Читать книгу GSC - Frederic John H. MacLawrence - Страница 6

Оглавление

Denise

Mittlerweile kannte ich mich in diesem Teil der Golden Gate National Recreation Area und des Lincoln Parks schon ganz gut aus. Es war für mich überhaupt keine Schwierigkeit mehr, mich zu orientieren, und schon nach kurzer Fahrzeit hatte ich mein lauschiges Plätzchen am Straßenrand mit Blick auf die Golden Gate Bucht wieder gefunden. Ich stellte meinen Lincoln ab, stieg aus und ging ein paar Schritte, bis ich freie Sicht durch die Bäume auf die Golden Gate Bridge hatte. Es war immer noch nicht so richtig dunkel. Der Mond hüllte meine gesamte Umgebung in ein fahles, gespenstisches Licht, das bizarre, unheimliche Schatten warf. Nach ein paar Minuten hatten sich meine Augen jedoch an die Lichtverhältnisse bestens angepaßt, und ich konnte nicht nur die nächsten Büsche und Bäume um mich herum erkennen, sondern sah auch Gegenstände in der weiteren Umgebung.

Die Golden Gate Bridge war klar und deutlich zu erkennen, nicht nur erhellt von zahlreichen Lampen und Laternen, sondern auch unregelmäßig angestrahlt von den Scheinwerfern der Autos, die sie gerade überquerten. Es war wirklich ein prächtiger Anblick. Leider hatten die jungen Leute, die mir schon früher aufgefallen waren, immer noch keine Augen für diesen erhebenden Anblick. Ich vermutete, sie hatten weiterhin fleißig dem Alkohol oder ihren Drogen zugesprochen. Ich hörte Gejohle, Gelächter, Musik und ab und zu auch Gesprächsfetzen, oder besser gesagt, Geschrei. Na ja, jeder ruiniert sich auf seine Art, dachte ich mir, versuchte aber dennoch gleichzeitig, ein wenig zu erkennen, was dort unten vor sich ging. Aber der Lichtschein ihres Lagerfeuers war zu weit weg.

Ich drehte mich gerade um und wollte wieder zu meinem Lincoln zurückgehen, als ich plötzlich einen hohen, fast schon unmenschlichen Schrei hörte, wie ihn nur ein Kind oder eine junge Frau in höchster Not zustande bringt.

Ich verdoppelte meine Anstrengungen, etwas zu erkennen. Natürlich hatte ich kein Nachtsichtgerät dabei. Das lag zu Hause bei meiner sonstigen Ausrüstung in meiner Wohnung im Allgäu. Diese Nachtsichtgläser mit Restlichtverstärkung sind echt eine Schau. Man sieht mit den Dingern fast wie bei Tageslicht. Man sollte halt nur eines dabei haben. Jetzt war ich mir sicher, daß da eine Frau irgendetwas schrie. Ich hörte es ganz deutlich. Aber ich konnte die Worte nicht verstehen.

Ich ging zehn oder fünfzehn Meter die Straße hinunter und horchte erneut. Kein Zweifel, da schrie eine Frau.

„Au secours!“ Plötzlich verstand ich auch die Worte. Das war Französisch. Da schrie eine Frau auf Französisch um Hilfe. Dem Klang ihrer Stimme nach würde sie nicht mehr lange durchhalten. Es hörte sich an, als ob sie rannte, so schnell sie nur irgend konnte, und gleichzeitig um Hilfe schrie. Ihre anfangs noch gellenden Hilfeschreie wurden immer mehr zu einem keuchenden Japsen. Es ist so ziemlich das dümmste, was man machen kann, während des Rennens auch noch zu schreien. Man vergeudet nur kostbaren Sauerstoff. Das ist genauso wie bei der Entscheidung: fliehen oder kämpfen. Man darf nicht laufen wie ein gehetztes Tier, bevor man sich einem voraussichtlich unvermeidbaren Kampf stellt. Die sich aufbauende Sauerstoffschuld läßt dir keine Chance mehr, auch gegenüber einem an und für sich schwächeren Gegner.

