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Juni 1995: Ankunft in San Francisco

Ich sah sie zum ersten Mal in meinem Leben, die Golden Gate Bridge, Wahrzeichen der Stadt San Francisco, Tor der pulsierenden Metropole zum Pazifik. Sie sah gut aus. Rostrote Träger, geschwungene Brückenseile und eine wahrhaft beeindruckende Ausdehnung. Sie sah wirklich gut aus, wie sie da lag in der Bucht von San Francisco, im hellen Licht der Nachmittagssonne.

Als das Flugzeug einschwebte, erkannte man, daß sie nicht die einzige Brücke war. Diese neue, noch viel größere Brücke, die Bay Bridge, haben sie sogar über eine Insel gespannt. Diese Brücke war noch viel länger, sah aber bei weitem nicht so beeindruckend aus. Es war eben nicht die Golden Gate Bridge, das Wahrzeichen von San Francisco.

Die Boeing zog eine ausgedehnte Schleife über San Francisco, und je tiefer wir kamen, desto mehr Einzelheiten waren zu erkennen. Die Insel Alcatraz, auf der vor vielen Jahren Al Capone sein Leben gefristet hatte, lag in der Sonne mitten in der Bucht von San Francisco. Als das Flugzeug immer tiefer ging, erkannte ich eine Reihe von Einzelheiten. Auf den Highways und Freeways waren schon deutlich die Autos zu sehen. Aus dem Nebel tauchte die Downtown von San Francisco auf. Die Stadt sah riesig aus, so wie sie sich ausbreitete zwischen den großen Wasserflächen. Sie versprach ein schönes Erlebnis zu werden. Immer tiefer sank das Flugzeug, und immer mehr Einzelheiten waren zu erkennen, Wohngebiete mit Grünstreifen, Lagerhallen mit Fabrikgebäuden und zahlreiche Sportanlagen.

Langsam wurde es Zeit, daß ein wenig mehr Land unter die Tragflächen kam. Man hatte fast den Eindruck, unsere Maschine wolle auf dem Wasser niedergehen. Aber dann setzte ein leichtes Rumpeln ein, und unser Jumbo der British Airways, Flug Nr. BA 5857, landete auf dem internationalen Flughafen von San Francisco. Es war ein großes, weites Flugfeld, das ich vom Fenster der Maschine aus sehen konnte, und es sah aus wie auf vielen Flughäfen, die ich kennen gelernt hatte.

Ich war jetzt knapp elf Stunden in dieser Maschine gesessen, und ich hatte von der Fliegerei fürs erste wieder einmal die Nase voll, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Luft im Flugzeug war wie immer furchtbar trocken gewesen. Allerdings hatte ich bisher noch nie so komfortabel gesessen. Ich war in der ersten Klasse geflogen und hatte einen herrlichen, breiten Flugsessel für mich allein.

Der Service war einwandfrei gewesen, und eine der Stewardessen hatte mir auch recht verheißungsvoll zugeblinzelt. Der Flug war also wirklich nicht schlecht gewesen. Privat bin ich bisher immer in der Economy-Class geflogen, denn die gesalzenen Aufpreise, welche die Fluggesellschaften für die Business-Class oder gar für die First-Class verlangen, sind meiner Meinung nach total überzogen, um nicht zu sagen verrückt. Die erste Klasse ist zwar sehr angenehm, aber nicht, wenn man sie selbst bezahlen muß, weil man nicht über ein entsprechendes Spesenkonto verfügen kann. Aber dieses Mal flog ich auf Spesen.

Es war für mich eine recht angenehme Erfahrung gewesen, einmal nicht in einen engen Economy-Sessel gezwängt zu werden, sondern einmal so richtig reichlich Platz zu haben. Das ist nämlich für mich gar nicht so einfach. Ich bin 1,98 Meter groß und wiege 230 Pfund.

Ich fühlte mich im Augenblick eigentlich recht ordentlich. Der Jet-Lag hatte noch nicht eingesetzt. Auf dem Flug hatte ich dieses Mal sogar ein wenig geschlafen, da der Sessel in der ersten Klasse wirklich sehr bequem war und vielfältig verstellt werden konnte. Normaler Weise kann ich auf einem Flug kein Auge zumachen. Ich kann in diesen Sesseln der Economy Class einfach nicht schlafen.

