Читать книгу Das blaue Sternenschloss - Franziska Pelikan - Страница 7

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6. Weites, blaues Meer

Angelina wachte auf. Ihr tat alles weh. Die Sonne war schon aufgegangen und ein lauer Wind wehte. Erst wusste sie nicht, wo sie war, aber dann besann sie sich wieder. Sie richtete sich auf und sah zu ihren Schwestern herüber. Sie schliefen beide. Auch Li Nú lag noch auf seinem Platz, doch er war wach. Sie setzte sich auf, um die Umgebung zu beobachten. Plötzlich erschrak sie. „Wo sind wir? Doch nicht etwa auf dem Meer!? Das kann doch gar nicht so schnell gehen.” Sie sah sich noch genauer um, aber da war nichts anderes, als weites dunkles Meer, in dem sie einsam und verlassen, in ihrem Ruderboot schwammen. Sie kroch auf dem Boden entlang zu Talia und stupste sie an: „Talia, bist du schon wach?”

Sie öffnete ein Auge und murmelte etwas, dann war sie schon wieder eingeschlafen. Der Kater erhob sich jetzt und strich um Angelinas Beine. Er ging zu Talia und sprang auf ihren Bauch. Sofort war sie hellwach und fuhr auf. „Was soll das Angelina?”, rief sie wütend.

„Das war nicht ich. Das war der Kater”, rechtfertigte Angelina sich.

„Wo- wo sind wir.” Talia sah sich jetzt auch um.

„Auf dem Meer.”

Talia ließ ihren Blick über die Endlosigkeit streifen. „Das gibt es nicht!”, sagte sie leise fassungslos.

Daida regte sich im Schlaf.

„Sei etwas leiser. Sonst wacht Daida noch auf”, warnte Angelina sie.

Heute fuhren sie nicht mehr so schnell. Sie schwammen in gemütlichem Tempo vor sich hin.

„Wo wir wohl sind”, meinte Talia.

„Das möchte ich auch gern mal wissen”, gab Angelina zurück.

Daida schlief bis in den späten Morgen. Kaum war sie aufgewacht fragte sie, wann es etwas zu essen geben würde. Sie hatten alle Hunger. Am Nachmittag war ihnen richtig übel. Angelina und Talia machten sich ernstlich Sorgen, was sie essen sollten. Zu trinken hatten sie auch nichts dabei, außer einem Tetrapäckchen mit Orangensaft. Angelina sagte, sie sollten es erst trinken, wenn der Durst nicht mehr auszuhalten wäre. Ohne Wasser würden sie schneller verdursten, als verhungern und wer wusste schon von ihnen, wie lange sie noch auf dem Meer sein würden.

Langsam wurde es Abend. Es war immer noch kein Land in Sicht. Daida schlief schon längst wieder, als Angelina ein Gedanke kam. Um das Boot schwammen schon die ganze Zeit kleine Fische. „Wir können Fisch fangen.”

„Und worüber sollen wir ihn braten?”, erwiderte Talia.

„Wenn du kurz vor dem Verhungern bist, wirst du alles essen.”

Darauf erwiderte sie nichts.

Angelina beugte sich über den Rand des Schiffes. Sie versuchte einen Fisch mit der Hand zu fange. Es gelang ihr nicht. Das Einzige was sie fing war Seetang.

„Seetang kann man auch essen”, meinte Talia.

Angelina nickte und steckte sich ein bisschen in den Mund. Gleich darauf spuckte sie es wieder aus. „Viel zu salzig. Würde nur noch mehr Durst machen.”

Talia versuchte auch einen Fisch zu fangen. Nach längerem Üben gelang es ihnen tatsächlich. Er zappelte in ihren Händen. Angelina warf ihn vor Li Nús Nase. „Töte ihn!”

Er tötete ihn tatsächlich, indem er ihm den Kopf abbiss. Den Kopf fraß er auch gleich auf. Den Rest ließ er für die Drei übrig.

Talia weckte Daida. Angelina meinte sie sollten ihr den ganzen Fisch lassen, weil sie schneller verhungern würde. Daida schlang ihn hinunter, ohne etwas zu sagen. Sie war noch klein und wusste noch nicht, dass Fisch roh gar nicht so gut sein kann. Er sollte wenigstens eingelegt sein, weil er sonst eventuell Krankheitskeime besitzt.