Jetzt konnte ich auch noch die Stimmen von mindestens zwei Männern hören, welche die Geräusche von mehreren, rennenden Menschen übertönten.

Da, vielleicht zwanzig Meter weiter unten auf der Straße, brach plötzlich eine menschliche Gestalt aus den Büschen. Sie war die Böschung auf die Straße heraufgestürmt. Sie hielt in ihrem Lauf kurz inne und wandte sich dann weiter bergauf in meine Richtung. Obwohl sie so nahe war, daß ich hörte, wie sie keuchend die Luft in ihre Lungen pumpte, hatte sie mich noch nicht erblickt.

In diesem Augenblick tauchten an der Stelle, an der die Gestalt die Straße erreicht hatte, zwei weitere Figuren auf, die sofort auch in meine Richtung hinter der ersten Gestalt her stürmten. Wie schon erwähnt, war es immer noch relativ hell, und meine Augen hatten sich schon bestens an die Lichtverhältnisse angepaßt. Bei der ersten Person, die auf der Bildfläche erschienen war, handelte es sich ohne den geringsten Zweifel um eine Frau. Da war ich mir absolut sicher, da gab es keinen Zweifel. Das war unübersehbar. Sie war vollkommen nackt. Die anderen zwei Figuren hielt ich ihrem Verhalten nach für Kerle, die in Bezug auf die Verfolgte keine allzu guten Absichten hegten. Aufgrund der Umstände glaubte ich auch zu wissen, was sie mit ihr vorhatten. Daß das arme Ding mit den Absichten der beiden Kerle absolut nicht einverstanden war, war ebenfalls mehr als offensichtlich.

Während die Frau, oder noch eher das Mädchen, wie ich jetzt erkennen konnte, weiter bergauf in meine Richtung lief, warf sie einen kurzen Blick nach rechts über ihre Schulter zurück auf ihre Verfolger. Das war ein grober Schnitzer von ihr. Denn unmittelbar vor ihr und vielleicht so zehn Meter von mir entfernt, brach eine weitere Gestalt aus den Büschen, die sich sofort vor ihr aufbaute und ihr den Weg abschnitt.

Das Mädchen versuchte seinen Lauf abzubremsen, rutschte jedoch mit dem linken Fuß seitlich weg, verlor die Balance und plumpste mit gegrätschten Beinen direkt vor dem dritten Kerl auf ihren nackten Hintern. Ihre verzweifelten Versuche, den Kerlen zu entkommen, hatten in einem totalen Fiasko geendet. Sie saß pudelnackt auf der Straße, und ein Kerl, den sie nicht zu ihren Freunden zu zählen schien, stand zwischen ihren weit gespreizten Beinen.

„That’s right, Baby!“, stieß er keuchend hervor und ließ sich zwischen ihren Schenkeln auf die Knie fallen. Sie versuchte sich wieder aufzurichten, indem sie sich mit beiden Händen hinter sich auf dem Teer der Straße abstützte. Der Kerl packte sie jedoch an den Schultern und drückte sie gegen ihren zähen Widerstand mit dem Rücken auf den Boden.

„Non, non, je te prie, non!“, schluchzte das Mädchen erneut auf französisch.

Ich bezweifelte, daß der Kerl französisch beherrschte, der jetzt über dem Mädchen kniete und sie an ihren Oberarmen zu Boden drückte.

Ich war während dieses unschönen Schauspiels leise und unbemerkt näher herangekommen und nutzte das Überraschungsmoment voll aus. Ich nahm Anlauf und trat den quer vor mir über seinem Opfer knienden Schweinehund mit dem rechten Fuß von unten her mit voller Wucht in den Leib. Der dumpfe Ton meines Tritts wurde übertönt von seinem Aufschrei. Die Luft entwich aus seinen Lungen wie aus einem Blasebalg, und ich spürte deutlich unter meinem Fuß das Brechen von Knochen. Ich tippte auf mindestens drei bis vier gebrochene und in etwa die gleiche Anzahl angebrochener Rippen.