Der Film, den sie während des Flugs zur Unterhaltung geboten hatten, hatte mir auch nicht gefallen. Ich hatte auch ein Buch zum Lesen mitgenommen, aber seltsamerweise hatte ich kein richtiges Interesse daran gefunden. Ich hatte lieber zum Fenster hinausgeschaut. Natürlich hatte ich auch noch nie einen so guten Platz im Flugzeug gehabt wie heute.

Ich war gespannt, wie sich meine Arbeit bzw. mein Auftrag hier in San Francisco weiter entwickeln würde. Es war alles ein bißchen überstürzt gegangen. Onkel Nick hatte mir mitgeteilt, daß er einen Auftrag für mich habe. Soviel ich bisher mitbekommen hatte, ist der Auftraggeber ein Facharzt, der Geld hat wie Heu. Er hat eine Tochter. Sie scheint ein total verzogener Fratz zu sein. Offensichtlich war der Kerl recht verzweifelt, als er zu Onkel Nick kam. Onkel Nick sagte, er würde mir so bald wie möglich nähere Einzelheiten und genauere Daten an die Hand liefern. Der Auftraggeber drängte auf möglichst schnelle Abreise und Erledigung des Auftrags.

So hatte ich Hals über Kopf gepackt und den nächstbesten Flug nach San Francisco genommen. Dank Buchung in der First-Class war es glücklicherweise leicht, einen freien Platz zu finden. So unvorbereitet bin ich jedoch bisher noch nie zur Erledigung eines Auftrags losgezogen. Onkel Nick versprach mir jedoch, mich umgehend mit allen zur Verfügung stehenden Daten, Angaben, Adressen etc. per Fax oder auch per Telefon zu versorgen.

Was ich so für mich persönlich brauchte, hatte ich natürlich alles eingepackt. Geld, Devisen, Sorten, Kreditkarten etc., das alles besorgte Onkel Nick, das ist seine Domäne. Vorausbuchungen für Hotel, Mietwagen etc. wurden von Tante Alex, seiner Frau, erledigt. Das hatte bei meinen früheren Aufträgen bisher immer alles bestens geklappt. Ich war zuversichtlich, daß es auch bei diesem Auftrag nicht anders sein würde.

Als erstes würde ich nun mein Hotel aufsuchen. Es würde erfahrungsgemäß ein sehr gutes Haus sein. Wenn Tante Alex ein Hotel auswählt, dann ist das immer voll in Ordnung. Sie verabscheut Billig-Absteigen.

Ich hätte vor meinem Abflug gerne noch einen Crash-Kurs in American English bei Tante Alex belegt. Sie ist das absolute Sprachengenie in der Familie. Leider hatte das aus Zeitmangel nicht mehr geklappt.

Meine Englisch-Kenntnisse sind wirklich nicht schlecht. Ich komme überall ganz gut durch und kann mich gut verständigen. Es ist nicht so, daß ich behaupten könnte, ich spreche fließend englisch wie Tante Alex. Das wird aber zum Glück bei den Amis ja auch gar nicht verlangt. Es gibt jede Menge Amerikaner mit einem US-Paß, die schlechter Englisch sprechen als ich.

Ich war gespannt, wie sich mein Auftrag entwickeln würde. Er hörte sich eigentlich nicht allzu schwierig an, aber meine Erfahrung hat mir gezeigt, daß sich das am Anfang eines Auftrags oft nicht so richtig abschätzen läßt.

Mittlerweile waren wir am Gateway angekommen. Der Pilot bedankte sich noch einmal artig, daß wir mit British Airways geflogen waren, und wünschte uns weiterhin einen schönen Aufenthalt bzw. Urlaub. Ein kleiner Urlaub würde mir gar nicht schlecht tun. Ich war mir aber nicht sicher, ob mein Auftrag mir die Zeit für einen kurzen Urlaub lassen würde. Ich hätte verständlicherweise keine Einwände dagegen. Für alle Fälle hatte ich mal meine Badesachen mit eingepackt.

Es war eine sehr schöne, neue Erfahrung für mich gewesen, einmal vor dem gesamten Economy-Volk, zu dem ich normalerweise auch gehörte, das Flugzeug verlassen zu können. Ich schnappte mir also meine Handgepäckstasche und die kleine Herrentasche mit all meinen Papieren und wollte das Flugzeug verlassen. Meine kleine „Zwinker-Stewardess“ wollte mir noch unbedingt eine deutsche Tageszeitung aufdrängen.

