuhren wir, das; es eine der berüchtigtsten Spielhöllen sei, in welcher eine Unmenge von Geld im Trente et quarante, hauptsächlich von Schiffsoffizieren, die hier aus- und eingingen, verspielt werde.

Ein Versuch, in dieses Haus einzudringen, um unsere Neugierde zu befriedigen. wurde durch den Portier, welcher uns mit zweifelhaften Blicken musterte, zurückgewiesen.

Kaum hatten wir die Hafenkneipe betreten, als wir entsetzt vor dem darin befindlichen Tabaksqualm und Schnapsgeruch zurückprallten.

Matrosen aller Nationen hockten an den schmutzigen Tischen und labten sich an verdünntem Wein und elendem Fusel. Einige ekelerregende Dirnen entlockten den verschiedensten Instrumenten eine ohrenbetäubende Musik, saßen jedoch die meiste Zeit auf den Knien der Matrosen, um einige Sous zu erhaschen.

Von uns wurde keine Notiz weiter genommen, und so ließen wir uns an einem noch freien, in der Ecke des Zimmers stehenden Tische nieder.

Von Hause aus nicht gerade verwöhnt, ekelte es mich doch sehr, als ich das bestellte Essen aus den schmierigen Händen einer schmutzigen Frauensperson entgegennahm. Trotz meines großen Hungers kostete es mich viel Überwindung, die Speise hinunterzuwürgen.

Als beim Bezahlen pro Portion 1 Frank verlangt wurde, machten wir alle lange Gesichter; doch der Österreicher war so liebenswürdig, die ganze Zeche zu bezahlen; in meinem Geldbeutel war es auch öde und leer geworden. Das Anzünden der Lampen in der qualmigen Stube erinnerte uns an unsere Pflicht; denn unsere Ordre lautete, sofort nach Ankunft in Marseille uns auf dem Fort St. Jean zu melden.

Als wir in später Abendstunde im Fort ankamen, begleitete uns ein Soldat in Käppi, Waffenrock mit Epaulettes, roten Hosen und weißen Gamaschen nach der Wachtstube, wo uns ein Sergeant, dessen Gesicht nicht nur ein riesiger Spitzbart. sondern auch eine große kupferrote Nase zierte, nicht sehr freundlich empfing, da wir denselben gerade in der angenehmen Beschäftigung des Essens störten.

Ich war voll freudiger Erwartung, ein Fort im Innern kennen zu lernen, doch sollte unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt werden. Endlich bequemte sich der Sergeant, uns in höchsteigener Person nach dem Bureau zu begleiten.

Nachdem wir uns in die Stammrolle eingetragen hatten, wurde uns mitgeteilt, dass noch mehr Angeworbene auf die Überfahrt nach Afrika warteten. Hierauf begaben wir uns in das angewiesene Schlafzimmer, in welchem sich unsere Kameraden befanden.

Das Schlafzimmer war zu allem anderen geeignet, nur nicht zum Beherbergen von Menschen.

Den Betten entstieg eine derartig schlechte Luft, dass mich der Gedanke. darauf schlafen zu müssen, mit Grausen erfüllte.

Von dem halbverfaulten Stroh hatte bereits unzähliges Ungeziefer Besitz ergriffen. Jedoch die große Müdigkeit zwang mich, auf diesem elenden Lager Platz zu nehmen. Halbverhungerte Ratten und Mäuse nagten an dem unter den Betten befindlichen Schuhwerk.

Flüche und Verwünschungen erschallten die ganze Nacht, und an einen erquickenden Schlaf war nicht zu denken. Ohne Ausnahme erwarteten wir mit Sehnsucht den kommenden Morgen.

Kaum verkündete ein schmaler Lichtstreifen im fernen Osten das Herannahen des Tages, als ich mich auf den Hof des Forts hinunter begab, um etwas Umschau zu halten.