Mein mit voller Wucht ausgeführter Tritt befreite das Mädchen ruckartig von ihrem Peiniger. Er hob richtiggehend ab, kam vielleicht so gut zwei Meter neben dem nackten Mädchen erst wieder mit dem Boden in Berührung, überschlug sich noch einmal und blieb dann still liegen, direkt vor seinen beiden heranstürmenden Kumpanen. Die beiden hatten noch gar nicht so richtig mitbekommen, was hier so plötzlich vor sich gegangen war. Ich klärte sie nicht auf, sondern nutzte den Schwung meiner Vorwärtsbewegung, die leichte Abschüssigkeit der Straße sowie ihr staunendes Unverständnis und sprang den vorderen der beiden Helden, den mit der tollen Punkerfrisur, mit der vollen Wucht meiner 230 Pfund an. Ich traf ihn mit dem Fuß meines gestreckten rechten Beins mitten auf die Brust. Die Wirkung war vielleicht sogar noch sehenswerter als bei meinem vorherigen Tritt. Er wurde regelrecht von den Beinen gerissen. Er flog mindestens drei Meter weit. Dabei griff seine rechte Hand haltsuchend ins Leere, während er seine Linke dem Kerl schräg hinter ihm mit dem Handrücken ins Gesicht schlug, bevor er wie ein nasser Sandsack auf dem Boden aufprallte und bewegungslos liegenblieb.

Freundlicherweise hatte Punky der Nummer drei im Rennen bereits einen Schlag verpaßt, der diesen für einen zusätzlichen Augenblick ablenkte. Ich nutzte das natürlich schamlos aus. Als sich Nummer drei nun mit der rechten Hand am blutenden Mund wieder mir zuwandte, trat ich ihn mit dem linken Fuß in den Bauch, wobei ich mit einer halben Körperdrehung für zusätzliche Power sorgte. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Es sah so aus, als ob er genug hätte, als sei er voll bedient. Ich war mir jedoch nicht ganz sicher. Also schmetterte ich ihm vorsichtshalber meine rechte Faust an die Rübe, direkt hinter sein linkes Ohr, nur um eventuellen Überraschungen vorzubeugen. Das Ergebnis beruhigte mich, jetzt war ich mir seiner sicher. Ich sah mich schnell um, aber die Auseinandersetzung war beendet. Die drei Herren waren friedlich und gaben keinen Muckser mehr von sich. Weitere Verfolger waren nicht aufgetaucht.

Das nackte Mädchen saß immer noch da, wo sie vor ein paar Augenblicken zu Boden gegangen war. Sie hatte den Oberkörper leicht aufgerichtet, die Beine aber immer noch gespreizt. Sie sah zu mir her, und erst so nach und nach dämmerte ihr langsam, daß sie nichts mehr zu befürchten hatte.

Ich ging auf sie zu. „Come on, let’s go! Here is nothing more to do“, sprach ich sie an. Aber sie reagierte nicht. Ich wollte gerade versuchen, ein paar französische Brocken zusammenzukratzen, als sie plötzlich ihre Beine anzog und sich aufrichtete. Sie war noch ganz zittrig, und ihre Beine trugen sie kaum. Aber sie fing sich zusehends.

,,Merci beaucoup! Thank you very much!“, brachte sie schwer atmend hervor.