„Sie werden vielleicht längere Zeit nichts Deutsches mehr zu lesen bekommen.“

„Das macht nichts, ich lese auch Englisches. Zur Not nehme ich sogar mit Comics vorlieb!“, wollte ich ihr Angebot ablehnen.

„Bestimmt finden Sie etwas darin, das Sie interessiert“, überging sie meine Ablehnung und drückte mir die FAZ in die Hand. Mir dämmerte etwas. Ich bedankte mich und verließ das Flugzeug.

Der Weg zur Gepäckausgabe war relativ gut ausgeschildert. Ich stand kaum an dem Gummi-Förderband, als auch schon die ersten Koffer aus der Tiefe des Flughafen-Gebäudes erschienen. Nun hieß es warten. Ich habe bei der Gepäckausgabe noch nie Glück gehabt und als einer der ersten mein Gepäck erhalten. Aber heute wurde meine Geduld auf eine extrem harte Probe gestellt. Mein Samsonite war wirklich der vorletzte Koffer, der zum Vorschein kam. Es war ein dunkelblauer Samsonite mit den Initialen A.S. Tante Alex hatte mir den Koffer vererbt. Er war noch aus ihrer Jungmädchenzeit, wie sie es nannte. Sie hatte ihn damals für ihre Ausbildung gekauft, so vor knapp 20 Jahren. Er war noch top in Ordnung, und ich mochte ihn gern wegen seiner Größe und Stabilität. Die großen Initialen A. S. waren recht hilfreich, denn wie ich früher schon oft festgestellt hatte, so war es auch heute. Blaue Samsonites gibt es wie Sand am Meer. Ich hatte wirklich gedacht, meiner käme überhaupt nicht mehr. Reihenweise waren die Leute mit ihrem Gepäck bereits zur Einwanderungsbehörde und Zollkontrolle abmarschiert, während ich mich immer mehr mit dem Gedanken vertraut machte, zum ersten Mal in meinem Leben dem „Lost Luggage“-Schalter meine Aufwartung zu machen. Leicht verärgert, gleichzeitig jedoch auch erleichtert, hievte ich mein gesamtes Gepäck auf einen Trolli, die es hier zum Nulltarif gab, ganz im Gegensatz zum Flughafen München. Dort läuft unter 2,00 DM überhaupt nichts.

Dann stellte ich mich an einer der vielen Schlangen vor der Einwanderungs- und Zollbehörde an. Die attraktiven, sprich kurzen Schlangen, waren leider „only for US-Citicens, Behinderte, werdende Mütter etc.“ Für die popeligen Bürger aus Europa oder erst recht aus Good Old Germany gab es leider keine Extra-Schlange. Das gleiche galt leider auch für die First-Class-Passengers.

Anscheinend gab es bei irgendwelchen Leuten vor mir Probleme, denn es ging überhaupt nicht vorwärts. Die Schlangen links und rechts von mir wurden zügig kürzer, nur die Schlange vor mir nicht. Ich spielte mehrfach mit dem Gedanken, die Schlange zu wechseln, ließ es aber dann doch sein. Denn bestimmt ginge es mir hier wie sonst im Straßenverkehr. Staus und Behinderungen sind dort nämlich auch immer nur auf meiner Fahrspur, und wenn ich die Spur wechsle, dann geht es plötzlich auf der alten Spur schneller voran. Ich blieb also wo ich war und kann ohne Übertreibung behaupten, daß ich unter den letzten fünf Passagieren des Flugs BA 5857 war, die die Einreiseformalitäten am Flughafen von San Francisco hinter sich brachten. Die Einwanderungs-Prozedur in die USA war, wie man mir zum Glück bereits kundgetan hatte, wirklich eine harte Sache.

Onkel Nick hatte mich davor gewarnt, gegenüber den Immigration-Officers Eile, Unwillen oder gar Verärgerung erkennen zu lassen. Denn diese Officers sind kleine Götter. Wenn einem deine Nase oder dein Outfit nicht paßt, dann zeigt er dir erst so richtig, was ein guter Immigration-Officer unter einer korrekten Einreise-Überprüfung versteht. Man kann hier als eiliger Neuankömmling anscheinend problemlos ein paar lustige Stündchen mit Koffer auspacken, Ausziehen der Kleidung, Bücken etc. verbringen, ohne daß man etwas gegen diese Behandlung unternehmen kann, wenn man in die USA hinein will.