Angelina und Talia versuchten noch einen Fisch zu fangen, den sie sich dann teilten. Die Gräten gaben sie dem Kater.

Früh am nächsten Morgen weckte Li Nú Angelina. Er wollte, dass sie ruderte. Wie immer stupste er sie an, wenn sie den Kurs wechseln sollte. Sie waren jetzt schon drei Tage unterwegs und machten sich keine Gedanken mehr darüber, ob ihre Eltern sich sorgten. Sie dachten nur noch voller Panik daran, was sie trinken sollten. Es waren für jeden noch zwei Schlucke Saft in dem Tetrapäckchen.

Auch der Tag ging vorbei und die Nacht trat ein. Angelina musste auch des nachts rudern, da sie keinen Anker hatten. Sie wechselte sich mit Talia ab.

Der nächste Tag wurde sehr heiß. Ihre Gesichter waren von der Sonne verbrannt und die Haut pellte sich schon. Sie versuchten sie mit dem Meerwasser zu kühlen, aber das Salz brannte auf der wunden Haut. Angelina und Talia hatten vom Rudern Blasen an den Händen. Alle drei verloren schon die Hoffnung, jemals wieder in lebendigem Zustand, Land zu sehen. Auch dem Kater hing schon die Zunge zum Halse heraus. Die Gaumen waren geschwollen und sie hatten seit zwei Tagen schon kein Wort mehr von sich gegeben.

Daida schlief, wie die meiste Zeit. Talia saß auf der Bootsbank und döste vor sich hin. Sie wartete darauf, dass sie Angelina vom Rudern ablösen konnte. Die Sonne stand nun an ihrem höchsten Punkt. Erbarmungslos knallte sie aufs Meer. Das Wasser spiegelte sie doppelt zurück.

Plötzlich schrie Angelina auf. Sie zog die Ruder ein und sprang auf. Talia schreckte von diesem Schrei hoch und starrte gerade aus. Auch Daida war aufgewacht.

„Das gibt es nicht!”

Was vor ihnen lag verschlug den Geschwistern den Atem. Li Nú konnte noch so bitten und betteln, dass Angelina weiter rudern möge, sie rührte sich nicht vom Fleck. Erst, als ihr der schwarze Kater fast ins Gesicht sprang, nahm sie die Ruder wieder auf.

Vor ihnen lag ein dunkelblaues Schloss, so blau wie das Meer, das von weitem golden glitzerte. Auf dem höchsten Turm prangte ein goldener Stern. Es stand inmitten einer Insel, von Bäumen umringt. Es sah so märchenhaft schön aus. Die Insel wirkte so nah und war doch noch so fern. So etwas hatten sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Nicht einmal in Märchen gehört. Das blaue Schloss wurde direkt von der Sonne angestrahlt. Es war so ein schönes Blau, wie man es sich kaum vorstellen konnte, ein dunkles Blau, ein tiefes dunkles Blau, nicht fast schwarz, aber auch nicht hell. Es war eben wunderschön. Für diese Farbe gibt es keine Worte.

Dieses Ziel gab Angelina wieder Kraft und sie ruderte kräftiger.

Auch Daida redete nun wieder. „Wann sind wir da?”

„Vielleicht in einer Stunde”, antwortete Talia ihr.

Und so war es dann auch. Talia und Angelina hatten sich noch ein paar Male mit Rudern abgewechselt. Nun war Angelina wieder an der Reihe. Sie waren schon sehr nahe am gelben Strand der Insel. Li Nú stupste ihre rechte Hand an. Sie sollte um die Insel herum schwimmen. Immer näher an sie heran. Daida war so unruhig, dass das ganze Schiff schaukelte. Sie stand auf, setzte sich wieder hin und schaute zum Schloss hinüber. Angelina und Talia wurden schon etwas wütend. Sie waren auch beide aufgeregt, sprangen aber nicht im ganzen Ruderboot herum.

„Wir sind gleich da”, rief Daida.

„Seht mal, da vorne ist eine Bucht. Sie sieht so ähnlich, wie ein natürlicher Hafen aus.” Talia deutete aufgeregt mit dem Finger zu ihr herüber. Sie war mit reinem, gelbem Sand umrahmt. Die Einfahrt war gerade so groß, dass ihr Ruderboot hindurch passte. Sie steuerten direkt darauf zu. Immer näher und näher kam sie. Mit jedem Ruderzug wurden sie aufgeregter. Angelina raffte ihre ganze, letzte Kraft zusammen und ruderte so stark, sie nur konnte. Der Kater musste sie nicht mehr führen. Sie wusste jetzt, worauf sie zusteuern musste.

