Читать книгу Das GEHEIMNIS der TRINAKRIA - Freda Kurto - Страница 7

Kapitel 4

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Nach einer kurzen Ruhepause schoben sich die Gedanken an das bevorstehende Abendmahl in den Vordergrund. Mir schwebte eine hoteleigene gemütliche Pizzeria oder Ähnliches vor. Jedenfalls zweifelte ich keinen Augenblick daran, dass das Hotel über ein entsprechendes Angebot verfügte. Denn eins stand fest. Keine zehn Pferde würden mich dazu bringen, an diesem Abend noch einen Fuß ins Auto zu setzen. Als ich kurze Zeit später den Aufzug betrat, fiel mein erster Blick auf Tim und der zweite auf ein Schild, das auf ein Restaurant ristorante im Untergeschoss hinwies. Doch schon der erste Blick hinein wurde durch die vorherrschende Wartesaalatmosphäre getrübt. Lediglich in einer Ecke des riesigen Raumes waren einige Tische eingedeckt und verkündeten von der grundsätzlichen Möglichkeit, dort zu dinieren. Außer den anwesenden deutschen Touristen des Mittelalters war keine Menschenseele zu sehen. Ein Blick zu Tim zeigte, dass dieses Umfeld auch seiner Vorstellung von italienischem Ambiente kaum entsprach.

Wie auf ein Kommando drehten wir uns um und suchten die Rezeption auf. Dort erfuhren wir zu unserem Leidwesen, dass es in puncto Nahrungsaufnahme keine Alternative gab. Also beschlossen wir, der Hotelbar, die sich größter Beliebtheit erfreute, die Ehre zu geben. Um zu ihr zu gelangen, mussten wir uns durch eine beträchtliche Anzahl gemischter Touristen jeglichen Alters kämpfen, die, beschwingt durch die melodischen Klänge einer Rentnerband inklusive Hammondorgel, das Parkett erzittern ließen. Eine Weile betrachteten wir das lustige Treiben. Nachdem sich unsere Ohren leidlich an die Geräuschkulisse gewöhnt hatten, nutzte ich die Gelegenheit, um etwas mehr von meinem Reisebegleiter zu erfahren. Bereitwillig berichtete er in Kurzform über sein Leben.

„Weißt du – nach dem zweiten Glas Rotwein vino tinto hatte ich ihm zu unser beider Überraschung die Brüderschaft angeboten – genau genommen hat meine Geschichte ihren Ursprung hier auf Sizilien. Während eines Urlaubs lernte meine Mutter in einem kleinen Bergdorf in der Nähe von Caltagirone meinen Vater kennen. Für beide die große Liebe auf den ersten Blick. Am Ende der Ferien fuhr sie wie geplant nach Passau zurück. Jedoch nur, um meine Großeltern über ihre Verlobung und baldige Hochzeit zu informieren. Zwei Wochen später befand sie sich wieder auf dem Weg nach Sizilien – die unumstößliche Absicht im Gepäck, dort ein neues Leben zu beginnen – “

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Zu Beginn lief alles bestens. Meine Eltern waren glücklich, kurze Zeit später kam ich. Einziger Wermutstropfen: die Bewohner sahen in ihr einen unwillkommenen Eindringling. Ein Umstand, von dem meine Mutter hoffte, er würde sich mit der Zeit legen. Doch da täuschte sie sich. Die Einheimischen, eine verschworene, misstrauische und zurückhaltende Gemeinschaft, legten ihr gegenüber ohne Unterlass ein feindliches, nahezu aggressives Verhalten an den Tag. An eine Eingliederung in die dörfliche Gemeinschaft war nicht zu denken. Natürlich blieb die Beziehung zu meinem Vater davon nicht verschont. Denn nun war auch er als Außenseiter gebrandmarkt. Meine Mutter fühlte sich wie in Isolationshaft. Hinzu kamen der ungewohnt niedrige Lebensstandard, die extremen klimatischen Bedingungen und die in den langen Sommermonaten karg und schroff anmutende, ausgedörrte Landschaft. All das körperlich zu verkraften, fiel ihr von Jahr zu Jahr schwerer. Nach fünf Jahren gestand sie sich ein, für dieses Leben nicht geschaffen zu sein. Die Trennung erfolgte im Streit. Ich war vier Jahre alt, als ich mit meiner Mutter nach Passau zurückkehrte. Damals habe ich meinen Vater das letzte Mal gesehen. Seit dieser Zeit herrschte absolute Funkstille. Vor einem halben Jahr haben wir von seinem Tod erfahren.“