Das Fort, auf einem hohen Felsen erbaut, dessen einziger Eingang eine alte Zugbrücke bildet, wird von drei Seiten vom Meere eingeschlossen und gestattet eine herrliche Fernsicht über den ganzen Hafen. Schon in früher Morgenstunde gewahrte ich eine große Anzahl Menschen, welche die in übergroßer Menge von der Flut zurückgelassenen Schnecken und Muscheln sammelte, für die in Marseille ein ziemlich hoher Preis gezahlt wird.

Auch auf dem Hofe des Forts wurde es jetzt lebendig; der Hornist blies die Reveille, und alles beeilte sich, möglichst rasch zur Küche zu kommen, um einen Becher der trüben Brühe, welche unter dem Namen Kaffee verausgabt wurde, zu erhaschen.

Kaum hatte ich das karge Frühstück eingenommen, als mir stillschweigend ein Besen mit einer nicht missverstehenden Gebärde in die Hand gedrückt wurde.

Auch dem ehemaligen preußischen Leutnant war ein gleiches Reinigungsinstrument übergeben worden, und es gewährte einen komischen Anblick, wie er damit den Hof des Forts bearbeitete

Nach kurzer Zeit hatten wir unsere Pflicht erfüllt und suchen mit unsern Leidensgefährten Bekanntschaft anzuknüpfen.

Fürwahr, eine feine Gesellschaft war hier zusammen gekommen: Deserteure, Hochstapler, Falschmünzer, Ehebrecher usw.! Keiner schämte sich, etwas zu verheimlichen; ohne große Gewissensbisse erzählten einige, dass; sie Frau und Kind im größten Elend zurückgelassen hätten und sich noch des gelungenen Streiches freuten. Empört über solche verrohten Kreatoren, wandte ich ihnen den Rücken und bereute bitter, dass ich mich hatte überreden lassen, in die Legion einzutreten. Wie sollte sich das Leben erst in Afrika gestalten?


. . . Frischwachs nannten sie eines ihrer anderen Spiele . . .

Punkt 12 Uhr ertönte abermals ein Signal. Die gesamte Mannschaft, außer dem Posten, musste antreten, und nun ging es in Kolonne nach der Küche. Nachdem ein jeder in einer Schüssel sein Essen erhalten hatte, wurde dasselbe in einer großen Halle gemeinschaftlich verzehrt.

Doch wie war das Essen beschaffen? Kartoffeln und Krautblätter badeten sich in warmen Wasser; einige große Knochen schauten stolz daraus empor. Wir mussten fast ausschließlich in Ermangelung eines Löffels zur fünfzinkigen Gabel greifen. Ein Murren ging durch die Reihen der Sklaven, als wir mit diesen elenden Essen unsern Hunger stillen sollten.

Sklaven waren wir im vollsten Sinne des Wortes; der Sprache nicht mächtig und der Willkür der Soldaten, welche an Bildung und Intelligenz weit unter uns standen, preisgegeben, mussten wir ohne Widerstand ausführen, was von uns verlangt wurde.

Schon beschäftigten wir Deutschen uns mit dem Plane einer Flucht, aber wie hinauskommen aus diesem freiwilligen Gefängnisse?

Auch mein Freund aus dem Elsass, der erst so begeistert für die Truppe der grande nation agitiert hatte, war hier, wo wir nur einen ganz kleinen Vorgeschmack des nun Folgenden erhielten. sehr verstimmt.

Jeden Tag brachten die ankommenden Züge neue, freiwillig ins Verderben Gehende, und die Zahl der Legionäre war auf 45 gestiegen.

Am anderen Morgen marschierten wir, ohne Tränen der Rührung zu vergießen, aus dem für uns so ungastlichen Fort St. Jean dem Hafen zu.

Ein kleines Dampfboot brachte uns an Bord eines großen französischen Kriegsschiffes, welches uns unserm Ziele zuführen sollte.