„Come to my car!“, forderte ich sie auf und streckte ihr meine linke Hand entgegen. Ihre rechte war ganz kalt. Wahrscheinlich war ihr insgesamt kalt, und wahrscheinlich machte sich zu allem Überfluß jetzt auch noch der Schock und der überstandene Schrecken bemerkbar. Sie fing an, haltlos zu zittern. Ich dachte schon, sie würde mir jetzt zusammenbrechen und wußte nicht so recht, wie ich jetzt reagieren sollte. Die Umarmung eines fremden Mannes war vielleicht nach dem überstandenen Schrecken doch nicht gerade das, was sie wieder beruhigen würde. Ich wußte mir aber nicht anders zu helfen und umarmte sie deshalb trotzdem. Scheinbar tat ich das Richtige, denn sie drängte ihren nackten Körper an mich, umklammerte mich und fing an, haltlos zu schluchzen. Ich hatte schon bemerkt, daß sie nicht sehr groß war. Aber erst jetzt, als ich sie in meinen Armen hielt, registrierte ich, wie klein sie wirklich war. Sie war höchstens 1,60 Meter groß, dabei sehr schlank und zierlich.

Ich führte sie zu meinem Lincoln, öffnete ihr die Tür und setzte sie auf den Beifahrersitz. Zum Glück hatte ich meine Windjacke mitgenommen, die ich vom Rücksitz holte und ihr jetzt reichte. Sie zog sie auch sofort an. Die Jacke war ihr natürlich um etliche Nummern zu groß, und sie verschwand richtiggehend darin. Ich fuhr los, verließ die Golden Gate National Recreation Area und den Lincoln Park. Wir erreichten auch bald den Zubringer zum Highway.

„Wo wohnen Sie? Wohin soll ich Sie fahren?“, wollte ich von ihr wissen.

„Ich weiß nicht wohin. Ich bin heute erst in San Francisco angekommen und in der Jugendherberge abgestiegen. Aber dort kann ich nicht hingehen, denn die Kerle kennen die Adresse.“ Sie schniefte ganz undamenhaft.

„Möchten Sie ein Taschentuch haben?“, fragte ich und suchte gleichzeitig in der Ablage der Fahrertür. Leider wurde ich nicht fündig.

„In der blauen British Airways-Tasche auf dem Rücksitz sind ein paar Päckchen mit Papiertaschentüchern. Da können Sie sich eins rausnehmen“, deutete ich mit dem rechten Daumen nach hinten.

„Danke, ich glaube, ich könnte ein paar gebrauchen“, flüsterte sie unter erneutem Schniefen. Sie schnallte den Gurt los und beugte sich zwischen den beiden Vordersitzen nach hinten. Da der Lincoln aber alles andere als ein Kleinwagen war, konnte sie die Tasche nicht erreichen. Sie kletterte deshalb mit dem rechten Knie auf die Mittelarmlehne und kramte dann in der kleinen blauen Tasche auf dem Rücksitz. Bei dieser Aktion rutschte ihr meine Windjacke natürlich ein gutes Stück nach oben und entblößte dabei zwei wohlgerundete Backen. Das war zwar nicht weiter schlimm, zog meine Augen jedoch magisch an. Der Anblick, der sich mir hier nun plötzlich im Rückspiegel bot, war wirklich nicht von schlechten Eltern. Ich mußte mich richtig zusammenreißen, um meine Aufmerksamkeit wieder vom Rückspiegel zurück auf die Straße vor mir zu lenken.

„Ein Gentleman nutzt eine derartige Situation nicht aus!“, sagte ich mir und blickte stur geradeaus, bis das Mädchen wieder zurück auf ihren Sitzplatz kletterte. Ich will nicht sagen, daß es mir leicht gefallen ist, denn wahrscheinlich hätte dieser Anblick sogar einen Bischof dazu bringen können, seine Kirchenfenster einzutreten. Und ich bin wirklich alles andere als ein Heiliger. Zum Glück hatte sie schnell gefunden, wonach sie gesucht hatte, und saß nun mit einem Päckchen Tempo-Taschentücher in der Hand wieder auf dem Beifahrersitz neben mir.

