Читать книгу Ins Nirgendwo, bitte! - Franziska Consolati - Страница 8

PROLOG

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Als Oonoos Kleinbus über das letzte Stück Wiese rumpelt, muss ich mich konzentrieren, um ganz langsam zu atmen. Mein Puls rast. Meine Hände sind eiskalt. Und verschwitzt. Immer wieder reißt Oonoo das Steuer ruckartig zur Seite, um tiefen Löchern und riesigen Grasbüscheln auszuweichen. Aber das ist es nicht, was mich gerade so wahnsinnig nervös macht. Es ist der Fluss. Der Fluss, an dem Oonoo uns gleich aussetzen wird. Und der ist keine 50 Meter mehr entfernt.

Kurz mache ich meine Augen zu. Ich rechne jeden Moment damit, dass Oonoo auf die Bremse steigt.

Dann tut er es. Mit einem Ruck halten wir an. Und plötzlich geht alles ganz schnell. Oonoo zerrt unsere Rucksäcke aus dem Wagen, wirft eine Wasserflasche hinterher und die Wanderstöcke. Ich schaue unter die Sitze, ob nicht eine Jacke, die Mütze oder – am allerschlimmsten – das GPS-Gerät darunter gerutscht ist. Wenn wir jetzt etwas vergessen oder bei den Vorbereitungen einen Fehler gemacht haben – ab sofort gibt’s keine Chance mehr, ihn zu korrigieren.

Oonoo ist unser Fahrer. Unser Fahrer ins Nirgendwo. Wir kennen ihn erst seit heute Morgen. Gesprochen haben wir seitdem kein Wort, weil wir einander nicht verstehen. Die letzten acht Stunden, in denen Oonoo uns durch die mongolische Wildnis gefahren hat, hat mir das nichts ausgemacht. Jetzt ist das anders. Es zerreißt mich fast, dass ich ihm keine Fragen stellen kann.

So was wie: »Oonoo, bist du sicher, dass du uns an der besten Stelle aussetzt?« Oder: »Oonoo, bist du sicher, dass wir hier am Fluss nach dem dürren Sommer genug Trinkwasser finden?«

Stattdessen müssen wir stumm vertrauen.

Zum Abschied verbeugt sich Oonoo. Er streckt beide Hände Richtung Himmel, schaut verschwörerisch in die Wolken. Er murmelt ein paar grobe mongolische Sätze. Ein Stoßgebet? Als er meinen erschrockenen Blick sieht, lässt er die Arme zur Seite fallen und zeigt mit einem breiten Grinsen seine Zahnlücken.

Dann steigt er in seinen Wagen. Die Tür knallt. Der Motor knattert. Oonoo fährt weg. Wir bleiben zurück. Wir schauen ihm eine Weile nach, bis von ihm nichts weiter übrig bleibt als ein kleiner dunkler Fleck am Horizont und eine Staubwolke, als er auf die Schotterpiste abbiegt.

Ich schlucke. Jetzt sind wir allein. Irgendwo im Westen der Mongolei. Sie ist das am dünnsten besiedelte Land der Welt. Wann wir wieder Menschen sehen, wissen wir nicht.

Ins Nirgendwo, bitte!

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