Der Augenblick war gekommen, da wir Europa verlassen sollten. Ein Kanonenschuss erdröhnte, das Abfahrtssignal des Schiffes, und keuchend und schnaubend setzte sich der Koloss langsam in Bewegung.

Mit barschen Worten wurde uns mitgeteilt, dass wir jedem Befehl unverzüglich Folge zu leisten hätten.

Wehmütig lehnte ich an einem Berg aufgehäufter Taue und blickte betrübt nach dem immer mehr und mehr verschwindenden Festland. Unwillkürlich drängte sich mir die Frage auf: „Wirst du jemals deine Heimat, jemals deine Eltern wiedersehen?“ Die Lösung derselben musste ich der Zukunft überlassen.

An Bord des Schiffes selbst herrschte ein reges Treiben; geschäftig eilten die Matrosen hin und her, um die ihnen gegebenen Befehle auszuführen.

Der Dienst der Marine ist nicht leicht, und an jeden einzelnen Soldaten wie Offizier, werden ganz außergewöhnliche Anforderungen in Bezug auf Mut, Tapferkeit, Entschlossenheit und Manneszucht gestellt.

Der Dienst der Kriegsmarine ist eine tüchtige Schule für das ganze Leben. Doch auch das Matrosendienstleben bietet jedem einzelnen nicht nur reiche Abwechslung, sondern auch frohe Stunden.

Der Dienst füllt den größten Teil des Tages aus; Übungen aller Art wechseln miteinander ab. — Wenn aber die Erholungspausen eintreten, dann bemächtigt sich der Matrosen eine ungezwungene Heiterkeit. Spiele und Unterhaltungen entschädigen für den strengen Dienst.

Und so hatte sich denn auch die dienstfreie Mannschaft auf dem Hinterdeck versammelt, um sich an allerhand Spielen zu ergötzen, bei denen mit Wohlbehagen ans meist kurzen Holz- oder Tonpfeifen blaue Rauchwolken in die Luft geblasen wurden. Interessant anzusehen waren die mir völlig fremden Spiele.

Einige erfreuten sich am sogenannten Schusterspiel. Ein behänder Mann nimmt einen Stiefel so zwischen die Beine, als wolle er denselben besohlen, und ahmt die Bewegungen und Gesten eines Schusters nach, indem er bald mit dem einen bald mit dem anderen Arm ausholt, gleichsam, als ob er mit Pechdraht nähe.

Neben ihm sitzen zwei Leute, welche die ausholende Hand des Schusters zu treffen suchen, während der letztere die Rippen der Nachbarn, also seiner Gegner, zu bearbeiten strebt.

Durch Erzählung und scheinbare Ruhe muss der Schuster seine Mitspieler täuschen. Gelingt es einem seiner Nachbarn, seine Hand zu treffen, dann hat er verloren. Aber der tapfere Schuster hielt lange aus, und ich musste seine große Gewandtheit bewundern.

Frischwachs nannten sie eines ihrer anderen Spiele und ein heiteres Lachen und Jauchzen ergriff die Mannschaften, als ein besonderes beliebtes Opferlamm ziemlich lange die Tortur des Durchbläuens erdulden musste, bis es ihm gelang, den Täter zu entdecken, der dann an seine Stelle treten musste. Das Entdecken ist mitunter sehr schwierig; denn alle Mitglieder suchen durch Unschuldsmienen den Verdacht von sich abzuwälzen.

Sorglos lebten die Matrosen in den Tag hinein; sie waren nicht so kleinlaut und betrübt, wie wir Freiwillige der Fremdenlegion, die wir hungernd an Bord umherwanderten.

Die Rationen waren äußerst klein, und es war unmöglich, unsern Hunger damit zu stillen.

Ich versuchte mein Glück beim Küchenmeister und bot ihm meine Dienste als Kartoffelschäler an, welches er akzeptierte; doch es war eine harte und ungewohnte Arbeit, indes konnte ich mich wenigstens im vollen Maße sättigen.

