Читать книгу Das blaue Sternenschloss - Franziska Pelikan - Страница 6

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5. Die Bootsfahrt

Endlich war das Boot wieder fahrtüchtig. Die Vier besahen es sich voller Stolz von allen Seiten. Auch Li Nú überprüfte es, aber auf seine Art. Er strich um das Ruderboot herum und beschnupperte es gründlich. Angelina hatte schon Angst, er würde mit dem Fell, die noch frische Farbe berühren.

„Wir müssen nur noch die Ruder streichen, dann können wir eine Probefahrt machen”, sagte Talia.

Angelina ging in die Werkstatt und holte sie heraus. Eins strich sie an, das andere strich Talia. Daida versuchte sich überall ein Bisschen nützlich zu machen, indem sie den Farbtopf hielt und Werkzeug anreichte.

„Ist die Farbe wohl morgen schon getrocknet?”, wollte Angelina von Elisabeth wissen.

„Die Ruder vielleicht. Ob die Farbe am Boot getrocknet sein wird, weiß ich nicht. Lasst uns erst übermorgen wiederkommen, weil ich morgen weg muss”, antwortete Elisabeth ihr.

„Wo musst du denn hin”, fragte Daida neugierig.

„Ich muss ein paar Dinge einkaufen. Und dann wollte ich noch mit einer Freundin, die mich eingeladen hat, einen Stadtbummel durch Kierbeck machen.”

„Und wieso hast du ihr nicht einfach abgesagt?”, bohrte Daida sichtlich empört weiter.

„Ich kann meiner Freundin doch nicht einfach absagen.”

„Wieso nicht? Ich würde das auch machen.”

„Komm.” Angelina legte ihr beruhigend den Arm um die Schultern. „Das verstehst du mal, wenn du auch eine Freundin hast.”

Daida schüttelte ungläubig den Kopf, schwieg aber.

Elisabeth warf Angelina einen dankbaren Blick zu.

Am nächsten Tag gewitterte es etwas. Angelina, Talia und Daida saßen am Esstisch und spielten lustlos Karten. Talia hatte schon dreimal gewonnen. Daida einmal und Angelina zweimal.

Plötzlich warf Angelina die Karten hin und meinte: „Ich habe absolut keine Lust mehr.”

Daida tat es ihr gleich.

Talia meinte: „Lasst uns aufhören.”

Sie räumten die Karten weg. Angelina stand auf und sah in den Kühlschrank. Sie nahm einen Joghurt heraus und fragte, wer noch einen wolle. Alle wollten einen. Sie reichte Talia und Daida einen herüber und setzte sich dann wieder auf ihren Platz. Es war düster im Zimmer und sie löffelten schweigend ihren Joghurt. Plötzlich ließ ein Blitz die Dunkelheit, draußen vor dem Fenster aufleuchteten. Talia hatte ihren Blick genau aufs Fenster gerichtet und schrie plötzlich auf.

Daida und Angelina wandten vor Schreck, blitzschnell ihren Kopf zum Fenster. Dort saß auf der Fensterbank etwas Dunkles mit leuchtenden, gelben Augen.

Als Angelina sah wer es war, atmete sie etwas erleichtert auf. Dann fragte sie aber drohend und leise: „Was ist los? Er hat sich noch nie bis hierher gewagt.”

Jetzt stellte der Kater sich auf die Hinterbeine, miaute kläglich und scharrte mit den Krallen an der Fensterscheibe.

„O- oh”, machte Daida. „Mama wird sich über die schmutzige Fensterscheibe freuen.”

Angelina stand auf und ging zur Haustür. Talia und Daida folgten ihr. Li Nú saß schon vor ihr, als sie, sie öffnete. Er strich um ihre Beine und forderte sie auf, mit ihm zu kommen, indem er immer wieder auf die Straße lief und umkehrte.

„Kommt. Zieht eure Jacken an. Wir haben keine Zeit, Mama oder Papa Bescheid zu sagen. Wir folgen ihm”, forderte Angelina ihre Schwestern auf.