Und dann wurden alle drei Mädchen sehr still. Sie hatten den Eingang zur Bucht erreicht. Nur

noch ihre erregten Atem konnte man hören und ihre vor Aufregung erhitzten Körper spüren.

Sie schienen etwas in sich hineinzudrücken, was bei der nächsten Gelegenheit herauszuplatzen drohte.

Angelina lenkte das Boot nun geschickt durch die Öffnung in die Bucht. Es schien ihnen wie eine Ewigkeit zu dauern. Dann näherte sie sich dem Ufer. Langsam, wie es schien, ganz langsam. Es war ganz ruhig. Man hörte nicht einmal mehr den Atem der Schwestern, nur das gleichmäßige Eintauchen der Ruder in das Wasser und die Wellen, die leicht auf den Strand rollten. Angelina legte an. Einige Sekunden, die ihnen wie Stunden vorkamen blieben sie noch sitzen. Dann sprangen sie alle fast gleichzeitig auf und fielen mehr, als dass sie stiegen, aus dem Ruderboot.

Und plötzlich platzten sie. Sie sprangen, schrieen und kreischten durcheinander. Sie warfen sich in den warmen, weichen Sand und kugelten, lachend und voller Lebenslust, über den ganzen Strand. Immer wieder sprangen die drei auf, ließen sich wieder fallen und warfen sich gegenseitig mit gelbem Sand ab, der in der Sonne wie Sterne glitzerte, wenn man ihn in die Luft warf. Keiner der Mädchen achtete darauf, dass der Sand in ihre Münder drang und zwischen den Zähnen knirschte. Sie schrieen und jauchzten. „Wir haben’s geschafft! Wir haben’s geschafft!” Sie fühlten sich frei und überglücklich. Keiner dachte mehr an seinen Hunger und Durst. Nur der Kater hatte sich fortgeschlichen, etwas zu trinken zu finden. Dann fielen sie sich in die Arme. Alle drei und weinten vor Freude. Es war so wunderschön auf dieser Insel.

Langsam wurden die Schwestern wieder ruhiger. Sie ließen sich los und sahen sich um. Der Strand war etwa fünfundzwanzig Meter breit. Gleich danach kam ein Wald. Soweit sie gucken konnten, sahen sie nur wunderschönen, gelben Strand und dahinter Bäume. Es waren Bäume, die sie nicht kannten. Dort standen Bäume, die hatten Ähnlichkeit mit jungen Palmen. Sehr weit oben wuchsen schöne, runde, rote Früchte, etwa so groß wie Äpfel, die sie nicht kannten, an Stauden. An einer anderen Stelle standen Bäume, die riesige grüne Blätter trugen. Wiederum weiter weg standen welche, die ganz, ganz kleine Blätter hatten. An ihm wuchsen blaue, beerengroße Früchte, zum Greifen nahe. Es gab auch Bäume mit einer Blütenpracht, die wir uns kaum vorstellen können. Mit gelben, blauen, weißen und roten Blüten. Zwischen ihnen wucherten fahnenartige Gewächse und andere kleine Pflanzen. Es gab auch Blumen, in allen erdenklichen Farben, die sie noch nie gesehen hatten und Sträucher an denen rote, blaue und gelbe Beeren wuchsen. Es sah alles so prachtvoll aus. So, wie sich die Mädchen das Paradies vorstellten.

Bei dem Anblick der Früchte spürten sie wieder ihren Hunger und stürmten auf die Beeren zu. Sie stopften so viele in sich hinein, wie sie nur konnten. Sie löschten gleichzeitig, vorübergehend, einwenig den Durst. Angelina fand dabei plötzlich eine Schneise, die in den Wald geschlagen worden war. Damit man besser gehen konnte, war sie mit Brettern ausgelegt. Als sie diese sah, fiel ihr wieder das Schloss ein und sie machte Talia und Daida auf die Schneise aufmerksam. „Kommt lasst uns mal sehen, ob wir das Schloss finden.”

Die beiden waren einverstanden und so machten sie sich auf und drangen in den wunderschönen Urwald ein.

Das blaue Sternenschloss

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