Ich gab also mein grünes Ein- und Ausreiseformular für visafreies Reisen ab, das ich im Flugzeug während des Landeanflugs folgsam ausgefüllt hatte. Was die Fragen auf diesem Formular betrifft, verdienen sie doch noch eine extra Erwähnung. Sie waren alle in etwa von folgender Qualität:

Sind Sie geisteskrank?

Betreiben Sie Mißbrauch mit Drogen?

Steht hinter Ihrer Einreise die Absicht, sich an strafbaren oder unmoralischen Handlungen zu beteiligen?

Welcher hirnverbrannte Vollidiot würde hier wohl mit „Ja“ antworten, wenn er beabsichtigte, in die USA einzureisen. Das Frage- und Antwortspiel der US-amerikanischen Einreise-Behörden war noch deutlich verbesserungsbedürftig. Während der Immigration-Officer nun mein Einreiseformular einer kritischen Würdigung unterwarf, versuchte ich, um einen guten Eindruck zu machen, ein freundliches Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Das fiel mir nach den kürzlich gemachten Erfahrungen aber leider nicht allzu leicht.

Kaum eineinhalb Stunden nach Landung des Flugzeugs war ich nun endlich soweit, mir ein Taxi in die Innenstadt zu suchen. Ich war ziemlich überrascht über die Temperatur hier in San Francisco. Wir hatten schließlich Hochsommer, und es war trotzdem nicht allzu warm.

Der Taxistand war direkt vor dem Terminal. Wie bei den Amis üblich, war sofort irgend so ein Kerl da, der sich um mein Gepäck kümmern und ein paar Dollar abstauben wollte. Da ich von Tante Alex über die hiesige Trinkgeld-Unsitte zum Glück bereits ausgiebig informiert worden war, ließ ich den Kerl gewähren und mein Gepäck auf dem Trolli von ihm zum nächsten Taxi fahren. Ohne Tante Alexandras Aufklärungs-Stunden hätte sein schneller Griff nach meinem Trolli ihn unter Umständen ein paar seiner Beißerchen gekostet, da ich ihm natürlich sofort einen dreisten Diebstahlversuch unterstellt hätte. Der Kerl lud die Koffer ein, und ich gab ihm danach ein paar einzelne Dollar, die ich während des Fluges in meine Hemdtasche gesteckt hatte. Das war ein Tip von Onkel Nick. Man sollte bei den Amis immer ein paar Dollar in kleiner Stückelung in den Taschen haben.

„Tip, Sir!?!“ tönt es aus allen Ecken und Enden. Dieses ewige Bettelei nach Trinkgeld kann einem mit der Zeit ganz schön auf den Keks gehen, auch wenn man sich immer wieder verinnerlicht, daß viele von den Leuten kein Gehalt beziehen, sondern nur auf Tip-Basis arbeiten, sprich auf das Trinkgeld angewiesen sind, weil sie davon leben müssen.

Ich nannte dem Taxifahrer die Adresse meines Hotels, des Westin St. Francis am Union Square, und machte es mir auf dem Beifahrersitz bequem. Das Taxi war ein verbeulter, alter Karren von geradezu gigantischen Ausmaßen. Ich schätzte ihn auf mindestens 6 Meter Länge. Ein Amischlitten im Holzdesign, riesig lang, riesig breit und riesig alt.

Ich versuchte, mit dem Taxifahrer ein kleines Gespräch zu führen, indem ich ihn ab und zu nach einem Gebäude fragte, an dem wir vorbeikamen. Aber entweder mein Englisch taugte überhaupt nichts mehr, oder es war sonst etwas kaputt. Ich verstand den guten Mann einfach nicht, und er schien auch kein Wort von dem zu verstehen, was ich von mir gab. Ich hegte schon recht deutliche Zweifel an meinen Englisch-Kenntnissen, als ich zufällig am Armaturenbrett seine Taxi-License erblickte. Er hieß Kim Rosebergk und kam aus der Ukraine. Ich fragte nun ganz langsam auf Deutsch, wie lange er denn in den USA sei. Er blühte richtig auf, weil er endlich etwas verstanden hatte, und teilte mir strahlend mit:

„I here in San Francisco six monats!“

Ich strahlte zurück und war froh, daß nicht mein Englisch das Problem unserer nicht zustande gekommenen Konversation gewesen war. Es bestätigte sich, was mir Tante Alex bereits klargemacht hatte. Bei den Amis kannst du sehr schnell ohne weiteres als Einheimischer gelten, denn die Amis sind es gewöhnt, daß jede Menge ihrer Mitbürger zwar über einen US-amerikanischen Reisepaß verfügen, dabei aber der Landessprache in keinster Weise mächtig sind. Ich nahm an, daß diese Tatsache für meinen Auftrag von nicht unerheblichem Vorteil sein würde, da ich mit meinen Kenntnissen der Landessprache somit ohne allzu große Probleme als Inländer durchgehen würde.