„Das tut mir wirklich sehr leid. Und in all den Jahren haben weder du noch deine Mutter einen Schritt auf diese Insel gesetzt?“ „Ja. Leider. Als Jugendlicher habe ich eine Weile versucht, sie zu einem Urlaub zu überreden, aber sie hat sich strikt geweigert. Und ohne sie fahren, das wollte ich nicht. Doch jetzt, da mein Vater tot ist, hatte ich den unbestimmten Drang, das Versäumte endlich nachzuholen.“ „Nun, ich glaube, ich kann deine Mutter verstehen. Aber du scheinst dich wirklich sachkundig gemacht zu haben.“ „Wie meinst du das?“, hakte Tim nach. „Na ja, zum Beispiel dein Wissen über die Trinakria.“ „Das stimmt nicht ganz“, erwiderte Tim. „Weißt du, dieses Symbol ist quasi das einzige Übrigbleibsel aus der sizilianischen Vergangenheit meiner Mutter. Dafür hegt und pflegt sie es um so mehr. Es ist in ihrem Haus überall und in jeder Form vertreten. Auf Wände und Decken gemalt, als Wandschmuck aus Ton gearbeitet, als Motiv auf Vasen und Blumentöpfen et cetera. Da die Trinakria auch für dich eine Bedeutung zu haben scheint, müsstest du dir das Haus eigentlich mal anschauen!“

Ich hatte es befürchtet. Ein geschickter Wink mit dem Zaunpfahl, dass nun ich an der Reihe sei, ein wenig aus der Schule zu plaudern! Doch darauf würde er lange warten können. Also ignorierte ich die unausgesprochene Aufforderung einfach. Ob er sich dessen bewusst war; oder mit Blick auf meine Reaktion auf der Fahrt nach München nicht nachhakte? Jedenfalls beantwortete er brav meine zwecks Ablenkung gestellten Fragen. So erfuhr ich unter anderem auch etwas über seinen beruflichen Werdegang. Nach einer Tischlerlehre hatte er sich auf die Restaurierung alter Möbel spezialisiert und sich vor Kurzem selbständig gemacht. Die Werkstatt, die im Hause seiner Mutter eingerichtet hatte, lief jedoch zur Zeit mehr recht als schlecht.

Als mir ums Verrecken keine Fragen mehr einfielen, steuerte er erneut auf das gemiedene Thema zu. „Ich habe mich schon gefragt, ob du auch südländischer Herkunft sind.“ Maßlos erstaunt erwiderte ich: „Wie kommst du denn darauf? Auf die Idee ist noch niemand gekommen.“ „Na ja, das war eben mein erster Gedanke, als ich dich sah. Der etwas dunkler ausgefallene Teint, die schwarzen Haare. Lediglich deine blauen Augen passen nicht ganz ins Schema. Und ein bisschen zu groß bist du auch. Aber sag selbst, habe ich Recht oder stimmt’s?“ Reinen Gewissens bemerkte ich: „Also, wenn dem so sein sollte, hat man mir in der Tat eine wichtige Information vorenthalten.“ Ein Zwischenfall, der sich in diesem Augenblick ereignete, bewahrte mich vor einer weiteren Inquisition. Ein Vorfall, auf den ersten Blick sehr ärgerlich, auf den zweiten jedoch von unschätzbarem Wert.