Sie zogen sich, so schnell sie konnten Schuhe und Jacke an und folgten dann Li Nú. Er führte

sie den kürzesten Weg über Feld und Wiese zum Bootshäuschen. Als sie dort ankamen, waren sie von dem warmen Sommerregen total durchnässt. Er kratzte an der Häuschentür. Angelina öffnete. Der Kater schoss hinein, schüttelte sich kräftig und ging dann auf die Werkstatttür zu. Auch an ihr kratzte er solange, bis ihm geöffnet wurde. Die Tür zu den Booten stand offen. Er ging weiter, bis auf das Boot zu und sprang hinein. Die Schwestern standen unschlüssig daneben und sahen auf Li Nú herunter. Er sah zu ihnen hinauf. Dann sprang er wieder aus dem Boot und stupste es mit der Nase in Richtung See.

„Das gibt es doch gar nicht”, sagte Angelina ungläubig. Sie strich mit den Fingern über die Farbe. Sie war trocken. Auch die Farbe der Ruder war getrocknet. „Sollen wir tatsächlich das Boot ins Wasser lassen und losschwimmen?”

Daida freute sich: „Ja los, lass das Boot ins Wasser.”

Der Kater stupste es wieder an.

Daida fing an, es Richtung Kante des Stegs zu schieben. Talia fasste mit an. Als Angelina sah, dass beide versuchten das Boot ins Wasser zu lassen, half sie auch mit. Li Nú sprang wieder hinein. Daida stieg hinterher, dann Talia und zum Schluss Angelina. Sie ergriff die Ruder. Talia stieß ab und sie schwammen los, immer weiter vom Häuschen weg. Li Nú stupste Angelina mit der Nase an der rechten Hand an. Langsam verstand sie, was er damit meinte und lenkte solange rechts, bis er meinte es wäre genug. Plötzlich bemerkte Talia, auf was sie zusteuerten. Es war ein Bach, nur nicht so flach, sondern tief genug, dass ein Ruderboot ohne Probleme in ihm schwimmen konnte. „Wohin führt er uns?”, wollte Daida wissen.

Keiner antwortete ihr. Es nieselte noch immer ein wenig. Daida rückte dicht an Talia heran. Sie fror.

Nun erreichten sie den Bach.

„Hier ist es leichter zu rudern”, stellte Angelina fest.

Der schwarze Kater hatte es sich vor ihren Füßen bequem gemacht. Er schien nicht zu frieren.

„Kann ich mal rudern?”, fragte Talia nach einer langen Weile.

Angelina nickte und überreichte ihr die Ruder. Talia hatte mehr mit der Strömung zu kämpfen, als Angelina.

„Wie lange sind wir schon unterwegs?”, wollte Daida wissen.

„Etwa eine Stunde”, antwortete Angelina ihr.

„Mir ist langweilig”, jammerte sie.

„Dann such dir eine Beschäftigung”, erwiderte Angelina.

„Wo fahren wir denn eigentlich hin.”

„Och, Mensch, halt doch deinen Mund! Ich weiß es doch auch nicht”, brauste Angelina genervt auf.

Der Kater stellte die Nackenhaare auf. Angelina streichelte ihn beruhigend.

Langsam wurde der Regen weniger und der Himmel heiterte sich ein wenig auf. Sie schwiegen alle bedrückt. Nur der Kater schnurrte unter Angelinas streichelnder Hand.

Nach etwa einer Stunde unterbrach Daida wieder die Stille mit ihrem Gejammer: „Mir ist kalt.”

„Dann mach dir warme Gedanken”, warf Talia zurück.

„Das nützt auch nichts”, erwiderte Daida.

„Wollen wir mal wieder wechseln?”, bot Angelina Talia an.

Sie war einverstanden.

Die drei Schwestern fuhren etwa noch eine halbe Stunde, bis sie an einen Bach gelangten, der in den ihren floss. An dieser Stelle hatte Angelina so sehr mit der Strömung zu kämpfen, dass sie fast an einen Baumstamm geschleudert wurden. Er ragte vom Ufer aus ins Wasser. Sie konnte gerade noch an ihm vorbeilenken. Plötzlich wurden sie in einen Strudel gerissen. Das Boot wurde dreimal im Kreis gewirbelt und raste dann geradeaus, wie eine Rakete, aus dem Strudel heraus. Angelina entwich ein Ruder. Das andere zog sie schnell ein.

