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Prolog

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Es ist schon erstaunlich, welche versteckten Schachzüge das Leben parat hält. Vermeintliche Launen des Schicksals, über deren tatsächliche Wurzeln man erst viel später stolpert. In meinem Fall handelte es sich um eine ausgesprochen profane Unlust. Genauer gesagt, um einen Anflug äußerst schlechter Laune. Herbeigeführt durch eine Vielzahl von Tiefschlägen jeglicher Art. Verstärkt durch die Novemberatmosphäre, die sich alljährlich über die Stadt legte. In diesem Jahr zu allem Überfluss schon Anfang Oktober. Blauer Himmel und Sonnenschein schienen den Vorboten des auslaufenden Jahres endgültig Platz gemacht zu haben: ungemütliche Temperaturen, gedeckte und gedämpfte Stimmung allerorts, die Natur grau in grau, der Blick von meiner kleinen Dachwohnung auf die Donau eingehüllt von undurchdringlichen und hartnäckigen Nebelschwaden. Kurzum, ein Klima, bestens geeignet für eine saftige Weltuntergangsstimmung.

Ich hatte schon seit Tagen keinen unnötigen Schritt vor die Tür gesetzt. Das Telefon war ausgestöpselt und sogar der Griff zum Fernseher zu anstrengend. So hegte und pflegte ich meine Depression. Kleinste Anzeichen der Besserung erstickte ich im Keim. Schließlich war meine Bereitschaft zu leiden längstens nicht ausgeschöpft. Im Gegenteil. Um mir den deprimierenden Kontrast zwischen meiner Wenigkeit und dem Rest der Menschheit vor Augen zu führen, bedurfte es keiner großen Anstrengung. Ich brauchte nur meiner Leseleidenschaft nachzugeben. Schließlich gab es keinen Schmöker, der mich nicht früher oder später mit der Erkenntnis konfrontierte, wie sehr sich das eigene Leben von dem anderer Genossen unterschied.

Was hatte mein monotones Dasein schon mit den so genannten Geschichten gemein, die das Leben schrieb? Nichts! Absolut nichts! Genauso gut hätte ich meine Existenz auch auf einem anderen Planeten fristen können. Unzählige Papierseiten lieferten mir den Beweis. Die anderen, ja, die sonnten sich auf der guten Seite des Lebens. Ein Erfolg jagte den anderen. Eine glückliche Beziehung ging nahtlos in die nächste über. Und zeichnete sich ausnahmsweise ein kleiner Misserfolg ab, so war er unter Garantie für etwas Überwältigendes gut.

Ja, andere standen morgens auf, ohne zu wissen, was der Tag für sie bereithielt. Ihr Alltag wurde von Abwechslung, Spannung, Abenteuer und Leidenschaft bestimmt. Sie wurden im positiven Sinne Opfer der unglaublichsten Zufälle. Der kleinste Schritt konnte sich als eine vom wohlwollenden Schicksal gesteuerte Bewegung in eine wundervolle und grenzenlose Zukunft offenbaren. Gefolgt von der wohligen Gewissheit, dass sich ihr Leben innerhalb weniger Stunden um 180 Grad gewandelt hatte. Natürlich zum Besten.

Ich hingegen? Was immer ich auch anpackte – es ging schief. Der fragwürdige Trost, dass auch meine Patzer irgendwann für etwas gut sein könnten, hielt sich in Grenzen. Denn selbst wenn, da war ich mir sicher, stand zu befürchten, dass mir der Genuss des schwer verdienten Glücks infolge frühzeitigen Ablebens verwehrt bleiben würde.

Auf was ich mich hingegen felsenfest verlassen konnte, war das morgendliche Wissen, wie mein Tag ablaufen würde. Und zwar nicht nur der aktuelle Tag, sondern jeder Tag, die nächsten Wochen, Monate, Jahre ... Da half es auch nichts, Umwege gedanklich oder tatsächlich zu gehen. Egal wie viele Schritte ich in die entgegengesetzte Richtung setzte, stets führte mich der Weg über die verschmähte Ziellinie. Daher beschäftigte ich mich vor dem Einschlafen meist mit der Frage, warum der Zufall, dem ich weiß Gott genug Chancen bot, so undankbar war, keine zu nutzen.

Eines Tages kam, was kommen musste: Eine ernsthafte Krise drohte auszubrechen. In meinen vier Wänden gab es keine einzige schriftliche Zeile mehr, die ich mir nicht zumindest einmal verinnerlicht hatte. Was nun? Etwa meinen Schutzwall verlassen, um für Nachschub zu sorgen? Ein Akt der Willensanstrengung, den ich mir in meiner momentanen Gemütsverfassung wahrlich nicht abverlangen konnte.

Rat- und rastlos tigerte ich durch meine Kemenate, als sich ein Krimi in mein Blickfeld schob, den ich vor geraumer Zeit nach wenigen Seiten in die hinterste Ecke des Bücherregals verbannt hatte. Angesichts der akuten Notlage schien es mir angebracht, meine Abneigung gegen Kriminalromane für die Dauer einer einmaligen Lektüre zu ignorieren.

Was ich in diesem Augenblick nicht ahnte: Es war der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Richtung. Ein Schritt, der mich direkt und ohne Umwege zu dem bislang so schmerzlich vermissten Zufall führte. Zu einer Reihe von Ereignissen, nach deren Durchlaufen nichts mehr so sein würde, wie es einmal war. Ereignisse, die nicht nur meinen Moralischen beendeten, sondern den Schlüssel zu meiner Vergangenheit darstellten.

Das GEHEIMNIS der TRINAKRIA

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