Ich drehte mich ein wenig auf dem Barhocker, um einen Blick auf die unmittelbar angrenzende, nunmehr zum Bersten gefüllte Tanzfläche zu werfen. Wie es genau geschah, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls stolperte ein älterer Italiener, der seine Tanzleidenschaft temperamentvollst zum Ausdruck brachte, fiel gegen mich und verlor das Gleichgewicht gänzlich. Während ich mich reaktionsschnell an die Reling der Bar klammerte, ging das Energiebündel zu Boden. Da er bei dieser akrobatischen Einlage keinen Schaden nahm, war der Vorfall an sich nicht weiter tragisch. Wäre er nicht bei dem Zusammenprall mit seinem protzigen, goldenen Siegelring an meiner Kette hängen geblieben. Keine Frage, dass sie dem Druck des beleibten Italieners nicht gewachsen war. Sie riss, die Trinakria fiel zu Boden und verschwand unter dem schwarzen, auf Hochglanz polierten Schuh eines in der Nähe agierenden Tänzers. Mit einem Schrei verließ ich meinen Untersatz und attackierte den zu besagtem Schuh gehörenden Fuß.

Vor Wut stiegen mir die Tränen in die Augen, als ich sah, dass die Trinakria teilweise verbeult war, und sich eines der drei Beine selbständig gemacht hatte. Ausgerechnet jetzt, da ich endlich hinter das Geheimnis meines Anhängers gekommen war. Mein Glücksbringer: schrottreif. Wenn das kein schlechtes Omen war. Sollte ich womöglich die Reise unverzüglich abbrechen? Tim, der nun ebenfalls auf dem Boden hockte, hob die Übrigbleibsel auf, während ich die Entschuldigungen des unglückseligen Tölpels über mich ergehen ließ.

Als wir unsere Plätze wieder eingenommen hatten, unterzogen wir die Trinakria einer peniblen Untersuchung. Der Kopf war in der Mitte ziemlich eingedellt. Was mich aber weit mehr störte, war das genau am Übergang zum Kopf abgebrochene Bein. Tim versuchte mich zu beruhigen: „Ich glaube, es sieht schlimmer aus, als es ist. Den Kopf, sofern er nicht massiv ist, kann man bestimmt ausbeulen. Und das Bein wieder anzulöten, dürfte auch kein Problem sein. Ich bin sicher, ein guter Goldschmied wird den Anhänger problemlos reparieren.“ „Meinst du wirklich? Es ist und bleibt aber trotzdem ärgerlich.“

Tim ließ sich von meinem Unmut nicht beeinflussen. Er inspizierte die Bruchstelle am Kopf und hielt ihn so nah vor seine Augen, als erwarte er das siebte Weltwunder zu entdecken. Was auch immer er sah, offensichtlich entsprach es seinen Erwartungen. „Ja, ich glaube, der Kopf ist tatsächlich hohl. Wenn man genau hinschaut, erkennt man einen kleinen Spalt." Pause. "Was ist das denn? Hmm! Seltsam! Sollte das etwa – nein, das kann ja gar nicht sein.“

Langsam wurde ich neugierig. Kurz davor, ihm den Gegenstand seiner Verwunderung aus der Hand zu reißen, rief ich: „Mensch, jetzt sag doch. Was kann nicht sein?“ Ganz die Ruhe selbst, antwortete Tim: „Schau halt selber. Fällt dir was auf?“ Ich drehte und wendete den Anhänger. „Nö, was soll ich denn da sehen? Jetzt spann mich gefälligst nicht länger auf die Folter“, rief ich so laut, dass ich einige neugierige Blicke auf mich zog. Tim grinste und ich boxte ihn zur Strafe in die Seite. Er: „Ich wusste doch, dass man sich vor dir in Acht nehmen muss. Vielleicht täusche ich mich ja auch. Ich bin mir selber nicht ganz sicher. Aber mir scheint, der Kopf ist nicht zufällig hohl.“ Eine Antwort, die mich keineswegs befriedigte. „Willst du mich jetzt auf Teufel komm raus aufheitern, oder warum tust du so geheimnisvoll?“ Ich hielt den Anhänger erneut vors Auge, bemerkte aber nichts Außergewöhnliches.