Gegen Abend wurden wollene Decken zur Nachtruhe verteilt, welche ihren Zweck jedoch kaum erfüllten, da wir uns trotz derselben die ganze Nacht nicht erwärmen konnten.


. . . ein altes Weib, dessen Schnurr- und Kinnbart einem Manne zur Zierde gereicht hätte, begrüßt uns . . .

Nach einer unruhig verbrachten Nacht bot sich am Morgen unseren Augen ein herrlicher Sonnenaufgang, wie ich noch nie einen solchen gesehen hatte.

Bei meiner weiteren Arbeit in der Küche entdeckte ich eine ziemlich große Fleischwaage, welche sofort unter großem Jubel an den Stangen des Sonnendaches beseitigt wurde. Jeder wollte sich noch einmal wiegen lassen, bevor er die sehr lange Hungerkur antrat.

Ein ebenfalls anwesender Zahlmeister eines Zuaven-Regiments, welcher über eine ziemlich große Körperfülle verfügte, brannte fast vor Begierde sein Gewicht festzustellen. Doch kaum hatte sich derselbe an die Waage gehängt, als er auch schon zum allgemeinen Gaudium samt der Waage am Boden lag, wobei ihm die Waage eine ziemliche Schmarre im Gesicht beibrachte. Fluchend und pustend verschwand er im Innern des Schiffes.

Gegen Mittag näherten wir uns unserm Ziele, und bald darauf fuhr der Abd-El-Kader nach 36stündiger Fahrt in den Hafen von Oran ein.

Eine Abteilung Zuaven stellte sich mit aufgepflanztem Seitengewehr auf die Landungsbrücke, um uns nach dem Fort St. Thérès zu eskortieren.

Oran ist eine sehr schöne Hafenstadt und bietet dem Auge vom Meere aus ein herrliches Panorama. An einer ziemlich steilen Anhöhe zieht sich die Stadt dahin. Hoch oben sind die zahlreichen Forts der Artillerie zerstreut, welche von hier aus den ganzen Hafen beherrschen können; den höchsten Punkt ziert die Kuppel von St. Cruz.

In der Stadt herrscht ein sehr reges und buntes Treiben, Straßenbahnen, Omnibusse und sonstiges Fuhrwerk durchkreuzen die Stadt nach allen Richtungen. Prachtvolle Gummibäume und Palmen zieren die Anlagen, welche sich bis zur Zuaven-Kaserne hinziehen.

Die Kaserne ist mit einer alten, hohen Mauer umgeben, von welcher eine Unmenge Kakteen ihre langen Arme herabstreckt. Die Früchte derselben sind genießbar.

Monumente und Denkmäler findet man in großer Anzahl vor, und die Säule Sidi Brahm ist eines der berühmtesten.

Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Franzosen, Spaniern, Italienern und sehr vielen Juden, doch findet man in den engeren Straßen und Gassen auch Araber vor.

In der brennenden Sonnenhitze waren wir nach dem Fort St. Thérès marschiert, wo unser Absteigequartier auf 8 Tage eingerichtet wurde. Ein altes Weib. dessen Schnurr- und Kinnbart einem Manne zur Zierde gereicht hätte, begrüßte uns vor der Tür ihrer Kantine stehend, mit einem zynischen Lächeln.

Das Fort ist sehr klein und wird nur als Aufenthalt der Fremden-Legionäre benutzt. Kleine; stallartige Räume, mit Holzpritschen versehen, dienen als Schlafzimmer.

Kurz vor unserer Ankunft hatte ein von Madagaskar zurückkehrender Trupp Fremden-Legionäre das Fort passiert und alles in größter Unordnung zurückgelassen.

Wir hatten das zweifelhafte Vergnügen, uns in den Hof zu setzen und mit Sand und Wasser die total verrußten Kochgeschirre blitzblank zu putzen, immer in der tropischen Sonnenhitze, so dass der Schweiß aus allen Poren drang.

