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Frank war wieder alleine, sein Intermezzo mit der verführerischen Wilden ließ er wie eine dem Traum entsprungene Seifenblase zurück. Das Alleine sein, was zuvor sein größter Wunsch gewesen war, erschien ihm nun als unabwendbare Notwendigkeit. Frank ging weiter, am Strand entlang und hing seinen Gedanken nach. Er versuchte zu zählen, wie viele Tage vergangen waren, als er zuerst auf die wundersame Frau stieß. Der erste Abend, er war ihm besonders in Erinnerung geblieben – am ersten Abend hatten sie zusammen ein Lagerfeuer gemacht und sind im Licht der Flammen getanzt. Jedenfalls ist sie getanzt. Er wusste noch, wie er ihr zusah, die sich wieder und wieder zu der Stille, die nur durch das Rauschen der Wellen unterbrochen wurde, drehte, sich so oft im Kreise drehte, dass ihm, Frank, schon vom Zusehen komisch wurde. Die Tage vergingen damit, dass die schöne Wilde ihrem Alltag nachging, der so besonders, so entfernt von allem, was er bereits gesehen hatte, las, dass Frank den Großteil seiner Zeit damit verbrachte, sich an einen schönen Platz zu setzen und ihr zuzusehen. Gegen Abend versuchte ein jeder der beiden, was er konnte, um sich um etwas zu Essen sowie Brennholz zu kümmern. Einmal zeigte sie ihm, wie sie mit einem einfach Netz fischen konnte. Sie war sehr lieb zu ihm, ließ ihn an ihrem Leben teilhaben, ohne ihn verpflichtend mit ein zu beziehen, ohne etwas von ihm zu verlangen. Nachts teilte sie ihr Bett mit ihm. Ihr Körper war weich, so weich, als könne er durch ihr Haut hindurch greifen. Ihr Atem war warm, ihr Haar, das zerzauste, knotige Haar, es roch leicht süßlich nach Lavendel. Vielleicht waren es drei, vielleicht waren es auch sieben Tage, die er mit dieser geheimnisvollen Schönen verbrachte. Es war ganz so, wie er es sich immer gewünscht hatte – nichts verlangte sie von ihm, nichts erwartete sie, und trotzdem ließ sie ihm gewähren, gab ihm den Eindruck nicht zu stören. Dann blieb Frank stehen. Er sah einer kleinen Katze zu. Die Katze lag lauernd im Gras, auf der Suche nach einem kleinen Vogel oder einer Maus. Nie hatte er gedacht, dass ein Mensch wie eine Katze leben kann – frei und einzelgängerisch, sich selbst versorgend. Mehr noch: Die Wilde schien , so kam es ihm in seiner Vorstellung jedenfalls vor, sie schien die Berührungen zu genießen, doch schien sie ihn nicht zu brauchen, seine Gegenwart nicht zu verlangen. Sie strahlte eine so große Ruhe, eine so große Einigkeit mit sich und ihrem Leben aus, dass ihm, der noch zerrissen im Inneren herum streunte, bange vor so viel Einigkeit wurde. Eines wurde ihm bewusst. Er konnte bleiben, doch sah er vor sich, wozu er noch nicht bereit war: Ein Leben selbstbestimmt an einem Ort, einem spärlich eingerichteten Ort. Dies war, was er wünschte, und er wusste, dass er noch sehr viel Zeit benötigen werden wird, um sich seiner Gefühle, all des Zornes und Hasses, dass er aufgestaut hatte, für dessen Entstehen er andere Menschen verantwortlich gemacht hatte, und die, wie er nun erst anfing zu verstehen, von ihm selbst natürlich nur ausgehen konnten und er dies einsehen musste, keinen Hass und Zorn mehr in sich entstehen lassen wollte, da nun er es war, der dies alles mit sich herum schleppte, und niemand außer er selbst dafür die Verantwortung tragen konnte. Und er sah schon fast, dass er wütend auf sich wurde, als er versuchte die schöne Wilde zu verstehen, zu verstehen, was in diesem Feenhaften Wesen vorging, und es doch nicht verstand – es wurde Zeit, dass er ging. Endlich, nachdem ihm diese Gedanken durch den Kopf rannen, und nachdem ihm seinen Schritte immer weiter weg trugen, endlich war er bereit einzusehen und den Ursprung der Gefühle bei sich zu suchen. Frank hob den Kopf. Es war ein windiger Tag . Das Meer hatte Schaumkronen geworfen. Wie kleine mit Schnee bedeckte Gipfel trieben die Wellen auf dem Wasser. Es war nun dunkelblau, fast schwarz, das Wasser. Am Ufer im Sand hatte sich ein e Vertiefung gebildet, wo man sonst flach in das Meer hinein laufen konnte. Frank empfand eine große Ruhe, als er sein Blick über den Strand gleiten ließ. Er war wieder alleine, und er wusste, dass er die Zeit brauchte. Er wusste, dass er die Natur brauchte, denn egal, was er in sie hinein interpretierte, ihr konnte er keine Schuld für irgendetwas geben, das Gefühl, einen Schuldigen zu suchen, musste auf ihn zurückgeführt werden. Frank wollte erst zu den Menschen zurück, wenn er keine Schuld geben würde, niemanden für seine Wut und seinen Hass verantwortlich machen würde, Frank dachte an die Frau und daran, dass er noch Zeit benötigte, bis er soweit sein würde. Er dankte ihr innerlich und ging den Strand weiter entlang, zufriedener als bevor er sie kennen gelernt hatte.

Milans Weg

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