Ich war froh, daß das Mädchen mit den Taschentüchern beschäftigt war und nicht zu mir her sah, denn ich fühlte deutlich, daß mir das Blut ins Gesicht geschossen war. Ich hatte mit Sicherheit eine leuchtend rote Birne auf. Das andere Ergebnis meiner Blicke in den Spiegel konnte man zum Glück auch nicht sehen. Das Blut war mir nämlich nicht nur ins Gesicht geschossen.

„Zuallererst brauchen Sie etwas zum Anziehen!“, stellte ich fest. „Im Touristenviertel, in Fishermen’s Wharf, haben die Läden bestimmt noch geöffnet, und da werden wir Ihnen jetzt etwas Passendes kaufen.“

Bei der nächsten Ausfahrt fuhr ich vom Highway runter und hielt auf Fishermen’s Wharf zu. Hier war noch regelrecht die Hölle los. Die Leute drängten sich auf den Gehwegen, vor und in den Geschäften. Inline-Skater überholten die Autos auf der Straße, und ein paar total Verrückte joggten auf der Fahrbahn. Ich fand eine Lücke zwischen den vielen am Straßenrand geparkten Autos und hielt an. Zum Parken in der Stadt ist ein Lincoln Towncar mit den Ausmaßen eines Schlachtschiffs nicht unbedingt erste Wahl.

„So können Sie unmöglich aus dem Auto raus und einkaufen gehen“, gab ich dem Mädchen nun zu verstehen. Meine Windjacke war ihr zwar viel zu groß, würde aber voraussichtlich ihren nackten Hintern doch nur sehr unvollständig den neugierigen Blicken der Leute entziehen können, ganz zu schweigen von den noch weit intimeren Bereichen ihrer Vorderfront. „Bleiben Sie bitte im Wagen! Ich werde versuchen, Shorts und ein T-Shirt für Sie zu kaufen. Ein Paar passende Schuhe werden Sie auch brauchen können, nehme ich an.“

Ich stieg aus und steuerte auf den nächsten Laden mit Souvenirs zu. Ein Laden war hier für meine Zwecke so gut wie der andere. Direkt links hinter der Eingangstür standen zwei Regale mit schrecklich bunter Sommerkleidung, speziell für Touristen. Ich erwarb ein T-Shirt Größe M mit zwei Seelöwen auf der Vorderseite, die auf ihren Schnauzen je einen bunten Ball balancierten. Touristen-Kitsch, aber diese T-Shirts waren die einzigen, die es in Größe M gab. Die anderen trugen zwar teilweise sogar ein recht nettes Golden-Gate-Motiv, fingen in der Größe aber erst bei XL an und reichten bis XXXXXL. Als Bekleidung für die untere Hälfte meiner Begleiterin wählte ich weiße Boxer-Shorts in der kleinsten vorhandenen Größe M mit der simplen Aufschrift „Alcatraz“ und ein paar ganz einfache Slipper aus Segeltuch. Zum Glück gab es diese auch in kleiner Größe. Da ich mich hier in der Hochburg des Touristen-Nepps in San Francisco befand, kostete mich der Spaß 98 Dollar 50 plus Tax.

Ich ging zurück zu meinem Lincoln, in dem das Mädchen brav auf mich wartete. Sie sah gerade in die andere Richtung, und deshalb klopfte ich an die Scheibe der Beifahrertür, um mich bemerkbar zu machen. Das Mädchen erschrak fürchterlich, fuhr mit dem Kopf herum und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Dann erkannte sie mich. Ihre Gesichtszüge, die ihr soeben vollkommen entgleist waren, entspannten sich wieder, und sie drückte den Knopf zum Entsperren der automatischen Türverriegelung. Ich stieg ein und reichte ihr die Papiertüte mit den neuen Kleidungsstücken. Die Slipper aus Segeltuch stellte ich in den Fußraum.