Den Stadtplan von San Francisco beherrschte Kim Rosebergk zu meinem Glück wesentlich besser als die englische Sprache. Die Fahrt dauerte höchstens zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten, und dann waren wir mitten in Downtown am Union Square. Die Einfahrt ins Hotelgelände war nur seitlich von der Post-Street aus möglich. Am Union Square, direkt vor dem Hotel, war keine Parkmöglichkeit, denn hier fuhr direkt die Cable-Car vorbei. Vom Car-Valet des Hotels wurde mir sofort die Tür aufgehalten, mein Gepäck aus dem Taxi genommen und ein Boy gerufen.

Die Taxifahrt kostete nicht mehr als 28 Dollar. Natürlich hatte ich nur zwei Zwanziger dabei. Naja, aber Kim Rosebergk konnte das Geld gebrauchen, und sein fröhliches Lächeln sagte mir, daß ich trinkgeldmäßig gut im Rennen, um nicht zu sagen, weit über dem Durchschnitt lag. Das war nun meine erste gute Tat in diesem Lande. Vielleicht war es auch nur dumm gewesen, denn die Stielaugen der Boys, des Kofferträgers und des uniformierten Empfangsportiers ließen nur allzu deutlich erkennen, daß sie sich gerade ihren Anteil am Trinkgeld-Kuchen ausrechneten.

„Checking in, Sir?“

„Yeah, checking in“, und wieder wechselten ein paar Dollar den Besitzer.

„Your luggage, Sir?“, und die offene Hand belehrte mich, was in Wirklichkeit gemeint war.

„Have a nice stay, Sir!“ Der Uniformierte bewies mir elegant, daß er zum Öffnen der schweren Eingangstür auch nur eine Hand benötigte.

Als ich nun endlich die Hotel-Lobby betrat, war ich um etliche Dollar leichter. Wenn das so weiterging, sollte sich mein Auftraggeber schon mal seelisch auf eine überaus satte Spesenrechnung einstellen. Wie bereits gesagt, war ich zum Glück auf dieses „Tip, Sir“ schon vorbereitet, andernfalls wäre ich wahrscheinlich nur noch kurz vor einem Schreikrampf gestanden. Am Desk hieß es dann wieder einmal „Queuing is fun“. Aber nach all dem Schlange Stehen am Flughafen konnten mich die drei kümmerlichen Figuren, die noch vor mir am Desk dran waren, überhaupt nicht mehr aus der Ruhe bringen. Bei der Beachtung der Intimsphäre kann sich der Durchschnitts-Europäer hier noch eine Scheibe abschneiden. Auf dem Teppichboden der Lobby war extra eine Markierung angebracht: „Wait here for Privacy.“

Meine Zimmerreservierung ging in Ordnung. Ich hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet, schließlich hatte Tante Alex das erledigt. Ich mußte noch eine Unterschrift leisten, meine Kreditkarte vorzeigen und erhielt dann einen sogenannten codierten Zimmerschlüssel, d. h. ein Plastikkärtchen, das auf der Rückseite mit einem Magnetstreifen versehen war. Also ganz ähnlich wie die EC- und Kreditkarten. Dieses Plastikkärtchen diente als Zimmerschlüssel und gleichzeitig auch als Ausweis, der einen berechtigte, die verschiedenen „facilities“ des Hotels wie Indoor-Pool, Jacuzzi oder Fitness-Raum in Anspruch zu nehmen. Außerdem händigte mir die Dame am Empfangsschalter auch noch einen versiegelten Umschlag von MacKenzie Security aus, einem Unternehmen, mit dem Onkel Nick schon früher einmal zusammen gearbeitet hatte.

