Читать книгу Zivilisation in der Sackgasse - Franz M. Wuketits - Страница 11
AFRIKA UND DIE BESIEDLUNG DER ERDE
ОглавлениеAbermals war es Charles Darwin, der bereits die richtige Vermutung hinsichtlich unserer „Urheimat“ äußerte: Afrika. Alle Fossilien, die das früheste und frühe Auftreten von Menschen (Hominini) heute belegen, stammen aus diesem Kontinent. Mittlerweile sind es recht viele Funde, die verschiedene Gattungen und Arten repräsentieren. Keineswegs alle können hier berücksichtigt werden. Zu erwähnen ist aber zunächst Ardipithecus ramidus aus Äthiopien, der älteste bisher bekannte „Mensch“, eine Spezies jedenfalls, die schon zur bipeden Fortbewegung befähigt gewesen sein muss und vor über fünf Jahrmillionen auftrat. Seine Existenz ist erst seit den 1990er Jahren bekannt. Auf eine längere Entdeckungsgeschichte kann die Gattung Australopithecus zurückblicken, die nach wie vor häufig als „Urmensch“ bezeichnet wird. Der erste Fund dieser Gattung stammt aus dem Jahr 1924. Heute werden, je nach Gesichtspunkt, fünf bis acht Spezies unterschieden, die älteste von ihnen ist Australopithecus anamensis, der ein Alter von über vier Millionen Jahren aufweist. Andere Arten sind der rund drei Millionen Jahre alte Australopithecus africanus und Australopithecus robustus (auch Paranthropus robustus genannt), der vor etwa zwei Jahrmillionen auftrat. Es muss davon ausgegangen werden, dass in den frühen (teils auch in späteren) Phasen seiner Evolution mehrere Gattungen und Arten des Menschen zeitgleich und auch in derselben Region gelebt haben. Wie mögen sie einander begegnet sein? Eine spannende Frage. Wahrscheinlich standen sie in Konkurrenz zueinander und besetzten unterschiedliche ökologische Nischen. Mag sein, dass sie sich gelegentlich auch gehörig in die Quere kamen. Aber Näheres bleibt derzeit noch Mutmaßungen überlassen, vieles wird vielleicht für immer im Dunklen bleiben (obwohl man in der Wissenschaft ein Problem nie resignierend als grundsätzlich unlösbar erachten sollte).
Die Gattung Homo, zu der auch unsere eigene Spezies zählt, trat vor etwa zwei Millionen Jahren in Erscheinung und sollte sich gleichsam als Erfolgsmodell in der Evolutionsgeschichte des Menschen herausstellen. Ihre ältesten Vertreter sind Homo habilis und Homo ergaster, etwas jünger – seit etwa einer Million Jahren nachgewiesen – ist Homo erectus, dessen späte „Ausläufer“ noch vor zweihunderttausend Jahren existiert haben dürften. Ursprünglich beschränkte sich auch das Verbreitungsgebiet der Gattung Homo auf Afrika, Homo erectus aber, dessen Erforschungsgeschichte im späten 19. Jahrhundert mit der Entdeckung von Skelettresten auf Java begann, lebte auch schon in Asien und in Europa. Zu einiger Berühmtheit brachte es dabei der sogenannte Peking-Mensch, der in den 1920er Jahren in der Nähe der chinesischen Hauptstadt entdeckt wurde, vor knapp fünfhunderttausend Jahren erstmals in Erscheinung trat und sich bereits im Gebrauch des Feuers übte. Für die paläoanthropologischen Forschung nicht minder bedeutsam ist auch ein „Europäer“, der Heidelberg-Mensch oder Homo heidelbergensis, der vor etwa sechshunderttausend Jahren in Afrika aufgetaucht war und sich später auf unserem Kontinent niederließ. Unsere eigene Art schließlich, Homo sapiens, erschien vor etwa hundertfünfzigtausend Jahren auf der Bühne, und zwar wiederum zunächst in Afrika, von wo aus er nach Europa – und später auf alle anderen Kontinente – auswanderte.