Tim half mir auf die Sprünge: „Du musst genau auf die Bruchstelle schauen. Siehst du den Spalt?“ "Ja – und da ist – meinst du diesen winzigen gelben Punkt, der gerade eben noch zu erkennen ist?“ „Genau. Man könnte doch meinen, dass sich irgend etwas im Inneren des Kopfes befindet. Stell dir nur vor, die Trinakria als Aufbewahrungsort für eine geheime Botschaft! Was für eine spannende Vorstellung!“

In der Tat. Vorerst ging ich allerdings davon aus, dass es eine weniger spektakuläre Erklärung gab. Ich konnte ja nicht ahnen, welche Entdeckung Tim tatsächlich soeben gemacht hatte. In dem Versuch, seine Vorfreude im Keim zu ersticken, gab ich zu bedenken, dass es sich genauso gut um eine Fluse oder ähnliches handeln könnte. Etwas, das sich in Folge der Beschädigung in den Spalt verirrt hat: "Nicht wahr?“ Keine Chance. Tim war nicht zu bremsen. „Das glaubst du doch nicht wirklich! Ich habe einen untrüglichen Instinkt, und der sagt mir, dass wir auf der Spur einer sensationellen Enthüllung sind.“ „Und die wäre?“, lautete meine skeptische Frage. „Wenn ich das nur wüsste. Ich muss irgendwie in den Hohlraum reinkommen.“ „Und dabei meinen Talisman vollends demolieren? Kommt überhaupt nicht in Frage! Und damit ist das Thema endgültig beendet.“

Die nächsten Minuten brüteten wir schweigsam vor uns hin. Tims Theorie war aber auch zu absurd. Ein Geheimversteck en miniature? Einfach lächerlich. Selbst wenn es einen Hohlraum gab, war dieser viel zu klein, als dass dort jemand etwas Großartiges hätte verstecken können. Andererseits, hieß es nicht oft: Klein aber fein? Was wäre, wenn der Anhänger tatsächlich mehr beinhaltete als jemals vermutet? Hatte ich nicht selbst die These aufgestellt, dass er für seine einstige Besitzern eine besondere Bedeutung besaß?

„Mit einer Rasierklinge könnte es gehen.“ Meine plötzliche Bemerkung ließ Tim, der in die Betrachtung seines Bierglases vertieft war, aufschrecken: „Was hast du gesagt? Soll das heißen, du gibst dein Jawort?“ Ich ging sogar weiter, rannte auf mein Zimmer und kehrte bepackt mit Rasierklinge, Nähnadel, Pinzette und Zahnstocher zur Bar zurück. Tim gelang es tatsächlich, die Bruchstelle mit der Rasierklinge soweit aufzuhebeln, dass eine kleine, ungefähr bleistiftgroße kreisrunde Öffnung entstand. Ein Vergleich mit den unversehrten Beinen ergab, dass dies der Originalzustand war. Die noch an Ort und Stelle befindlichen Beine flachten zum Ende hin ab. Dort, wo sie in den Kopf übergingen, waren sie hingegen von rundlicher Form. Die Nahtstelle am Kopf ebenfalls.

