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Erstes Kapitel: Wahrheit I. Platon
ОглавлениеPlaton verwendet das griechische Wort altheia (ἀλήθεια) 375-mal. Es wird im Deutschen mit drei unterschiedlichen Bedeutungen wiedergegeben: 1. Wahrheit im Gegensatz zur Lüge, 2. Wirklichkeit im Gegensatz zum bloß äußerlichen Schein und 3. Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit im Sinne der personalen Eigenschaft.1 Platons Wahrheitsverständnis nun umkreist im Allgemeinen die schon vorphilosophisch gebräuchlichen Wörter althês (ἀληθής) in der Bedeutung „unverhohlen, wahr; wirklich, wahrhaftig“ und altheia (ἀλήθεια) in der Bedeutung von „Wahrheit“. Beiden Wörtern liegt die sprachgeschichtlich anschauliche Grundbedeutung „Unverborgenheit“ zugrunde, der zufolge etwas oder jemand seiner Wirklichkeit gemäß erkannt wird, bezeichnen also die Übereinstimmung der Erkenntnis mit der Sache (Thomas von Aquin nennt das: adaequatio intellectus ad rem). Mit der Übernahme dieses Sprachgebrauchs gibt Platon zu erkennen, dass in seinem Verständnis die Wahrheit über den Weg des richtigen Denkens ans Licht gebracht werden kann. Dieses ist indes an das Gespräch in Frage und Antwort gebunden. Insofern unternimmt es Platon in seinem Werk, das Verborgene zwecks Annäherung an die Wahrheit dialogisch ans Licht zu bringen. Immer wieder führt Platon daher einen fragenden Dialogpartner ein, den Philosophen Sokrates nämlich, um so die Gesprächspartner und Zuhörer seiner Dialoge der Wahrheit auf die Spur kommen zu lassen.
In Platons frühen Werken2 kommt dem Wahrheitsbegriff eine allgemeine Bedeutung zu. Die griechischen Wörter alths und altheia sind hier noch begrifflich offen und treten überwiegend in Verbindung mit einem Zeitwort des Sagens oder Wahrnehmens (verbum dicendi) auf, so etwa: „Die Wahrheit sagen, reden, hören.“3 Freilich wird sich zeigen, dass Platon zunächst die Wahrheitsrede an die Person des Sokrates gebunden verstanden wissen will.