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I. Die gefährdeten Menschenrechte in der globalisierten Welt
ОглавлениеIm Jahr 2012 konnte ich auf den Philippinen Interviews mit Beschäftigten der Firma Daeduck führen, einem Zulieferbetrieb der deutschen Firma Continental in der Nähe von Manila. Sie berichteten mir von der Entlassung von zehn Kollegen wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung. Sie sprachen davon, wie sie eingeschüchtert und bedroht würden, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen. Alle waren nur befristet beschäftigt, die Löhne entsprächen zwar dem Mindestlohn, aber leben könne man davon nicht. Die Arbeiter beklagten, dass sie bei der Produktion von Leiterplatten ohne nötigen Schutz mit gesundheitsgefährdenden Stoffen umgehen müssten. Und Urlaub hätten sie auch keinen – und das bei einer Sechs-Tage-Woche. Als sie auf ihrem Recht auf eine reguläre Anstellung nach einjähriger Beschäftigung bestanden, wurden sie entlassen.
Solche Missstände mögen für manchen Leser und manche Leserin weder aufregend noch dramatisch neu sein. Doch unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte handelt es sich um gravierende Verletzungen sozialer Menschenrechte, die nicht tolerierbar sind. Ein Unternehmen, das im Ausland direkt oder über Tochterunternehmen bzw. Zulieferfirmen tätig ist, muss sich der Frage nach der Verantwortung für Menschenrechte stellen. Was diese Menschenrechtsverletzungen für die Betroffenen bedeuten, hat John Hervie de Sosa, einer der entlassenen Arbeiter, auf der Hauptversammlung der Firma Continental im Mai 2013 eindrücklich geschildert:
„Im Moment weiß ich nicht, wovon ich leben soll. So wie mir ergeht es auch vielen der anderen Arbeiter, die mit mir zusammen entlassen wurden. In gewisser Weise habe ich noch Glück: Ich bin noch nicht verheiratet. Ich habe keine Kinder. Doch viele meiner Kolleginnen und Kollegen, denen es nicht anders ergeht als mir, haben Familien, die sie ernähren müssen. Gestern habe ich selbst an einem Gespräch mit Vertretern von Continental teilgenommen. Das ist der Grund, warum ich mich heute auf dieser Versammlung direkt an Sie wende, an den Vorstand, den Aufsichtsrat und an die Aktionäre. Ich bitte Sie, uns zu helfen. Erklären Sie gegenüber ihrem Zulieferbetrieb Daeduck klar und unmissverständlich, dass die Arbeits- und Menschenrechte eingehalten werden müssen.“
Tatsache ist: Die deutsche Firma Continental bekennt sich in ihren Unternehmensleitsätzen zur Achtung der Menschenrechte, zu den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen sowie zu der Grundsatzerklärung der ILO und verpflichtete seit 2011 alle Lieferanten und Dienstleister auf einen Verhaltenskodex. In den „Basics“ genannten Unternehmensleitlinien der Firma Continental heißt es:
„Wir respektieren die Gesetze und die Kultur in jedem Land, in dem wir tätig sind. Wir halten uns an einen Kodex von ethischen und rechtlichen Richtlinien und fühlen uns stets zu Ehrlichkeit und Integrität verpflichtet.“
Gern hätte man gewusst, welcher „Kodex von ethischen und rechtlichen Richtlinien“ genau gemeint ist. Hat man sie sich selber gegeben? Warum sind die ILO-Normen und die kodifizierten sozialen Menschenrechte nicht der Bezugspunkt? Über die Zulieferer wird gesagt:
„Unsere Stakeholder sind unsere Kunden und Anteilseigner, unsere Mitarbeiter, die Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten, sowie unsere Partner und Zulieferer.“
Man gewinnt den Eindruck, dass diese „Basics“ doch wohl kein besonders handlungsorientierendes Konzept sind. Wie käme es sonst zu den Verstößen gegen verbriefte Menschenrechte? Das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung gehört zu den grundlegenden sozialen Menschenrechten und wurde 1948 im ILO-Übereinkommen Nr. 87 ausdrücklich bekräftigt. Das Recht auf einen angemessenen Lohn ist in Artikel 7 des Sozialpaktes von 1966 verankert, und in ILO-Übereinkommen wird auch seine Höhe konkretisiert. Der Sozialpakt hat in Artikel 7 ein Recht auf gesunde Arbeitsbedingungen und ein Recht auf regelmäßigen bezahlten Urlaub formuliert. – Es mangelt also keineswegs an Rechten, sondern wohl daran, die Menschenrechte zu respektieren.