Verschiedene Legionäre hatten sich an den Wänden des Forts durch Anschreiben von Gedichten usw. verewigt, und es wurde uns strengstens untersagt ein Gleiches zu tun.

Am Abend brachten Zuaven drei aus der Festungshaft entlassene Legionäre, um sie ihrem Regimente wieder zuzuführen. Wie groß war mein Erstaunen, als sich unter diesen ein ehemaliger Schulkamerad von mir befand, welcher wegen tätlicher Beleidigung eines Vorgesetzten 1 ½ Jahre Festungshaft verbüßt hatte.

Mir war es vergönnt, noch einige Tage mit meinem Schulkameraden zusammen zu sein, und ich konnte in dieser Zeit nähere Erkundigungen über die Legion einziehen. Was ich da alles zu hören bekam, war allerdings nicht verlockend. Endlich, am 13. August, sollte es nun direkt ins Regiment gehen.

Wir traten in aller Frühe an. Jeder nahm sein Gepäck in die Hand, was ich allerdings nicht nötig hatte; denn mein Eigentum konnte ich in den Taschen meines windigen Anzuges unterbringen. Beim Verlesen musste der eine Mann auf die linke, der andere auf die rechte Seite treten, und die eine Partei kam zum 1., die anderen zum 2. Regiment. Der Österreicher und Elsässer wurden gleich mir in das 2., der ehemalige Offizier in das 1. Regiment eingestellt.

Nachdem wir unsere Löhnung erhalten hatten, hieß es „en avant“, und in Reih und Glied ging es dem Bahnhof zu. Wir hatten im Zug abermals genügend Zeit, über unsere nicht beneidenswerte Lage nachzudenken. Fünf Jahre sollten wir unter den Eingeborenen des Landes leben und von der ganzen zivilisierten Welt abgeschlossen sein.

Unaufhaltsam ging es weiter. Zu beiden Seiten des Schienenstranges wechselten große Strecken Landes, mit Wein und Tabak bebaut, mit Gärten in ihrer vollen Tropenpracht buntfarbig ab. Gegen Mittag erreichten wir Pérregaux, ein Städtchen mit ungefähr 10 000 Einwohnern, wo wir zwei Stunden Aufenthalt nehmen mussten. Jeder von uns suchte sich ein schattiges Plätzchen, um nicht in der glühenden Sommerhitze ausharren zu müssen. Die kleinen Häuser lagen versteckt zwischen den Bäumen. In der Hauptstraße, welche von hohen Maulbeerbäumen beschattet wurde, waren links und rechts ausgemauerte Gräben angebracht, und das darin befindliche klare Wasser bot uns eine kleine Erfrischung.

Endlich wurde das Signal zur Weiterfahrt gegeben: die Stickluft im Bahnwagen war fast unerträglich. Lange konnten wir uns nicht mehr an der grünen Natur erfreuen: denn die ganze Szenerie änderte sich mit einem Schlage. Himmel und Sand war das einzige, was das Auge zu beiden Seiten der Bahnstrecke erblicken konnte, und nur an wenigen Stellen wucherte das sogenannte Halfa. Es ist dies eine ganz harte Grasart, ähnlich wie die Binsen, und es wächst stets in ganzen Büscheln. Kein Tier, das Kamel ausgenommen, kann es wegen seiner Härte verzehren. Das Halfa ist ein sehr guter Ausfuhrartikel, da dasselbe zu Drillichsachen verarbeitet wird. Vereinzelte Araber, welche wir in der Ferne erblickten, erschienen in ihrem weißen Burnus wie Gespenster. Leichtfüßige Gazellen tranken aus dem nahen Wasser. Nach einiger Zeit ertönte ein schriller Pfiff, und wir fuhren in die Bahnhofshalle von Saida ein.

Fünf Jahre Fremdenlegionär

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