„Mist!”, fluchte sie. „Wie sollen wir jetzt noch lenken, geschweige denn zurückkommen?”

Sie sah sich um. Daida war auf den Boden des Bootes geschleudert worden. Talia lag vorne im Bug. Beide rappelten sich auf und setzen sich wieder auf die Bänke. Der Kater lag, wo er vorher auch lag. Er schien so etwas gewohnt zu sein.

Plötzlich schrie Talia auf: „Da hinten schwimmt ein Ruder. Das ist unseres. Dir ist das Ruder entwischt.” Sie beugte sich so weit übers Wasser, dass sie fast, von dieser schnellen Fahrt, herausgefallen wäre. Gerade noch rechtzeitig griff sie nach dem Ruder und warf sich ins Boot zurück.

„Falls wir diese Strecke noch mal fahren müssen, wissen wir Bescheid”, meinte Angelina.

Sie fingen langsam, an sich Sorgen zu machen. Es war schon siebzehn Uhr.

„Wir schaffen es nicht pünktlich zurück zu sein.” Talias Stimme zitterte etwas.

Keiner wagte ihr darauf etwas zu erwidern. Langsam kam die Sonne wieder durch. Sie hätten diese Fahrt genießen könnten, wüssten sie, wie sie zurückkämen. Das Ruderboot raste mit fast siebzig Stundenkilometern durch den Bach.

Langsam ging die Sonne schon unter und sie waren immer noch nicht zurück. Daida war eingeschlafen. Ihr Kopf lehnte an Talias Schulter. Talia war viel zu aufgeregt, um schlafen zu können und Hunger hatte sie auch. Angelina hätte auch gerne etwas gegessen, aber dieses Mal hatte sie nicht einmal einen Schokoladenriegel dabei. Plötzlich sah sie, wie der Bach breiter wurde. Sie wandte sich leise an Talia, um Daida nicht aufzuwecken: „Ich glaube dieser Bach mündet in einen Fluss.”

Talia richtete sich auf und sah nach vorne. „Stimmt. Du hast sicher Recht.”

Der Kater beobachtete sie aus seinen gelben Augen und schnurrte vor sich hin.

„Wo sind wir hier eigentlich?”, fragte Talia mehr sich selber.

Angelina zuckte mit den Schultern. „Hier wird uns auf jeden Fall nie jemand finden. Wenn nicht mal ein Mensch das Bootshäuschen kennt, zweifele ich daran, ob die Welt wirklich schon ganz erforscht worden ist, oder ob man vieles nur vermutet und aufgezeichnet hat.”

Darauf antwortete Talia nichts.

Sie schwiegen wieder. Es war jetzt schon stockdunkel. Dann schlief auch Talia ein. Nur Li Nú und Angelina blieben wach. Sie kroch zu dem Kater hin und kraulte ihn hinter den Ohren. „Na, Li Nú, könntest du mir mal sagen, wo du uns hinführst?”

Er sah sie nur aus geheimnisvollen Augen an. Was hätte sie auch anderes erwarten können. Katzen können ja nicht reden.

„Weist du Li Nú”, sagte sie weiter zu ihm, „Ich bin totmüde, kann aber nicht schlafen. Ich habe nämlich Angst, dass wir dann nachher noch irgendwo zerschellen.”

Als ob er sie verstanden hätte, schüttelte er den Kopf und rieb ihn an ihrem Knie.

„Meinst du, ich könnte ruhig schlafen?”

Er schien wieder zu nicken. Sie hatte schon öfter das Gefühl gehabt, er würde sie verstehen, aber nicht so, wie in diesem Moment.

„Du kannst mich wohl verstehen?”

Er nickte wieder, dieses Mal deutlicher.

„Du bist seltsam”, meinte sie dazu nur und legte sich neben ihn auf den Schiffsboden.

„Aus dir werde ich niemals schlau. Weck mich wenn es hell wird.” Sie spürte nur noch, wie er ihr mit seiner rauen Zunge über das Gesicht fuhr, dann war auch sie eingeschlafen.

Das blaue Sternenschloss

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