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Vorwort
ОглавлениеDie Lebens- und Arbeitsbedingungen von Millionen Menschen wären anders, würden die Menschenrechte beachtet. Dabei war es das Versprechen der Weltgemeinschaft nach dem Schock der Großen Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkrieges, allen Bewohnern dieser Erde eine würdevolle soziale Existenz gerade auch durch soziale Menschenrechte zu gewährleisten. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 proklamierte vor dem Hintergrund der unsäglichen Leiderfahrungen einen weltweiten gesellschaftlichen Gegenentwurf. Sie versprach allen Menschen u. a. ein Recht auf soziale Sicherheit, ein Recht auf Arbeit, ein Recht auf einen angemessenen Lohn, befriedigende Arbeitsbedingungen und ein Recht auf Nahrung. Mit diesen Rechten wollte man die Bedingung für eine andere Weltgesellschaft schaffen. Doch die Wirklichkeit ist mehr denn je von diesem Versprechen entfernt. Arbeitslosigkeit, eine Arbeit, von der man nicht in Würde leben kann, soziale Unsicherheit und prekäre Beschäftigung nehmen zu – in Deutschland und weltweit. Der Kapitalismus hat sich globalisiert. Er hat Wohlstand für einige wenige erzeugt und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Der Klimawandel schreitet fort und bedroht die Grundlagen des Lebens auf dieser Erde.
Die hier vorliegende Wirtschaftsethik ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Den Menschenrechtsansatz verdanke ich einem „Anschauungsunterricht“ als Gastdozent auf den Philippinen. Dort habe ich in Gesprächen mit Arbeitern und Arbeiterinnen in multinationalen Konzernen, mit Landarbeitern, Menschenrechtsaktivisten und in Seminaren mit Studierenden, Gewerkschaftern, Priestern und Bischöfen gelernt, welche Bedeutung die Menschenrechte haben. Ihnen allen verdanke ich, dass sie mir die Augen für die Menschenrechte geöffnet haben.
Ich erinnere mich lebhaft an den schicksalhaften Morgen des 8. November 2013. Während der Zehnten Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Busan (Korea) erfuhr ich, dass der wohl stärkste Taifun in der Menschheitsgeschichte das Leben von mehr als 25 Millionen Menschen auf den Philippinen bedroht. Ich hatte noch die Frage eines Delegierten von einer Südseeinsel angesichts der Klimakatastrophe im Ohr: „Was haben wir Armen getan, dass wir für die Sünden der Reichen büßen müssen?“ Ich dachte nicht, dass ich alsbald mit einer wohl von Menschen verursachten Klimakatastrophe konfrontiert werden würde: Nur ein Tag nach den Zerstörungen des Taifuns Haiyan reiste ich am 9. November 2013 zu einer Gastprofessur auf die Philippinen.
Deshalb widme ich dieses Buch den mutigen Menschen, die ich auf den Philippinen kennenlernen durfte:
den Theologiestudenten, für die der Kampf um Menschenrechte Ausdruck ihres Glaubens ist;
den Gewerkschaftern in einer Exportproduktionszone bei Manila, die um ihre Recht auf gewerkschaftliche Betätigung kämpfen;
der Landarbeiterin in einer kleinen Genossenschaft auf der Insel Mindanao, die sich selbstbewusst auf die Menschenrechte bezogen hat und mir stolz erzählte, dass sie am „Tag der Menschenrechte“ auf einer Demonstration für ihr Recht eintreten werde.
Für sie und viele Tausende sind die Menschenrechte eine zerbrechliche, manchmal zahnlose, immer aber widerständig-ermutigende Hoffnung auf mehr Würde, Humanität und Gerechtigkeit.
Franz Segbers am Tag der Menschenrechte, 10. Dezember 2014