Читать книгу No such Future - Friederike Müller-Friemauth - Страница 16
… oder: So (Besser nicht)?
ОглавлениеUrsprünglich war – vernünftig praktizierte – Trendforschung ein integraler Bestandteil von Zukunftsforschung.
Während zukunftsforscherische Methoden das bearbeiteten, was vor uns liegt, ab einer zeitlichen Reichweite von etwa fünf Jahren, beschäftigte sich Trendforschung als der kleine, gegenwartsnähere Zweig mit Kommendem bis zu einer zeitlichen Reichweite von höchstens zwei bis drei Jahren. Sie registrierte und deutete also in Ansätzen bereits erkennbare Entwicklungen. Daher blieb sie prognostisch bescheiden und stellte den Blick scharf auf interessante neue Fluchtpunkte: Phänomene, die sich aus »frühen Anzeichen« für neue Entwicklungen sehr wahrscheinlich ergeben könnten.
So verstandene Trendforschung war und ist daher von ihrem Grundgedanken her immer »gerichtet« oder »gerahmt«. Sie steht in Bezug zu einem denkbaren Endpunkt, etwa einer Fragestellung. Einem Interesse. Einem Fokus. Einem Ziel. Auf jeden Fall steht sie: »In Hinblick auf«. Denn Trends sind nicht offen. Das als wahrscheinlich prognostizierte Ziel einer neuen Entwicklung ist zumeist im Trend-Label abgebildet. Modell: Zielscheibe. Trendbeschreibungen – im seriösen Sinn – sind immer gedacht als Darlegungen über neue Entwicklungen »mit Perspektive auf etwas«.
Methodisch betrachtet sind Trends
Hilfsmittel der Zukunftsforschung.
Sie eröffnen neue Blickwinkel und Handlungsmöglichkeiten, indem sie erste »schwache Signale« auf den Punkt bringen, diese Weak Signals innovativ bündeln. Ja gut, und leise Töne der »Nachrichten aus der Zukunft« auch mal überbetonen, überzeichnen. Damit wir auch mitbekommen, welche Spielräume sich auftun – und welche möglichen Abseits-Stellungen …
Aber: Ohne klare Zielgerade und Fragestellung (Warum? Wozu? Und: Wer zum Teufel will das überhaupt wissen?) flottieren Trends frei im Raum und auf dem prognostischen Spielfeld pausenlos ins Abseits. Sie stehen dann in keinem Passweg, zu nichts und niemandem. Degenerieren zu Kuriositätensammlungen, Marke: »Gut, dass wir darüber gesprochen haben.« Und sind zu allermeist prognostisch völlig nutzlos.
State oft the Art: Neues aus der Anstalt
Leider ist bei den medial gehypten, für die Branche charakteristischen Trendreportagen der letzten Jahre genau das der Fall. Präziser: seit den sogenannten »postmodernen« 1990er-Jahren. Ab da mussten wir Zeugen und Leser sein von Trendbüchern, -magazinen und -reports, die ohne jedes perspektivische »Framing« in bunter Folge Auffälliges, Kurioses, Seltsames oder was auch immer aus New York, Witten-Herdecke, Rio, Hamm-Pelkum, Tokio oder Friedrichshafen aufpickten und aneinanderreihten. Motto: Alles so schön bunt hier! Ich kann mich gar nicht entscheiden! Ständig gabs Neues aus den angesagten Szene-Metropolen dieser Welt – locker-fluffig präsentiert und immer mit einem lustigen Label versehen. Mit einem Nutzwert, der oft so unterirdisch war wie viele dieser Trends selbst. Und das alles in monatlichem Turnus gut honoriert auf die Konzern-Tische informationshungriger Entscheider.
Für den überwiegenden Teil der KMU waren derartige Trendreportagen allerdings immer schon bestenfalls unterhaltsam. Und in der gegenwärtigen Zeit multipler Dauerkrisen ist die Toleranzschwelle für solch talmiartiges Trendgeplänkel im Klein- und Mittelstand noch weiter gesunken. Oberflächlichkeit, der Fokus auf Merkwürdigkeiten und ein nervtötender, pseudo-globaler Denglisch-Sprech: Manche KMU-Entscheider halten diese (Abart von) Zukunftsforschung schlicht für entbehrlich.
Marketing als »Gottesdienst am Kunden«
Erinnern Sie sich noch an Cocooning, den Trend der US-Forscherin Faith Popcorn aus den 1980er-Jahren? An den Wellness-Hype? Das Kult-Marketing? Die Tage des Kundendialogs seien gezählt, hieß es bei Letzterem. Marken würden zu Mythen, Logos zu Hostien. Das moderne Marketing würde religiöse Werte durch Waren-Ikonen ersetzen. Frisch recycled heißt der Kult des Sozialen heute bei Norbert Bolz Sociopleasure – ritualisiertes Marketing als »Gottesdienst …«. Soll heißen: alter Wein in neuen Schläuchen.