Fasziniert und gespannt zugleich hielten wir inne. War hier der Wunsch der Vater des Gedankens? Oder würden wir tatsächlich etwas finden? Tim ließ mir netterweise den Vortritt. Ich spähte durch das Loch, konnte aber nichts sehen. Nicht einmal den zuvor bemerkten gelben Fleck. Also doch nur ein Irrtum? Der ganze Aufwand umsonst? Ich schaute noch einmal und drehte gleichzeitig die Trinakria hin und her. Für einen kurzen Augenblick sah ich etwas. „Tim, in dem Hohlraum hat sich etwas bewegt! Ich habe es genau gesehen. Nur was? Ich konnte es nicht erkennen. Mist, jetzt ist es wieder weggerutscht.“ „Lass mich mal probieren. Das Ganze erinnert mich an ein Geschicklichkeitsspiel und darin war ich schon als Kind unschlagbar.“

Hoffend, dass er immer noch im Besitz seiner Fähigkeiten wäre, reichte ich ihm den Kopf. Geschlagene zehn Minuten beobachtete ich, wie er äußerst fingerfertig mit dem provisorischen Werkzeug herum experimentierte. Gerade als ich die Hoffnung auf einen Erfolg aufgeben wollte, zog er mithilfe der Nähnadel im Zeitlupentempo und von einem siegesbewussten „Hahhh, hab ich's doch gewusst“ begleitet, ein vergilbtes Stück Papier heraus, das ein Mal gefaltet und auf das kleinste Format zusammengerollt worden war.

Was für ein Fund! Unabhängig davon, ob und gegebenenfalls welche Botschaft der Zettel enthielt, war allein die Tatsache, dass wir ihn entdeckt hatten, unglaublich. Aufgeregt deutete ich Tim an, er solle das Papier auseinanderfalten. Zum Vorschein kam ein dünnes pergamentartiges Papier, rechteckig, ungefähr zwei mal vier Zentimeter klein. Gespannt beugten wir uns darüber. Und richteten uns enttäuscht wieder auf. Nicht, dass ich große Erwartungen an unsere Entdeckung gestellt hatte, aber etwas mehr hätte es schon sein dürfen. Zumindest etwas Konkreteres als eine reine Ansammlung von Zahlen. Winzige, von einer zierlichen Handschrift zeugende Zahlen. Die noch dazu wegen der im Laufe der Jahre verblassten Tinte nur schwer zu entziffern waren.

„Was für ein Fund!“, entfuhr mir in sarkastischem Tonfall. „Das kannst du laut sagen“, entgegnete Tim ernst. Offensichtlich um einiges begeisterungsfähiger als meine Wenigkeit, ließ er sich von der Kellnerin Stift und Papier geben. Während er sich daran machte, die Zahlen zu entziffern, nahm ich die nächste Runde Vino in Angriff. Während ich über Schaden und Nutzen einer solchen Entdeckung philosophierte, beobachtete ich, wie Tims Einsatz langsam Gestalt annahm. Schließlich tauschte er den Kugelschreiber gegen das Weinglas, lehnte sich zurück und meinte: „So, das war’s. Jetzt müssen wir nur noch rausbekommen, was die Zahlen bedeuten.“

„Wenn es sonst nichts ist.“ Mit gespieltem Enthusiasmus schnappte ich mir die Kopie unseres Fundes, um einen Blick auf das Ergebnis seiner fleißigen Hände Arbeit zu werfen. Und so sah es aus:

0 0 0 0 0

9 9 9 9 9

3 3 2 2 2

1 5 2 3 1

5 8 2 2 2

7 1 6 9 1

6 4 9 7 0

0 0 3 0 5

7 1 6 1 0

Mäßig begeistert würdigte ich seine Arbeit: „Respekt! Nicht schlecht. Da haben wir wohl in der Tat den schwierigsten Teil schon hinter uns. Und was schlägst du als nächstes vor?“ Ein zurechtweisender und missbilligender Blick zugleich ging seiner Strafpredigt voraus. „Du machst mir wirklich Spaß. Was hast du denn erwartet? Die klar verständliche Anleitung für: Wie finde ich einen Goldschatz? Gut, ich gebe zu, dass es nicht einfach sein wird, hinter die Bedeutung der Zahlen zu kommen. Aber das spricht doch gerade für die Wichtigkeit der Botschaft. Wer auch immer der Verfasser dieser Zahlen ist oder war, er hat sich große Mühe mit dem Versteck gemacht. Also ist es nur folgerichtig, dass er Vorsichtsmaßnahmen für den Fall getroffen hat, dass das Papier in die falschen Hände gerät. Bevor ich jetzt endgültig zum Ende komme, würde ich also vorschlagen, dass du die Sache ein wenig ernster und deine grauen Gehirnzellen in Anspruch nimmst. Es sei denn natürlich, du hast kein Interesse an der Aufklärung.“