„Ziehen Sie das an. Ich fahre jetzt in mein Hotel, das Westin St. Francis am Union Square, und dort werden wir ein Zimmer für Sie mieten.“

Ich verfuhr mich trotz Dunkelheit nicht ein einziges Mal, sondern fand problemlos zum Union Square. Während der kurzen Fahrt hatte das Mädchen sich zuerst meine Windjacke aus und dann das T-Shirt, die Boxer-Shorts und die Segeltuch-Schuhe angezogen.

„Bitte, ich möchte nicht allein bleiben heute Nacht. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich glaube, daß ich heute Nacht nicht allein in einem fremden Zimmer sein möchte“, stieß sie hervor.

Ich konnte mir vorstellen, daß ihr diese Äußerung bestimmt nicht leicht gefallen war. Schließlich und endlich war ich ja auch ein Fremder für sie. Und sie wollte mich ja auch nicht auf irgendwelche dummen Gedanken bringen.

„Ich verstehe Sie voll und ganz“, beruhigte ich sie. „Keine Angst, wenn Sie wirklich wollen, können Sie bei mir in meinem Zimmer die Nacht verbringen. Ich habe eine sehr schöne, geräumige Suite mit einem großen französischen Bett, und ich versichere Ihnen bei allem, was mir heilig ist, ich werde Ihnen nichts tun. Ich schnarche zwar manchmal ein wenig, aber ansonsten werden Sie von mir nicht behelligt werden.“

„Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll“, sagte sie leise. „Aber wahrscheinlich kann man das gar nicht wieder gutmachen, was Sie heute Abend für mich getan haben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin“, stieß sie nervös hervor. „Ich heiße übrigens Denise Pierre und komme aus Limoges in Frankreich.“

„Machen Sie sich keine Gedanken mehr darüber!“, riet ich ihr. „Versuchen Sie die Ereignisse des heutigen Abends zu vergessen. Verdrängen Sie die Bilder in Ihrem Kopf, und Sie werden sehen, schon bald können Sie wieder lachen und fröhlich sein. Ich heiße übrigens Steiner, Michael Steiner, und komme aus Deutschland, aus einer kleinen Stadt im Allgäu in Bayern.“

Ich gab den Wagen wieder beim Car Valet ab, drückte ihm ein paar Dollar in die Hand und ging mit der kleinen Französin durch die Hotel-Lobby zu den Aufzügen. Niemand behelligte uns. Wir fuhren in den 18. Stock und betraten meine Suite.

„Sie haben wirklich ein sehr schönes, großes Zimmer, Monsieur“, stellte meine kleine Französin fest und sah sich staunend in meiner Suite um.

Für 520 Dollar die Nacht ohne Frühstück konnte man meiner Meinung nach diese Größenordnung und Güteklasse aber auch erwarten. Weniger wäre Nepp gewesen.

„Ich nehme an, Miss Pierre, Sie möchten zuerst ein heißes Bad nehmen oder sich duschen“, schlug ich vor und zeigte ihr das Badezimmer, einen Traum aus Marmor, Kristallglas und Spiegeln, der von mehreren Lampen an den Wänden und einem kleinen Kronleuchter an der Decke in helles, warmes Licht getaucht wurde.

„Nennen Sie mich doch bitte bei meinem Vornamen Denise“, bat sie mich freundlich.

„Gerne, ich heiße Michael.“

Sie verschwand im Badezimmer, und ich ging zum Telefon. Es war höchste Zeit, daß ich Onkel Nick einen ausführlichen Bericht erstattete. Es läutete nur ein paarmal, dann war mein Boß auch schon am Apparat. Kunststück, in der ganzen Wohnung waren mehrere Telefone verteilt, und er verfügte darüber hinaus auch noch über ein Handy.