Ich suchte den Aufzug, fuhr in den 18. Stock hinauf, fand meine Suite und probierte gleich den Plastikschlüssel aus. Ich bevorzuge normalerweise echte Schlüssel aus Metall, aber überraschenderweise öffnete sich die Tür zu meiner Suite schon beim ersten Versuch. Ich war noch nicht richtig drinnen, als auch schon der Boy mit meinem restlichen Gepäck erschien. Natürlich wechselten auch hier wieder ein paar Dollar den Besitzer.

Auch für ein Fünf-Sterne-Hotel wie das Westin St. Francis war meine gebuchte Suite sehr groß, geräumig und von edler Ausstattung. Die erste Tür links führte in einen begehbaren Kleiderschrank mit vielerlei Ablagemöglichkeiten. Auch ein großer, fest installierter Tresor fand sich hier in den Regalen. Gerade voraus ließ eine hohe Fensterfront die letzten Sonnenstrahlen des zu Ende gehenden Tages ins Zimmer. Eine kleine Sitzgruppe, bestehend aus einem runden Tisch mit nach außen geschwungenen Beinen und drei mit grünem Brokat gepolsterten Stühlen, nahm den Platz vor der großen Fensterfront ein. Auf der rechten Seite dehnte sich eine große Bar mit verspiegelter Rückwand und einer ganzen Batterie von Flaschen aus. Vor der Bartheke waren drei Barhocker am Boden befestigt.

Linker Hand ging es durch einen hohen, weiten Rundbogen in ein weiteres Zimmer der Suite, das Schlafzimmer. Als erstes stach einem hier ein riesiges französisches Bett ins Auge, wenn man den Raum betrat. Das Doppelbett war in der Tat erfreulich groß. Zur Not hätten da vier Personen Platz gehabt. Ungefähr zwei Meter über dem Bett war so eine Art Baldachin an der Wand angebracht. Das sollte wahrscheinlich irgendwie ein Himmelbett andeuten oder vortäuschen.

Links an der Wand, neben der Tür zum Badezimmer, stand ein sehr schön gearbeiteter, antiker Schreibtisch aus dunklem Holz. Darauf waren eine antik aussehende Tischlampe aus Messing, ein modernes Tastentelefon, eine Schreibunterlage aus bordeaux-rotem Rindsleder, Schreibutensilien, Brief- und Notizpapier sowie diverse Unterlagen und Prospekte über das Westin St. Francis und die Westin Hotel-Gruppe. Ein großer, mit vielen Verzierungen und Schnörkeln versehener Schrank aus dem gleichen Holz wie der Schreibtisch stand links neben dem Rundbogen an der Wand, genau gegenüber dem riesigen Bett. Er verbarg Fernseher und Videorecorder im oberen Teil sowie eine Minibar im unteren. Die Minibar wäre angesichts der reichhaltig ausgestatteten Bar im anderen Raum nun wirklich nicht nötig gewesen. Die Fenster von Wohn- und Schlafzimmer erlaubten einen schönen Ausblick auf die Wolkenkratzer von Downtown und eine wahrhaft riesige Werbewand für so einen Koreaner-Kübel, „Hyundai“ oder wie die Eimer heißen.

Vom Badezimmer war ich am meisten angetan. Fliesen aus Marmor, Duschwände aus Kristallglas, Doppelbadewanne, ausladende Abstellflächen, Sitzgelegenheit, Fön, elektrische Zahnbürste, Doppelwaschbecken, separate Toilette und als Clou ein weiterer Telefonapparat an der Wand direkt neben dem WC. Die Amis führen wohl gerne Telefongespräche während einer „Sitzung“.

Hier war alles vom Feinsten, und alles sehr, sehr sauber. Über die Dusche war ich besonders erfreut, denn ich kann diese verdammten Plastikvorhänge nicht ausstehen. Ich hasse das, wenn mir beim Duschen immer der Vorhang am Rücken, Hintern oder sonst wo kleben bleibt. Nachdem ich nicht genau wußte, wie lange ich mich hier in San Francisco aufhalten würde, begann ich ein bißchen auszupacken. Den Rest meines Gepäcks schloß ich wieder im Koffer ein. „Tantchens“ Samsonite verfügt über drei wirklich gute Schlösser.