Und wie ich an der Lösung des Rätsels interessiert war! Zwar wagte ich nicht, auf einen Bezug zu meiner Vergangenheit zu hoffen, aber meine Neugier war in jedem Fall geweckt. “In Ordnung. Dann fangen wir am besten sofort mit der Suche nach einer plausiblen Erklärung an. Hast du schon eine Idee, Tim?“ „Hmm, vielleicht handelt es sich bei den Zahlen um eine Art Code. Du weißt schon, jede Zahl steht für einen Buchstaben und so weiter.“ „Gar nicht schlecht. Stellt sich nur die Frage, ob wir ihn knacken können. Lass mich mal überlegen – es sind zehn verschiedene Zahlen, also zehn unterschiedliche Buchstaben. Reichen zehn Buchstaben des Alphabets aus, um eine Botschaft auszutüfteln? Wohl kaum.“

Tim gab mir Recht. „Vielleicht steht die eine oder andere Zahl nicht nur für einen Buchstaben. Zum Beispiel die fünf unterstrichenen Zahlen." „Nimm es mir nicht übel, aber ich kann nur hoffen, dass du damit falsch liegst. Denn andernfalls habe ich keinen blassen Schimmer, wie wir jemals das Geheimnis lösen sollen.“ Tim zeigte sich einsichtig: „Eine andere Lösung wäre mir auch lieber. Fällt dir denn nichts ein?“ „Um ehrlich zu sein: nein. Das heißt, die Anordnung der Zahlen erinnert mich an ein – wie nennen sich die Dinger noch mal? Genau, magisches Rechenquadrat. Du weißt doch, diese Aufgaben aus Rätselheften, bei denen die Summe jeder Zeile, jeder Spalte und der Diagonalen identisch ist. Ich befürchte nur, dass diese Erkenntnis hier schon vom Ergebnis her nicht zutrifft.“ “Ja, Gott sei Dank“, revanchierte sich Tim, „andernfalls stünden wir wieder vor dem Problem, wie das Ergebnis zu deuten ist.“

So spannend die Sache auch war, allmählich wurde ich hundemüde. Auch Tim konnte ein herzhaftes Gähnen kaum unterdrücken. Kein Wunder, war es doch schon jenseits von Mitternacht. Und der hinter uns liegende Tag war schließlich alles andere als geruhsam gewesen. Weiter zu grübeln, würde im Moment nichts bringen. Ich hatte ja schon Schwierigkeiten, überhaupt noch einen klaren Gedanken zu fassen. Zeitgleich schlugen wir vor, fürs Erste Schluss zu machen, uns ein paar Stunden Schlaf zu gönnen, um am nächsten Morgen frischen Mutes einen neuen, erfolgreichen Anlauf starten zu können. Wir zahlten und brachen auf.

Schon halb schlafend, ließ ich mich ins Bett fallen. So blieb mir der oftmals herbeigesehnte Genuss versagt, die Tagesgeschehnisse, mit denen ich gestern Morgen nie gerechnet hätte, Revue passieren zu lassen. Wie sich jedoch im Verlauf der nächsten Tage herausstellen sollte, hatte ich keine einmalige Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen. Im Gegenteil. Es sollte noch der Moment kommen, dass ich mir kurz vor dem Einschlafen wünschte zu wissen, was der bevorstehende Tag für mich bereithält.

Das GEHEIMNIS der TRINAKRIA

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