Er war ganz begeistert, daß ich bei den MacGregors eine Spur hatte aufnehmen können und versprach mir, sich umgehend darum zu kümmern. Er hoffte, mir möglichst bald schon mitteilen zu können, wie ich weiter vorgehen sollte. Ich erzählte ihm dann noch von dem Zwischenfall in der Golden Gate National Recreation Area bzw. dem angrenzenden Lincoln Park und daß das Mädchen heute Nacht bei mir im Zimmer bleiben wollte. Er fand das in Ordnung, riet mir jedoch aufgrund meines heutigen Erlebnisses, morgen auf jeden Fall die South Pacific Merchant Bank aufzusuchen, um mich dort aus dem mir bekannten Schließfach mit allem Nötigen zu versorgen. Daran hatte ich heute Abend auch schon gedacht, und ich plante die Fahrt gleich fest für morgen früh ein.

Für heute Abend hatte ich meine Pflichten erfüllt. Ich wollte nur noch kurz duschen, und dann ab ins Bett. Ich klopfte ganz vorsichtig an der Badezimmertür und fragte: „Denise, wie weit bist du? Brauchst du noch lange?“

„Ich liege in der Badewanne, aber du kannst ruhig hereinkommen. Es gibt wirklich nichts mehr, was du noch nicht gesehen hättest“, antwortete sie mir.

Ich ließ die Tür geschlossen und sagte leicht überrascht: „Ich wollte nur auch noch kurz eine Dusche nehmen, aber laß dir ruhig Zeit, es eilt nicht so.“

„Wenn es dich nicht stört, daß ich in der Badewanne liege, kannst du ohne weiteres deine Dusche nehmen. Ich mache so lange die Augen zu.“

„Na gut, wenn es dir nichts ausmacht, dann komme ich rein“, kündigte ich mich an.

Ich zog mich aus, legte meine Kleidung und Wäsche auf einen Sessel und ging nackt ins Bad. Sie lag in der Badewanne, die voller Schaum war. Anscheinend hatte sie reichlich vom hoteleigenen „Foam Bath“ genommen.

„Meinetwegen kannst du die Augen ruhig wieder aufmachen. Es macht mir nichts aus, ich habe auch nichts zu verbergen“, sagte ich und betrat die Duschkabine, die auf zwei Seiten Wände aus klarem Kristallglas hatte.

Als ich mit dem Duschen fertig war, verließ ich die Kabine und trocknete mich ab. Der Anblick, der sich mir bot, war überaus reizvoll. Denise lag in der Wanne. Ihr Körper war vollkommen vom Schaum verborgen, nur die zwei Hügel ihres vollen Busens waren nahezu schaumfrei und schauten mit ihren dunklen Brustwarzen frech aus dem Schaum.

Denise schlug die Augen auf, sah, daß ich mich gerade abfrottierte und stieg auch aus der Wanne. Sie schnappte sich ein weiteres Badehandtuch und trocknete sich ebenfalls ab.

„Du hast da ein paar ganz unschöne Schrammen“, deutete ich auf ein paar häßliche Kratzer auf ihrem Rücken. „Warte, ich hole etwas zum Desinfizieren!“

Ich holte eine Flasche farbloses Desinfektionsmittel, das ich immer dabei habe, tränkte einen Bausch Kleenex damit und behandelte ihre Schrammen vorsichtig. Sie hielt die Luft an und verzog das Gesicht, als das Mittel seine brennende Wirkung entfaltete.

Da sich im Badezimmer meiner Suite zwei Waschbecken befanden, konnten wir uns die Zähne gelichzeitig putzen und brauchten nicht auf den anderen zu warten.

„So, und jetzt nichts wie ab ins Bett“, befahl ich und wies auf das französische Doppelbett. Wir schlüpften unter die Bettdecke, nackt wie wir waren, und ich glaube, jeder von uns hing noch eine Zeitlang seinen ureigensten Gedanken nach und versuchte auf seine Art, das Erlebte zu verarbeiten. Plötzlich spürte ich ihre Hand in meiner.

„Bitte halte meine Hand, dann weiß ich, daß ich nicht allein bin“, waren Denises letzte Worte, bevor sie einschlief und ihre Hand erschlaffte. Ein paar Augenblicke später hatte auch mich die Müdigkeit übermannt.

GSC

Подняться наверх