Somit lässt sich heute nicht nur sagen, dass die Wiege der Menschheit in Afrika stand, sondern auch, dass von dort aus immer wieder menschliche Populationen in andere Regionen der Erde eingewandert sind. Diese im Fachjargon als Out-of-Africa bezeichnete Migrationshypothese findet nicht nur in Fossilien und Werkzeugen, sondern auch in molekularbiologischen Untersuchungen (DNA-Vergleichen heutiger menschlicher Populationen) eine veritable Stütze. Was aber hat Menschen immer wieder dazu bewogen, den afrikanischen Kontinent und ihr jeweils angestammtes Territorium zu verlassen? Eine abermals sehr spannende Frage. Es mögen Nahrungsmangel, klimatische Veränderungen und noch andere Faktoren dafür maßgeblich gewesen sein. Vielleicht auch veranlasste seine zunehmende Intelligenz und mit dieser seine sich beständig steigernde Neugier und Entdeckungslust den Menschen schon früh dazu, nach neuen Ufern vorzustoßen, auf neuem Terrain Fuß zu fassen.
Obwohl hier ein nur überaus knapper Abriss der Evolution und Verbreitungsgeschichte des Menschen bezweckt sein kann, darf die Erwähnung des Neandertalers nicht fehlen. Der Homo neandertalensis ist eine Schlüsselfigur der Paläoanthropologie, die als Wissenschaft vom fossilen Menschen mit seiner Entdeckung überhaupt erst ihren Anfang nahm (1856 in einer Höhle im Neandertal bei Düsseldorf). Wenngleich die Existenz des Neandertalers mittlerweile durch zahlreiche Funde aus Europa und dem Vorderen Orient sehr gut dokumentiert ist und seine Lebensweise anhand einschlägiger Grabungsergebnisse gut rekonstruiert werden konnte (nachweislich bestattete er seine Toten und schmückte ihre Gräber mit Blumen), gibt diese „Menschenform“ nach wie vor einige Rätsel auf. Insbesondere ihr Verschwinden vor knapp dreißigtausend Jahren liefert immer noch Stoff für einige Spekulationen. Tatsache ist, dass der Neandertaler zeitgleich mit dem heutigen Menschen, Homo sapiens, lebte, genau gesagt mit dem (nach seinem französischen Fundort benannten) Cro-Magnon-Menschen. Dieser repräsentierte bereits unseren heutigen „Menschentyp“ oder unterschied sich jedenfalls von diesem kaum. (In der heutigen Welt hätte ein Cro-Magnon-Kind alle Voraussetzungen für einen Physikprofessor, einen Lokomotivführer oder einen Bankräuber.) Möglicherweise konkurrierte der Cro-Magnon-Mensch mit dem Neandertaler um Nahrung und ging aus dieser Konkurrenz schließlich als Sieger hervor. Vielleicht auch hat er seinen „Vetter“ – eben als Konkurrenten – ausgerottet. (Völkermorde begleiten ja auch unsere weitere Geschichte.) Vielleicht aber haben sich Neandertaler und Cro-Magnon-Menschen miteinander vermischt, sodass in uns allen heute noch Neandertalerblut fließt …
Wie man sieht, geben uns die eigene Herkunft und unsere Evolutionsgeschichte noch einige Aufgaben auf, die zu bewältigen vielleicht viele Jahre oder Jahrzehnte dauern wird. Aber fest steht, dass Menschen aus „affenartigen“ Vorfahren hervorgegangen sind, der heutige Mensch das Resultat eines mehrere Jahrmillionen umfassenden komplexen Prozesses darstellt und dass er die Zeugnisse seiner Vergangenheit unauslöschlich mit sich herumträgt. Nicht zu zweifeln ist auch daran, dass Menschen während der längsten Zeit ihrer Evolution als Nomaden oder Halbnomaden herumgezogen sind. Jagend und sammelnd waren sie den Unbilden der Natur meist hilflos ausgeliefert und fanden sich in keiner besseren (oder schlechteren) Situation wieder als alle übrigen Tiere auch. Dann aber, vor erst etwa fünfzehntausend Jahren – welch unbedeutender Zeitraum auf der Zeitskala der Evolution! –, geschah etwas recht Eigenartiges: Menschen wurden sesshaft, begannen Siedlungen zu bauen, Pflanzen und Tiere zu züchten (anstatt sie als Wildformen zu sammeln beziehungsweise zu pflücken und zu jagen) und komplexe, arbeitsteilige Gesellschaften zu entwickeln. Es erfolgte der als neolithische oder jungsteinzeitliche Revolution bezeichnete Übergang von der aneignenden zur produzierenden Lebensweise, und zwar zunächst im Vorderen Orient, um aber später auch auf andere Regionen der Erde überzugreifen.