Danach weihte ich die Telefonkarte ein, die mir Onkel Nick als Zusatzkarte zu meiner Firmen-Kreditkarte ausgehändigt hatte. Connect-Service der Deutschen Telekom oder so ähnlich nannte sich das Verfahren, das bargeldloses Telefonieren von fast jedem Telefon, fast überall auf der Welt, ermöglichen sollte. Ich mußte zwar rund vierzig Ziffern eintippen, Zugangsnummer, Kreditkartennummer, persönliche Codenummer und Telefonnummer, bis ich den gewünschten Anschluß in Deutschland erhielt, aber die Verbindung klappte einwandfrei. Das Verfahren ist ein echter Hammer, man spart sich auf diese Weise die oft horrenden Aufschläge, die von den Hotels fürs Telefonieren verlangt werden. Telefonieren in den USA kann sich bisweilen zu einem echten Abenteuer auswachsen, denn der automatische Operator ist meist keine große Hilfe.

Ich rief Onkel Nick an und meldete mich zur Stelle in San Francisco. Onkel Nick ließ sich meine Telefonnummer geben und wies mich an, mir vom Empfang ein Fax-Gerät aufs Zimmer bringen zu lassen. Er hätte neue Erkenntnisse, Dokumente und Daten, sowie auch ein paar Bilder für mich.

Ich bestellte das Fax-Gerät, nahm mir eine Cola (Kinderportion) aus der Minibar und beschloß, eine erfrischende Dusche zu nehmen, da ich bis zum Abendessen um 18.00 Uhr Ortszeit noch gute zwei Stunden Zeit hatte.

Auch Duschen kann in den USA zum Abenteuer werden. Ich dachte schon, ich müsse noch die Feuerwehr holen, um mit diesen idiotischen Hebeln das Wasser wieder abstellen zu können. Die Amis könnten sich auch mal anständige Armaturen zulegen. Ich trocknete mich ab, Handtücher gab es überreichlich, und ging noch ein wenig im Zimmer auf und ab. Ich kann am besten nachdenken, wenn ich ein bißchen hin- und herlaufe. Ich kann mir das zwar nicht erklären, aber diese Art der Bewegung hilft mir dabei wirklich.

Als Junge habe ich einmal vom Kapitän eines englischen Schiffes zu Zeiten der napoleonischen Kriege gelesen, der stundenlang auf der Galerie vor seiner Kapitäns-Kajüte auf- und abmarschiert sein soll. Er hatte dort nur fünf oder sechs Meter Platz, bevor er wieder umdrehen mußte. Dabei mußte er an einer bestimmten Stelle immer den Kopf einziehen, da er etwas größer war, als die Schiffsbauer eingeplant hatten. Immer, wenn er zu sehr in Gedanken versunken war, krachte er unwillkürlich mit seinem Kopf an das besagte Hindernis. An diesen Kapitän werde ich immer wieder erinnert, wenn ich durch die Gegend tigere, während ich über etwas nachdenke. Bei meiner Größe hätte ich auf so einem alten englischen Segelschiff wahrscheinlich auf den Knien robben müssen, um nicht ständig mit meiner Rübe gegen irgendeinen Balken zu donnern.

Während der Wanderung durch die Räumlichkeiten meiner Suite fiel mir urplötzlich die kleine Stewardess mit ihrer FAZ ein. Ich holte die Zeitung aus meiner Handgepäckstasche und schlug sie auf. Ich brauchte nicht lange zu suchen. An Seite fünf war ein kleiner Notizzettel geheftet.

„Mein Name ist Babs Lindman. Ich kenne mich sehr gut aus in San Francisco. Wenn Sie wollen, kann ich Sie ein bißchen in der Stadt herumführen. Die nächsten vier Tage habe ich frei. Sie erreichen mich im Airport Hilton gegenüber dem Main-Terminal“, stand darauf in zierlicher Handschrift.

Die Stewardess war ja recht unternehmungslustig. Das Mädchen war auch echt nicht häßlich. Sie war schlank, etwa 1,75 Meter groß und hatte ein freundliches Gesicht, das von braunen, halblangen Haaren umrahmt wurde. Sie gefiel mir durchaus, aber ich lebe nach der Devise: „Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Im Augenblick konnte ich noch überhaupt nicht abschätzen, ob mir mein Auftrag für letzteres Zeit lassen würde.

Vielleicht kam ich ja noch auf das Angebot zurück. Ich bin immer der Meinung, man sollte nichts verkommen lassen, was einem so freigiebig angeboten wird. Wer weiß, wann die nächste Hungersnot ins Haus steht. Ich legte mich aufs Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und dachte ein wenig über meinen Auftrag nach.

GSC

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